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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Endres, Joseph Anton: Romanische Deckenmalereien und ihre Tituli zu St. Emmeram in Regensburg, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0154

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!902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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verschwindenden Ausnahmen haben alle älteren
Exegeten diese beiden Visionen auf die grofsen
Weltmonarchien des chaldäisch-babylonischen,
medo-persischen, griechisch-macedonischen und
römischen Reichs gedeutet".10) Die christliche
Kunst bevorzugte für ihre Zwecke besonders
die erstgenannte der beiden Visionen. Auch
im Malerbuche vom Berge Athos findet sich
das Schema für die Darstellung derselben an-
gegeben, welchem das Mittelalter folgte.11) Auf
unserem Cyklus von St. Emmeram entspricht
die Darstellung in ihrer Anordnung ganz dem
Schema, welches wir in der Buchmalerei des
Klosters antreffen und für welches bereits das
kurzweg als Codex aureus bezeichnete Evan-
gelienbuch vom Jahre 870, das durch Kaiser
Arnulph nach St. Emmeram gekommen war,
den Ton angegeben hatte: ein gröfserer Kreis
(major rota) mit dem idealen Centrum in der
Mitte, vier kleinere Kreise mit den Neben-
darstellungen um den mittleren gruppirt. Ganz
die gleiche Anordnung kehrt im Chor der
Kirche wieder, nur mit dem Unterschiede, dafs
dort ein gröfserer mittlerer Kreis (magna rota,
spera) einen kleineren (interior spera) um-
schliefst.

Der allgemeine Gedanke, dem die Decken-
darstellung über dem westlichen Querschiff das
Wort redet, ist ein historisch-politischer: Die
Weltgeschichte entwickelt sich in einer Abfolge
grofser weltbeherrschender Reiche, und der
Ewige (plenus dierum) ist es, der Allbeherr-
schende, welcher den einzelnen Reichen ihre
Zeit, Anfang und Ende, bestimmt.

Auf die Beschreibung der Darstellungen in
der Höhe des westlichen Querschiffs läfst der
Wilheringer Kodex unmittelbar die kurze Schilde-
rung mit den zugehörigen Tituli einer anderen
Bilderreihe folgen. Der Text lautet:

Carmina vicena heroica decem sperarum
inter chorum s. Dionisij et corpus ecclesie semper
bina unam speram coticernencia :

(i) Parturicio bte. virginis qua peperit
Christum :

i0) Hipler »Die christliche Geschichtsauffassung«
Cöln, 1884, 5. Vgl. über den gleichen Gegenstand
auch O. Lorenz »Die Geschichtswissenschaft in
ihren Hauptrichtungen und Aufgaben« (Berlin 1886),
2-28 ff.

u) Vgl. G. Jacob Die vier reitenden Könige in
der Fagade des Regensburger Domes, »Zeitschr. f.
christl. Kunst« (1900), 120.

Semicincia germine fiorida fructificauil
Virgo puerpera dum noua gaudia

progeneravit
(2) Porrigit virgo gloriosa puerum deo
omnipolenti Mulier amicta sole et luna sub
pedibus eius

Virginis vt nalum rapiat draco pandit

hiaium
Excipil ad matrcm fuga patris regia prolem
fjj Tres venerunt ad abraham gm ivimo-
lavil hedum

Porta patet que clausa manet loca principe

gaudent
Spesque fides amor immense sunt munia mense

(4.) Torcular Christi
Solus et- illesus calcans torcular Hiesus
Pellicatii more renouat saluatque cruore

(5) Christus summus ponlifex inirat sancta
sanctorum

Sponte minor matre non sponte minor modo

patre
Interius veli subit ordine pontificali

(6) Crucifixus

Et deus est et homo pendens que signatytnago
Esse deos diuina reos hec prestat imago
(j) Baptismus Christi in Jordane
Cerne deus natus vt homo fit fönte renalus
Quem pater in nube testatur Spiritus atque
(8) Educcio filiorum Israel per moysen ab
egipto

Sanguis et vtida beat facinus quos inqui-

nat ore
Flumine purgauit quos agnus sanguine lauit

(p) Piscacio Saluatoris de leuialhan
Piscaiore deo leuiathan captus ab hämo
Reddit aduncatus raplum rapto spoliatus
(10) Suppeditacio mortis Caiphe et Pilatj
sub pedibus Christi elernipontificis et sacerdotis
Mors hosles trili calcantur sub pede Christi
Sordidat hunc vestis togat infula pontificalis.
Wir haben es hier also mit zehn Dar-
stellungen in zehn verschiedenen Kreisen zu
thun, welche von je zwei Verszeilen begleitet
waren. Die örtliche Bestimmung „inter chorum
s. Dionysii et corpus ecclesie" findet ihre
prägnanteste Erklärung in der Annahme, dafs
die Bilder die Laibung des weitgespannten
Bogens zierten, welcher das westliche Quer-
schiff von dem Mittelschiffe trennt. Damit
stimmt auch die Angabe der Münchner Hand-
schrift überein, welche die Bilder als „in
ecclesia inferius per transversum ab aquilone


 
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