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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Braun, Joseph: Zur Entwicklung des liturgischen Farbenkanons, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0083

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119

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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seits zuletzt jeder Farbe eine verschiedene
mystische Bedeutung unterlegt werden kann,
mufste sich hier erst recht eine üppige Man-
nigfaltigkeit entwickeln.

Das bunte Farbenspiel in den Farben-
ordnungen der französischen Missalien des
ausgehenden XVII. wie des ganzen XVIII. Jahrh.
hatte theils seinen Grund im Festhalten an
mittelalterlichem Brauch, theils war es die Folge
der gallikanischen Reformbestrebungen am
Ausgang des XVII. und im Beginn des
XVIII. Jahrh., als manche Bischöfe die gegen
Ende des XVI. Jahrh. in sehr vielen Diöcesen
eingeführte römische Liturgie wieder abschafften
und auf den frühem Ritus zurückgriffen. Natür-
lich gab man mit dem römischen Missale auch
den römischen Farbenkanon preis.

Um einen Einblick in die Mannigfaltigkeit
der liturgischen Farbenordnungen zu erhalten,
empfiehlt es sich, einen Rundgang durch das
/ Kirchenjahr zu machen und dabei die verschie-
dene Praxis in Bezug auf die Farbe der Para-
mente Revue passiren zulassen.31) Er gewährt ein
anschauliches Bild des bunten Wechsels, der
ehedem in Bezug auf die Farbe der liturgischen
Kleidung bestand. Zugleich gibt er einen
Einblick in die liturgische Freiheit des Mittel-
alters mit ihren Licht- und Schattenseiten,
ihren anmuthenden, erhebenden Bräuchen und
ihren Sonderbarkeiten und Willkürlichkeiten.
Wir beginnen mit dem Advent.

Der Advent ist das Nachbild der Jahr-
tausende, in denen die Menschheit der Ankunft
dessen harrte, der sie aus Sündennoth und Ver-
derben retten sollte. Zugleich ist er die Vor-
bereitung wie auf den Jahrestag der leiblichen
Geburt des Gottessohnes so auch auf des letztern
geistige Einkehr in die Seele. In beider Be-
ziehung ist der Advent eine Zeit der Trauer
und Bufse, weshalb denn auch meist beim
Adventsgottesdienst Violett oder Schwarz
gebraucht wurde. Doch kamen auch weifse
Gewänder nicht so gar selten zur Verwen-
dung. So findet sich Weifs für den Advent
verzeichnet in dem schon erwähnten Farben-
kanon der Westminster-Abtei, in einem Pariser
Missale von 1066, einem Missale von Sigüenza

sl) Eine fleifsige Sammlung von Farbenoidnungen
bei Wickham Legg »History of the ecclesiastical
colours« ; französische bei Malais »Des couleurs litur-
giques« (Dieppe 1879).

in Spanien (1552) und von Auxerre (1738)
u. a. Anderswo bediente man sich rother Para-
mente, so in Salisbury in England (XV. Jahrh.)
und Mainz (Missale von 1602). In den Statuten
von Wells in England (XIV. Jahrh.) ist für den
Advent dunkelblau vorgeschrieben. Ein Fran-
ziskanermissale des XV. Jahrh. (Vatic. Capp. 206)
vermerkt für die Adventszeit zwar Violett, für
den Sonntag Gaudete aber Weifs. Von rosa-
farbenen Paramenten, wie sie das römische Cere-
moniale (1. II, c. 13) für das Hochamt am dritten
Adventssonntag vorsieht, findet sich in den mittel-
alterlichen römischen Ordines noch keine Spur.

An der Weihnachtsvigil war in Rom zu
Innocenz' III. Zeit, wie es scheint, Schwarz,
seit wenigstens der zweiten Hälfte des XIII.
Jahrh. aber Violett gebräuchlich. Der Farben-
kanon von Westminster, Durandus (Rationale
und Pontificale), das erwähnte Franziskaner-
missale und das Missale eines Augustiner-
klosters zu Neapel aus dem Jahre 1506 (Vat.
Ottob. 221) vermerken jedoch für dieselbe
Weifs, in signum pudoris partus futuri, wie
das Franziskanermissale erklärend beifügt. Gelb
war in Eichstädt (ca. 1600), Schwarz in Ell-
wangen und meistens überall da im Gebrauch, wo
im Advent schwarze Paramente getragen wurden.

Dem Weihnachtsfest und der Weihnachts-
zeit eignete fast allenthalben Weifs. In Ell-
wangen war es, wie wir bereits hörten, merk-
würdigerweise Sitte, sich bei der ersten Messe
am Feste weifser, bei der zweiten rother, bei
der dritten wie auch in der Oktav violetter
Gewänder zu bedienen. In Lyon (M [= Missale]
1771) war für die Messe in gallu cantu Violett,
für die zweite Weifs, für die dritte Roth vor-
geschrieben. In Mainz (1602) wurde die erste
Messe in rothen, die zweite in weifsen Ge-
wändern celebrirt. Für die dritte und die
Oktav fehlt eine Angabe. Eine dem Mainzer
Brauch ähnliche Sitte wird bei Martene »De an-
tiquis ecclesiae ritibus« auch für Corbie und
St. Germain-des-Pres zu Paris erwähnt.32) Die
Statuten von Wells bestimmen: In die natalis
Domini omnia alba praeter in secunda missa.
Leider geben sie nicht an, welcher Farbe man
sich bei der Messe in aurora bediente.

(Fortsetzung folgt.)
J osef Braun. S. J.

32) Martene »De antiquis monachorum ritibus»
1. 2, c. 4, n. 9 u. 18; (ed. Antuerp. 1764) p. 95.
 
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