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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Effmann, Wilhelm: Der Taufstein von St. Nikolaus zu Freiburg in der Schweiz und seine Bildwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0055

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71

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

72

Heiland (Figur II) ist in Dreiviertelansicht
nach dem Täufer hingewandt. Die Darstel-
lung der frommen, ganz in den Ernst der
heiligen Handlung versunkenen Haltung ist
in dem gesenkten Haupte und den gefal-
teten, zum Gebet erhobenen Händen zum
glücklichen Ausdruck gebracht. Bart und
Kopfhaar folgen in ihrer Anordnung dem üb-
lichen Typus. Der Kopf erscheint etwas zu
schwer gegenüber dem schmalschultrigen Körper.
Dafs Christus unbekleidet ist, wird durch
die Handlung bedingt; die — nicht ganz lücken-
lose — Raumfüllung ist dem Schriftbande über-
lassen, das dem Haupte gleich einem Nimbus
sich umlegt und mit den Enden in Windungen
herunterhängt.

Wohl die unbedeutendste Figur der ganzen
Bilderreihe ist die dritte Figur der Gruppe
der Engel zur Rechten des Herrn (Fig. III).
Der Künstler hat einen der üblichen Engel-
typen dargestellt, ohne den Versuch zu machen,
seiner Schöpfung eigenes Leben einzuhauchen.
Der Engel ist in Vollansicht gegeben. Selbst
im Levitenkleide dargestellt, trägt er auf den
nach vorne gerichteten Armen das Gewand
des Herrn: eine anscheinend ärmellose, mit
Halsausschnitt versehene Tunika. Die seitlich
ausgestreckten Flügel des Engels stofsen bis
unter das Deckgesims. Es ist die einzige Figur,
die des Schriftbandes entbehrt, aber auch ohne
ein solches sind hier die Flächen ausreichend
und schön gefüllt. Durch die gewählte, lür
beide Seiten völlig symmetrische Anordnung,
bei der selbst das Haupt keine Wendung zeigt,
ist der Engel freilich in die Rolle eines theil-
nähmlosen Offizianten gerückt worden.

Ganz anders, voll von Leben, sind die nun
folgenden Darstellungen der Evangelisten. Die
Reihe derselben beginnt, entgegen der gewöhn-
lichen Anordnung, mit Markus (Fig. IV) statt
mit Matthäus. Mafsgebend für diese Abweichung
ist jedenfalls die enge Beziehung, in der dieser
Evangelist in seinem mit der „Stimme des
Rufenden in der Wüste" beginnenden Evan-
gelium zu der Taufe Christi steht. Er wendet
sich dieser Gruppe auch in lebhafter Viertel-
wendung zu. Das Gesicht aber auf den Be-
schauer gerichtet, scheint er aus dem mit der
linken Hand aufgeschlagenen Buche, den Schrift-
' zeilen mit dem Zeigefinger der rechten Hand
folgend, die betreffende Stelle gleichsam vor-
zutragen. Das Gesicht ist scharf geschnitten,

die Stirn tief gerunzelt; ein Barett bedeckt das
Haupt, von dem die Haare fast bis auf die
Schulter hinabhängen. Der am Halse zuge-
knöpfte Mantel hat lang herabhängende Aermel
und, zum Durchstecken der mit den an-
schliefsenden Aermeln des Untergewandes be-
kleideten Arme, Ausschnitte unter der Achsel.
In der auf der linken Seite freibleibenden Ecke
ist das Symbol des Evangelisten, der Löwe,
angebracht. Er wird von dem Schriftband um-
schlungen, das hinter dem Rücken des Evan-
gelisten emporläuft und dort den oberen Rund-
stab umwindet.

Als zweiter der Evangelisten folgt nun
der hl. Matthäus (Fig. V), in ganz genrehafter
Auffassung dargestellt, wie er in der Schreib-
stube sich zur Arbeit anschickt. Er ist damit
beschäftigt, die Schreibfeder zu schneiden.
Das zur Aufbewahrung von Feder und Messer
dienende Futteral liegt halbgeöffnet vor ihm.
Daneben steht das Tintenfafs, das zum Trans-
portiren mit einem Seilgriff versehen ist. Fast
die ganze linke Bildhälfte wird von einem
Engel eingenommen, der das aufgeschlagene
Buch dem ihm in schwacher Wendung zuge-
richteten Evangelisten vorhält. Dieser ist von
breitschultriger Gestalt, ohne Kopfbedeckung
und ohne Mantel, mit einem Talar bekleidet,
der ziemlich weitärmelig, unter der Brust ge-
gürtet und am Halse mit Knöpfen geschlossen
ist. Auch hier ist die Figur in voller Ansicht
gegeben, das mit stark markirtem Kinn ge-
zeichnete Gesicht grade aus blickend, bartlos,
aber von ernstem, männlichem Ausdruck.
Es verblieb hier nur eine kleine Lücke, die
von dem Schriftband ausgefüllt werden mufste.

Der dritte der Evangelisten, der hl. Lukas
(Fig. VI u. Fig. 2), ist dargestellt, wie er gerade
im Begriffe steht, mit dem Schreiben zu be-
ginnen. In voller Ansicht dem Beschauer zu-
gewendet, neigt er sich etwas zur Seite, um
mit der Rechten die Feder in das neben ihm
stehende Tintenfafs einzutauchen, während er
mit der Linken das aufgeschlagene Buch fest-
hält. Sein Symbol, der Stier, füllt mit dem
Kopfe die obere linke Ecke, umwunden von
dem im weiteren Verlaufe sich um den Rund-
stab schlingenden Schriftband. Der Evangelist
ist wieder bekleidet mit einem dem Körper
sich anlegenden, gefältelten und in der Mitte
gegürteten Untergewand; darüber ein loses von
den Schultern herunterhängendes Manteltuch,
 
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