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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Effmann, Wilhelm: Der Taufstein von St. Nikolaus zu Freiburg in der Schweiz und seine Bildwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0057

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1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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das, schwere Falten bildend, von den Armen
hochgehoben wird. Das bartlose, von Locken
umwallte Gesicht des Heiligen zeigt milde,
nachdenkliche Züge; wie beim Markus ist auch
hier das Haupt mit einem Barett bedeckt.

Wie der hl. Johannes (Fig. VII, Fig. 1
und 2) die Reihe der Evangelisten abschliefst,
so bringt er auch in der Thätigkeit der Evan-
gelisten einen Abschlufs zur Darstellung.
Sehen wir von dem hl. Markus ab, der wegen
seines Evangelienbeginns aus der gewöhnlichen
Reihe herausgerückt und zur Taufhandlung in
unmittelbare Beziehung gesetzt ist, so zeigt sich
in der Darstellung der drei übrigen Evangelisten
eine voranschreitende Thätigkeit. Wir sahen
den hl. Matthäus, wie er daran ist, die
Feder zu schneiden, mit der er seinen Bericht
niederschreiben will; der hl. Lukas taucht schon
die Feder in das Tintenfafs, der hl. Johannes
aber ist in voller Inspiration im Schreiben be-
griffen. Aehnlich wie der hl. Matthäus ist er
mit kleiner Wendung nach rechts in voller
Ansicht dargestellt. Wie jener ist auch er auf
die rechte Bildseite gerückt, so dafs für das
flach daliegende Buch fast die ganze linke Seite
freigeblieben ist. Mit der Linken umfafst der
Evangelist das Tintenfafs, dessen Tragschnur
der symbolische Adler im Schnabel hält. In
dem ohne Kopfbedeckung gelassenen, wie bei
den anderen Evangelisten so auch hier bart-
losen, von wallenden Locken umgebenen Ge-
sichte mit seinen weichen vollen Formen hat
der Künstler jedenfalls die jugendliche Er-
scheinung des Lieblingsjüngers des Herrn
wiedergeben wollen. Die Kleidung stimmt
im Wesentlichen mit der des Lukas überein;
auch hier läfst der lose umgeworfene Mantel
das am Halse zugeknöpfte Untergewand sicht-
bar. Das Schriftband hat hier nur kleine Lücken
auszufüllen.

Die letzte der Darstellungen endlich zeigt
den Kirchenpatron, den hl. Nikolaus (Fig.VIII
und Fig. 1). Er ist in voller und reicher Bischofs-
tracht dargestellt, ausgestattet mit seinem Attri-
bute, den drei auf dem Buche liegenden Broten.
Die rechte Hand drückt den Bischofsstab an
die Brust und ist dabei zugleich segnend über
den Broten, auf denen die linke Hand ruht,
ausgebreitet. Gerade bei dieser Figur fällt
die Beschränktheit des Bildfeldes besonders auf.
Bischofsstab und Mitra liefsen, wenn anders
noch ein Theil der Figur zur Geltung kommen

sollte, eine aufrechte Stellung nicht zu und so
mufste denn zu der allerdings gewaltsam, aber
doch lebendig wirkenden Lösung geschritten
werden, die auch hier in Vollansicht gegebene
Figur in schräger Stellung anzuordnen. Die
Ecken konnten aber nur mit Zuhilfenahme des
Schriftbandes ganz ausgefüllt werden.

Während die lang herabwallenden Locken
der Evangelisten auf die noch zu Ende des
XV.Jahrh. herrschende Mode hinweisen, kündigt
sich im Barett, diesem Bestandtheil der seit
dem Anfang des XVI. Jahrh. herrschenden Ge-
lehrtentracht, schon die neue Zeit an, ohne
dafs dieselbe aber sonst in der Tracht zur
weiteren Geltung gekommen wäre. Im Gegen-
theil erscheint in der Schaube (houppelande),
womit der Evangelist Markus bekleidet ist, ein
Gewandungsstück, das noch einer um mehr
als ein halbes Jahrhundert zurückliegenden
Zeit angehört.5)

Von der sorgfältigen Natuibeobachtung
des Künstlers zeugt die Behandlung der
Hände und der Fingerstellung, ganz beson-
ders aber auch die stellenweise, so z. B.
bei Johannes d. T., bei Christus und Markus
sich kundgebende minutiöse, fast manierirte
Wiedergabe des Geäders.

Die in den Figuren I—VIII zur Abbildung
gebrachten Bildwerke sind hier, wie aus der
Beschreibung schon hervorgeht, in der Reihen-
folge geordnet, wie sie dem von links nach
rechts schreitenden Beschauer begegnen ; in der
paarweisen Anordnung ist aber zugleich die
Vertheilung wiedergegeben, wie sie an dem Tauf-
steine durch die vier Pfosten abgegrenzt
ist. Je zwei Bilder umfassen also immer zwei
von einem zum andern Pfosten reichende
Achteckseiten. Diese Nebeneinanderstellung
läfst erkennen, dafs die in einem solchen
Doppelfelde zusammengefafsten Figuren in ihrer
Stellung auch zu einander in Beziehung gesetzt
sind, indem sie sich einander zuwenden. Es
mag dabei auch darauf hingewiesen sein, dafs,
während auf die rechte Seite alle gerade ge-
stellten Figuren entfallen, die Figuren der
linken Seite in Neigung dargestellt sind. Wie
sich aus dem Vergleiche der Bildwerke ergibt,
ist für die Darstellung des Heilandes einMafsstab
gewählt worden, der den der anderen Figuren,
wenn auch nicht sehr erheblich, so doch deutlich

s) Vergl. Falke »KostUmgeschichte der Kultur-
völker« (Stuttgart o. J.) S. 219 ff.
 
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