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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Steffens, Arnold: Die alten Wandgemälde auf der Innenseite der Chorbrüstungen des Kölner Domes, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0097

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141

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

142

Die sehr verstümmelte Legende ist auf den
Glasfenstern der Sakramentskapelle unbegreif-
licher Weise folgendermafsen wiedergegeben:
Hie Gabriel dal ave flos et sine labe maria
Area et conclave ex quo patris alta Sophia.
Ich lese dieselbe wie folgt:
Vlx gabriel das ave in aurem virginis pie
Xpi corpus suave formatur in sinu marie.
So wie Gabriels Grufs der Jungfrau Ohr hat vernommen,
Hat auch in ihrem Schoofse des Vaters Wort Fleisch
angenommen.
Xpi ist die lateinische Skription für das
griechische XPI = Christi.

4. Die Geburt des Heilandes.
Die h. Jungfrau, vom Heiligenschein um-
geben und mit der Ueberschrift maria, sitzt
auf einem Sessel mit hohem Rücken. Ihr
Mantel ist im reichsten Faltenwurf so drapirt,
dafs er den Schoofs der Jungfrau und die Seite
des Sessels ganz bedeckt. Das unbekleidete
göttliche Kind, mit dem Kreuznimbus umstrahlt
und überschrieben ihs [IH2 = Jesus), sitzt auf
dem Schoofse seiner Mutter, welche es mit der
Linken umfafst und mit der rechten Hand
sein ausgestrecktes rechtes Aermchen hält.
Vor ihr kniet Joseph, mit der Hand auf das
Kind deutend. Im Hintergrunde sehen wir
eine Krippe, überragt von den Köpfen eines
Ochsen und eines Esels. In der Höhe, von
Wolken umgeben, schweben vier singende Engel
in weifsen Kleidern. Die Legende ist fast ganz
zerstört. AlsKuriosum sei die in den mehrfach
erwähnten Glasfenstern versuchte Ergänzung
mitgetheilt, in welcher das Jesuskind als „wohl-
klingend" gefeiert wird, und pax als Ac-
cusativ auftritt:

Pax terrae rorat promissus evangeliorum
Quem David norat celebravit laude sonorum.
Meine Lösung lautet wie folgt:
Pax terre cantat concentus angelicorum.
Quam decantaverat david Carmen laude sonorum.
„Friede auf Erden", so sangen vom Himmel die Engel

heinieder,
Wie vorher ihn besungen Davids begeisterte Lieder.

David ist als Genitiv zu Carmen aufzufassen.
Dieser Eigenname gilt in der Vulgata als un-
deklinirbar. Es heifst z. B. Ps. 131, 1 Memento
Domine David et omnis mansuetudinis eins.

5. Jesu Darstellung im Tempel.
Von Joseph, der ein Henkelkörbchen in
der Rechten trägt, gefolgt tritt Maria, das
nackte Jesukind auf den Armen tragend, vor

Simeon, der mit seinen von einem gelben,
roth und blau gesäumten Velum bedeckten
Händen dasselbe ehrerbietig und freudig in
Empfang zu nehmen bereit steht. Das Velum
ist von der Art, wie es in früherer Zeit den
Priestern über die Vorderarme geworfen wurde,
wenn sie das heiligste Sakrament tragen mufsten.
In einzelnen Kirchen Belgiens, die früher zur
Kölner Kirchenprovinz gehörten, war diese
Art des Velums statt des jetzt üblichen
Schultervelums, noch bis in die neueste Zeit
in Gebrauch. — Neben Simeon steht ein mit
einem Tuche gedeckter Altartisch. Die Namen
ihs, maria, ioseph, symeon stehen über den
Figuren. Maria's Haupt ist vom einfachen
Heiligenschein, das Haupt des Jesukindes vom
Kreuznimbus umgeben. Ein hernieder schwe-
bender Engel schickt sich an, dem Kinde eine
Krone auf's Haupt zu setzen. Die Legende
lautet wie folgt:

Hie facit in templo puerum mater symeoni
Logis in exemplo legis non indiga poni.

Darzustellen das Kind dem Simeon eilet die Reine,
Dafs dem Gesetze des Herrn nicht unfolgsam sie er-
scheine.

6. Maria Heimgang.

Die Gottesmutter, liegend auf einem Ruhe-
bette, ist soeben entschlafen. Jesus, am Kreuz-
nimbus erkennbar, hat ihre Seele in Gestalt
eines weifsgekleideten und mit einem Nimbus
umgebenen kleinen Mädchens, welches die
Hände faltet, auf seine Linke genommen,
während er die segnende Rechte emporhebt.
Zehn Apostel — Thomas fehlte — umstehen
den Heiland an Maria's Sterbelager. Petrus
im Vordergrunde neben dem Heilande, der
bartlose Johannes zu Häupten der Gottesmutter.
Die Apostel haben nur insoweit einen Nimbus,
als dadurch die Gesichter der hinter ihnen
Stehenden nicht verdeckt werden. Maria's
Haupt, von weifser Kopf hülle und dem Heiligen-
scheine umgeben, ruht auf einem rothen Kissen,
die Hände sind ihr in den Schoofs gesunken.
Vorne, neben ihrem Sterbebette, steht ein
eigenthümlicher halbkreisförmiger, in gothischem
Stile gehaltener Sitz mit niedriger ringsum-
laufender Lehne, wie ein ähnlicher aus etwas
späterer Zeit in der Stiftskirche zu Kaikar
erhalten ist.6)

6) Abgebildet in »Die Kunstdenkmale des Kreises
Kleve« von Paul Clemen, S. 77.
 
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