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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Steffens, Arnold: Die alten Wandgemälde auf der Innenseite der Chorbrüstungen des Kölner Domes, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0170

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263

1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

204

wildeste Stier herbeigeführt werden. Sobald
ich jenen Namen in sein Ohr flüstere, wird er
todt zusammensinken, und so werdet ihr den
Beweis haben, dafs ich die Wahrheit rede.

Silvester erwiderte: Wie weifst Du denn
jenen Namen, wenn kein Geschöpf ihn zu hören
vermag? Zambri antwortete: Dir steht es nicht
zu, dieses Geheimnifs zu erfahren, da Du ein
Feind der Juden bist. Nunmehr wurde der
Stier herbeigebracht, den hundert der stärksten
Männer nur mit Mühe herbeiziehen konnten.
Sobald aber Zambri jenes Wort in sein Ohr
geflüstert hatte, fiel er brüllend zu Boden; die
Augen traten ihm vor den Kopf, und er war
todt. Da klatschten alle Beifall, und die Juden
verhöhntenden Silvester. Dieser aber sprach:
Nicht hat Zambri den Namen Gottes ausge-
sprochen, sondern den Namen des schlimmsten
Teufels. Unser Herr Jesus Christus tödtet nicht nur
nicht die Lebendigen, sondern er macht dieTodten
lebendig. Auch Löwen und Schlangen und
andere wilden Thiere vermögen zu tödten
Wenn mithin Zambri will, dafs wir ihm glauben
sollen, er habe nicht des Teufels Namen aus-
gesprochen, so möge er jenen Namen wieder
aussprechen und lebendig machen, was er ge-
tödlet. Denn von Gott steht geschrieben: Ich
tödte, und ich mache wieder lebendig.32) Und
als auch die Richter den Zambri drängten, den
Stier zu Leben zum erwecken, da sagte dieser,
Silvester möge ihn zum Leben erwecken im
Namen Jesu des Nazareners. Dann, so fügte er
hinzu, wollen wir alle an ihn glauben. Und
auch alle Juden versprachen sich zu Christus zu be-
kehren, wenn Silvester den Stier wieder lebendig
machen würde. Da betete Silvester, neigte sich
zu dem Ohre des Stieres und sprach: Namen
des Fluches und des Todes, fahre hinaus auf
Geheifs unseres Herrn Jesus Christus, in dessen
Namen dir gesagt wird: „Stier, stehe auf und
laufe ruhig zu deiner Heerde zurück". Und
alsbald stand der Stier auf und ging ganz ruhig
von dannen.

So die anschauliche Schilderung der Legende.

Das Bild, welches stark gelitten hat und
theilweise verschwunden ist, weil späterhin eine
Thür in die Wand eingebrochen wurde, zeigt
im Vordergrunde den Stier, wie er am Boden
liegt, und denselben Stier abermals, wie er
davongeht. Silvester hat sich gebückt und sagt

**) „Ego occidam et ego vivere faciam". 5. Mos.
32 39

dem todt daliegenden Stier etwas in's Ohr.
Hinter dieser Szene steht vom Beschauer rechts
Silvester, vor ihm Konstantin, ihm gegenüber
der gestikulirende Jude Zambri nebst Helena
und einer Anzahl von Männern mit Judenhüten.
Bei dem Papste steht beide Male die Abkürzung
silv., über dem Kaiser und seiner Mutter die
Namen co?istantinus und helena.

Die in der vorderen Hälfte der Verszeilen
von mir ergänzte Legende lautet, wie folgt:
Taurum occidit verbum quod zambri susurrit
Jesus' papa dicit vivus ad arva recurrit
Zambri flüstert ein Wort, und todt der Stier stürzet nieder,
JesusI ruft aus der Papst: er lebt und aufs Feld eilet
wieder.

7. Helena und die Juden empfangen
die Taufe.
Als Silvester durch die Anrufung des Namens
Jesu den von Zambri getödteten Stier wieder
lebendig gemacht, da bekehrten sichKonstantin's
Mutter, die Juden, die Richter und alle übrigen
zum Glauben an Christus und empfingen die
Taufe.

Der allein noch erhaltene, obere Theil des
Bildes — der untere ist durch die später in
die Bildfläche eingebrochene Thür zerstört
— zeigt uns diese Schlufsszene aus der
Legende des h. Silvester. Rechts vom Be-
schauer sehen wir nach oben den Rand des
Taufbrunnens, in welchem Helena steht. Sie
hat die Hände gefaltet, die Krone auf dem
Haupte und schaut andächtig auf den h. Sil-
vester hin, der vor ihr steht in Pontifikal-
kleidung und Tiara, die linke Hand auf die
Brust legt und mit der Rechten die Stirne
Helena's salbt. Links vom Beschauer sehen
wir abermals Silvester in Tiara und Pontifikal-
gewanden, wie er mehreren Juden, die an ihren
Hüten erkennbar sind, die Taufe spendet. —
Auf der Tiara befindet sich beide Male die
Abkürzung silv.

Die gänzlich verschwundene Legende habe
ich in folgender Weise zu ersetzen versucht:
Omnes conversi sacrum petiere baptisma
Cum helena mersi recipiunt insuper chrisma.
Da bekehrten sich alle zu werden von Christus

beschirmet,
Helena wurde getauft und mit den Bekehrten gefirmet.

Von dem schmalen Nebenfelde, welches
an der östlichen Seite dieser Bilderreihe ganz
verschwunden ist, hat sich an der westlichen
Seite nur ein Ansatz des Spitzbogens erhalten.

(Schlufs folgt.)
Köln. Arnold Steffens.
 
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