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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Schnütgen, Alexander: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0121

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183

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 6.

184

7. Französisches Elfenbeindiptychon
des XIV. Jahrh. im Bischöflichen Mu-
seum zu Münster.

Diese beiden Hochreliefs, (Kat. 562—563)
17 cm hoch, 11 cm breit, llJ2 cm dick, geben sich
sofort als Erzeugnisse der französischen Elfen-
beinplastik zu erkennen, die von der Mitte des
XIII. bis zum Beginn des XV. Jahrh. ungemein
produktiv gewesen ist, so dafs sie mit ihren
Gebilden die übrigen Kulturländer reichlichst
versorgen konnte. Um so auffallender ist es,
dafs der eigentliche Sitz dieser zahlreichen und
grofsen Werkstätten bisher nicht mit Sicherheit
festgestellt wurde, von denen manche wohl (auf
Grund von Inventariennotizen) in Paris werden
angenommen werden dürfen.

In der Anbetung der drei Könige,
bei der die Figuren vorzüglich gruppirt sind,
erscheint das nur mäfsig bekleidete Kind un-
gewöhnlich lebhaft aufgefafst, mit der Linken
energisch auf die Mutter sich stützend, mit der
Rechten stürmisch nach der ihm von dem
knieenden Könige dargebrachten Goldscheibe
greifend. Ebenso lebendig ist die Bewegung
des stehend auf den aus den Wolken hervor-
leuchtenden Stern zeigenden Königs, der, wie
der Dritte, ein rundliches Gefäfs in der Hand
hält.

Die Kreuzigung zeigt Christus gestorben,
mit der gewundenen Dornenkrone, den mafs-
voll angedeuteten Rippen und dem malerisch
herabfallenden Lendentuch, ohne Male in Hän-
den undFüfsen, Maria in krampfhaftem Schmerz
von einer der Frauen gehalten, Johannes voll
Kummer, Longinus mit bedeutungsvoller Miene.
Die Figuren treten stark, einige fast voll-
rund hervor, mit tiefem Faltenschnitt in kräftig-
ster Technik. Die Köpfe sind etwas derb,
aber edel und charakteristisch. Von der Fär-
bung, (die ursprünglich auch die Futterumschläge
markirt haben dürfte), haben sich, wahr-
scheinlich in Folge zu starker Reinigung, nur
schwache (blaue) Reste in den Giebeldreiecken
der reichen, echt französischen Bekrönung er-
halten. _ Die Faltengebung, die Form der
Kronen, namentlich auch die Haarwulste weisen
auf d.e I. Hälfte des XIV. Jahrh. hin, und die
breite Behandlung wie der volle Schnitt be-
kunden den Urheber als einen zwar gewerbs-
mäfsig, aber mit künstlerischer Empfindung
individuell schaffenden Meister.

8. Hochgothisches Reliquienkästchen
von Holz mit gestanztem und emaillir-
tem Silberschmuck in St. Ursula zu
Köln.
Dieser Behälter (Ausstellungskatalog Nr.514),
241/2 cm lang und hoch, 19 cm tief, ist aus
Buchenholz gefertigt, und das abgestutzte Pyra-
midendach bekrönt eine montirte silberver-
goldete Handhabe, unter der eine Bergkrystall-
scheibe, wie deren auf den Schrägen noch 4
Tafeln den Walmdeckel verzieren, 4 an den
Seiten eingelassen sind, um den vollen Ein-
blick in das Innere zu ermöglichen. Nicht
gerade häufig begegnet dieser Schauapparat
im Mittelalter, trotzdem es die Ostensorien,
namentlich die Cylinderreliquiare liebte. Noch
viel seltener aber ist die Art der Ausstattung,
die in ganz dünnen Auflagen von Silber-
ornamenten und in 4 durchsichtig email-
lirten Thiergestalten besteht. — Mit Aus-
nahme der 4 Ecken, welche durch Agatstäbe
Verstärkung und Schmuck erhalten haben, ist
das ganze Kästchen in seinen sämmtlichen
Holztheilen, fast ausschliefslich Profile und
Schrägen, innerlich wie äufserlich mit geome-
trisch gemusterten oder rankenförmig verzierten
vergoldeten Silberplättchen bedeckt, und die
Ornamente sind dadurch gewonnen, dafs überall
eine aus Kreide und Leim gebildete dünne
Schicht aufgetragen und im feuchten Zustande
mit vergoldeten Silberlammellen belegt, sodann
mit Buchbinderrollen bestempelt wurde, so dafs
die Musterung scharf hervortrat, sei es, dafs sie
die Hohlen gliedert oder die Flächen belebt,
unter Verwendung von 10 verschiedenen Stem-
peln. Wie korrekt und ansehnlich diese ar-
beiteten, beweist namentlich ein Blick in das
Innere, in welchem die dünnen Folien noch
die ursprüngliche Schärfe zeigen, auf dem
Boden das Krystallscheibchen umgebend, unter
dem das gemalte frühgothische Miniaturbildchen
eines bunten Basilisken auf Blattgoldgrund.
— Auf den beiden Langseiten des Kästchens
flankirt je ein phantastisches Thiergebilde, das
stehend oder kriechend gedacht, hier aber auf-
gerichtet ist, die Krystallscheibe, und der Um-
stand, dafs es in Silber gestanzt und mit durch-
sichtigem Schmelz überzogen wurde, gibt ihm
eine besondere Bedeutung, da der Relief-
schmelz auf solcher Grundlage meines Wissens
sonst nirgendwo nachgewiesen ist. Wie ich
bereits 1886 in »Kunst und Geweibe« Bd. III,
 
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