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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Steffens, Arnold: Die alten Wandgemälde auf der Innenseite der Chorbrüstungen des Kölner Domes, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0152

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233

1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 8.

234

6. Silvester wird Papst.

Silvester war wegen seiner einnehmenden
körperlichen Erscheinung sowohl wie wegen
seiner trefflichen Eigenschaften des Geistes und
Herzens bei Christen und Heiden beliebt. Als
nun der römische Bischof Melchiades starb,
wurde Silvester trotz seines Sträubens zum
Papste erwählt. So die Silvesterlegende:

Im Vordergrunde sehen wir die Leiche des
Papstes Melchiades — melchisedech steht wieder
bei ihm geschrieben — im Bischofsornat, ohne
Stab jedoch, auf einem niedrigen Paradebette
liegen mit über Kreuz gelegten Händen. Zu
Häupten und Füfsen der Leiche kauern zwei
in Mäntel gehüllte Gestalten, in der Rechten
einen Rosenkranz haltend. Sie sollen Todten-
wache halten, sind aber offenbar eingeschlafen.
Es sind wohl zwei der zwölf Schreibrüder
(fratres lugentes), von Sanct Lupus dargestellt,
denen es oblag, beim Ableben des Kölner Erz-
bischofs die Todtenwache zu halten, wefshalb
sie auch am Grabmal des Erzbischofs Engel-
bert von der Mark, gegenüber dem Sakristei-
Eingang des Kölner Domes, als Standfiguren
erscheinen. Als Wehklagende (lugentes) sind
sie in schwarz-graue Gewänder gehüllt.

Hinter dem Paradebette des Melchiades ist
Silvester dargestellt, sitzend, im Bischofsornat,
umgeben von drei andern Bischöfen, die ihm
anscheinend die Bischofsweihe ertheilen. Sil-
vester trägt eine Kasel, die andern hingegen
haben Chormäntel. Zwei der andern tragen
gewöhnliche Bischofsstäbe, einer aber gibt dem
Silvester ein Kreuz auf langem Schafte, ein
pedum rectum, in die Rechte. Die Linke hat
Silvester auf die Brust gelegt. Die den Sil-
vester umgebenden Bischöfe haben die drei
ersten Finger der rechten Hand erhoben, schauen
auf Silvester hin und scheinen etwas zu sagen.
— Sie segnen ihn. Ueber dem Papst steht
der voll ausgeschriebene Name silvester. Oster-
wald hat irrthümlich vier Bischöfe in der Um-
gebung Silvesters gezeichnet. Bei näherem
Zusehen ergibt sich jedoch, dafs dasjenige, was
Osterwald für Konturen eines vierten Gesichtes
gehalten, nur Flecken des Hintergrundes sind.

Die sehr verstümmelte Legende habe ich
in folgender Weise zu ergänzen versucht:
Melchisedech mortuo dant sacri ecclesiarum
Silvestrum iam suo successorem deo carum.
Als Melchisedech kam nach heiligem Leben zum Sterben,
Wurde Silvester geweiht zu seines Hirtenslabs Erben.

7. Konstantin's Ritt zum Blutbade.

Als Konstantin begann die Christen zu ver-
folgen, verliefs Silvester die Stadt und nahm
mit seinen Klerikern seinen Aufenthalt an einem
Berge. Konstantin aber wurde vom Aussatz
befallen, und sollte nach dem Rathe der Götzen-
priester von diesem Uebel Heilung finden in
einem vom Blute junger Knäblein hergerichteten
Bade. Als aber Konstantin sich zu diesem
Blutbade hinbegab, kamen ihm die Mütter dieser
Knäblein entgegen mit aufgelösten Haaren und
erfüllten die Luft mit ihrem Jammern und Weh-
klagen. Zu Thränen gerührt machte Kon-
stantin halt und sprach zu seinen Begleitern
und zu allem umstehenden Volke: „Höret mich!
Die Milde ist die Quelle des Ansehens des
römischen Reiches. Nach römischem Recht
mufs sterben der Soldat, der im Kriege ein
Kind tödtet. Besser ist es, das Leben der Un-
schuldigen zu schonen und zu sterben, als
durch Vergiefsung ihres Blutes sich das Leben
mit Grausamkeit zu wahren." Und er liefs
alsbald den Müttern ihre Kinder zurückgeben
und entliefs sie mit reichlichen Geschenken
nach Hause.

Das ist in Kürze der Inhalt der Legende.

Auf einfach gezäumtem Pferde erschauen
wir im Bilde den Kaiser mit einem Diadem,
wie wir es bei Nero gesehen. Ueber ihm steht
der Name constantinus. Mit der Rechten fafst
er die Zügel, die Linke hält er in die Seite
gestemmt. Er trägt ein langes Schwert an der
Linken und hat ein berittenes Gefolge, unter
welchem sich Männer mit spitzer Kopfbedekung,
wohl Götzenpriester, befinden. Vor dem Kaiser
steht eine sich in die schmale Nebennische
fortsetzende Gruppe von elf betrübt aussehen-
den Frauen, die nackte Knäblein in den Armen
halten. Neben den Frauen, im Vordergrunde
des schmalen Seitenfeldes steht eine Tonne
zum Auffangen des Blutes. Konstantin wendet
sich ergriffen ab vom Anblicke der wehklagen-
den Mütter und ihrer nackten Kinder und
scheint zu seinem Gefolge zu reden. Die fast
ganz zerstörte Legende mag lauten wie folgt:
Requirens pueroa pergit ad matres desolatas
Cum pueris herOS matres dimittit donatas.
Suchend das Blut junger Knaben den Ritt zu den

Müttern er lenket,
Edel entläfst er die Knaben und auch ihre Mutter
beschenket.
Köln. Arnold Steffens.
 
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