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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Schnütgen, Alexander: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0158

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245

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

246

Schofse, in voller Vorderansicht auf einem
Frauensattel, der wohl einen Thron abgeben
könnte. St. Joseph trägt Gepäck oder Mund-
vorräthe an einer Stange über der Schulter.

Das zweite Kreuz hat mit seinen 4 Dar-
stellungen den Erklärern viele Sorge bereitet,
erscheint aber bei näherer Prüfung und mit
einiger Ergänzung der im Laufe der Zeit zer-
störten Einzelheiten als eine etwas umständliche
Erzählung des Bethlehemitischen Kindermordes:
1. Herodes fragt die Schriftgelehrten, 2. Herodes
spricht das Todesurtheil, indem er als Richter
den Stab bricht, 3. er übergibt den Schergen
eine Lanze, die in seinem Namen als Mord-
waffe geschwungen werden soll und 4. erscheint
das Blutbad in Bethlehem selbst, wo der alte
Meister es sich nicht versagen konnte, die
klagende Mutter in den Mittelpunkt zu setzen.
Sollte diese eingehende Darstellung der hl. Drei-
könige und des Bethlehemitischen Mordes viel-
leicht zu einer genaueren Datirung der Thüren
führen? 1164 brachte Reinold von Dassel die
Reliquien nach Köln, und es liegt doch sehr
nahe, dafs damals in Predigt und Volksunterricht
die betreffenden Ereignisse eingehend behandelt
und durchgesprochen wurden.

Es folgt in dritter Quertafel die Darstellung
Jesu im Tempel und die Taufe im Jordan.
Wirkungsvoll ist die Darstellung Jesu gruppirt.
Im Hintergrund steht der hl. Joseph mit den
Tauben; über einem Altärchen reicht die schon
durch ihre Gröfse hervorragende Mutter Gottes
Simeon das Jesukind, das mit der Rechten den
frommen Greis segnet und die Linke auf ein
Buch stützt, wie wir es schon bei der Anbetung
der Weisen gesehen haben. Senex puerum
portabat, puer autem senem regebat, heifst es
in einer Antiphon von Lichtmefs. Bei der Taufe
hält ein Engel das Gewand des entkleideten
Heilandes, ein Motiv, dafs sich in allen Jahr-
hunderten wiederholt. Der Drache zu Füfsen
des Herrn ist die Andeutung der bald folgenden
Versuchung Jesu in der Wüste.

Die zweite Bilderreihe beginnt mit dem Ein-
züge Jesu in Jerusalem, worauf die Heilung des
Blindgeborenen in Bethsaida und die Aufer-
weckung des Lazarus folgt. Die Unteibrechung
der Geschichtserzählung ist dadurch gerecht-
fertigt, dafs die feierliche Gruppe des Festzuges
eine breitere Fläche beanspruchte. Der ruhige
Zug der Apostel und die bewegte Huldigung
der aus der Stadt herausströmenden Menge

heben den segnenden Heiland mit dem Buche
wirkungsvoll auf dem gut gezeichneten Esel
hervor. Die Bäume sind ihres Laubes beraubt
und strecken ihre verstümmelten Aeste zum
Himmel. Die beiden folgenden Bilder bieten
einen Auszug aus den Wundern Jesu. Die
Baumkrone über dem dankbar aufschauenden
geheilten Blinden erinnert an das Wort des im
Sehen noch Ungeübten: „Ich sehe Menschen
wie Bäume einherwandeln!" Die Auferweckung
des Lazarus, der in den Grabtüchern einge-
wickelt über der vor dem Heilande nieder-
gesunkenen Schwester Maria sich erhebt, hat
ihr Vorbild schon in den Katakomben. Das
folgende Bild: Jesus am Oelberge fällt wieder
aus der Reihe, weil der Bildhauer für das
Abendmahl des gröfsern Raumes bedarf. Auf-
fallend ist es, dafs hier vier schlafende Jünger
dargestellt sind. Das folgende Bild: Jesus mit
dem Buche redet feierlich zwei Jünger an, ist
eine Einleitung zum letzten Abendmahle. Petrus
und Johannes (Lukas 22,8) werden ausgesandt,
den Saal zu bereiten. Sehr schön ist das letzte
Abendmahl; man dürfte es ein sehr frühes
Vorbild desjenigen von Leonardo da Vinci
nennen. Hinter der breiten mit feierlich gefal-
tetem Tischtuch bedeckten Tafel sitzt zwischen
den Aposteln der Heiland und erhebt segnend
die Hand über dem Brode. Johannes lehnt das
Haupt an seine rechte Schulter. Die Decke
des Saales deutet eine lange Stange an, um
welche sich zierlich eine Drappirung schlingt.
Die Figur, welche rechts neben dem Tische
sitzt und einen Bissen zum Munde führt, dürfte
der Verräther sein.

Nun folgen im letzten Kreuze die Himmel-
fahrt in zwei Tafeln übereinander, die Kreu-
zigung und tue Frauen am Grabe. Warum hier
die Umstellung geschehen, mag ein Räthsel
bleiben. Unter dem Kreuze steht der Kriegs-
knecht mit Hysopstengel und Essiggefäfs und
Longinus mit der Lanze. Der Heiland streckt die
Arme wagerecht aus, trägt ein bis an die Kniee
reichendes Lendentuch und zieht die Kniee
etwas aufwärts. Die F'üfse sind neben einander
aufgenagelt. Die Frauen bringen Weihrauchfafs
und Salbenbüchsen; der Engel sitzt auf dem
Steine unter einer von Säulen gestützten Kuppel.
Das ist eine Erinnerung an die Grabkirche in
Jerusalem, die sich in Elfenbeintafeln und
Miniaturen häufig findet. Die beiden Köpfe in
den oberen Ecken stellen die schlafenden
 
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