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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Beissel, Stephan: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0172

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267

1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 9.

268

Bedeutungsvoller ist die Initiale zum Osterfeste, weil
in ihren Ranken ein Löwe gemalt ist, mit der Inschrift:

Vicit Leo de tribu jfuda. Offenb. 5, 5. Beim Feste
der Verkündigung steht Maria in zweidrittel Figur
als Orante in den Ranken der Initiale. Beim Feste
der Geburt Johannes des Täufers sieht man im An-
fangsbuchstaben das Brustbild des Vorläufers mit einer
Schriftrolle: Ego vox clamantis in deserto. Rechts
und links halten zwei Männer Bänder, welche im
Kreise um das Bild des Johannes gehen und auf
denen geschrieben ist: Ute est de sublimibus coelorum,
praepotens utiversis. Hie securis Dei reclus et lucerna
lucis. Beim Feste der Apostelfürsten kniet in der
Initiale der hl. Paulus, während der hl. Petrus die
Hand gegen Simon Magus erhebt, der von zwei

Teufeln über einem Thurrn in der Höhe gehalten
wird. ( Sehr reich ist die Initiale zum Feste der Auf-
nahme Marias in den Himmel (vergl. Abb. 1); denn
im Stamme des Buchstabens ist unten der Kopf Jesses
gemalt, darüber das Brustbild Marias, oben das Brust-
bild Christi. In den Ranken hält der Prophet Isaias
(11, 1) ein Spruchband: Egredielur virga de radice
jtesse et flos de radice ejus ascendet, während ein
Kirchenvater (Hieronymus) durch sein Inschriftband
die Erklärung beifügt: Virgo Dei genitrix virga est,
flos filius ejus. In der Initiale zu Mariae Geburt liegt
die hl. Anna mit ihrem Kinde auf einem Lager.
Neben ihr hält ein im Brustbilde dargestellter Mann ein
Band mit der Inschrift: Emerge dulcis filia, nitescejam.
Unten stellt der Miniator in die Ranken einen nackten
Kobold und ein an Trauben naschendes Ungethüm.

Andere Initialen zeigen nur kämpfende
Männer und phantastische Thiergestalten.

So streiten im Anfangsbuchstaben des Weihnachts-
festes zwei nackte Männer gegeneinander und nascht
ein Fuchs an Trauben. Beim Feste der Himmelfahrt
Christi umschlielsen die Ranken einen Jäger, einen
Mann, dessen Körper in einem Fischschwanze endet,
sowie Vögel und Vierfüfsler, beim Pfingstfeste einen
Mann, der ein wildes Thier beim Hörn erfafst, einen
Centauren im Kampfe gegen einen Fischmenschen und
ein anderes Thier. Im Anfangsbuchstaben zum Gebete
für das Fest des hl. Bernward (vergl. Initiale zum Schlufs-
artikel) erschiefst ein Mann ein gehörntes Ungeheuer,
eine Frau liebkost ein solches, ein anderer Mann erschlägt
einen Wolf, der ein Schaf ergriffen hatte.

Man darf in diesen Gebilden keine sym-
bolischen Gedanken suchen, sondern mufs sie
in eine Reihe stellen mit jenen phantastischen
Skulpturen reicher Kreuzgänge, welche sich den
Tadel des hl. Bernhard zuzogen.2)

Jeder Monat des Kalenders ist umrahmt
von zwei Säulen, auf denen ein goldner Halb-
bogen ruht. Neben der ersten Säule steht der
hebräische, der griechische und der ägyptische
Name des betreffenden Monates. Es sind
folgende:

1. Taebet, Eidoneos, Tybi.

2. Sabat, Pyrjthjos, Mechjr.

2) Vergl. diese Zeitschrift XIV (1901) 281 f.

3. Adar, Dystrjos, Faminoht.

4. Nisan, Xanticos, Farinjthj.

5. Iaar, Arthimiseos, Pacno.
Ct. Sjvan, Dyseos, Paunj.

7. Taemul, Panemeos, Epyfi.

8. Aab, Laos, Mesor.

9. Elul, Gordios, Tothj.

10. Theseri, Ypeberetheos, Faosni.

11. Maresuan, Dyos, Athjr.

12. Casleu, Apy]»s, Choeas.

Freilich sind manche dieser Namen unrichtig
geschrieben,3) indessen macht gerade dies sie
beachtenswerther, weil die Fehler darthun
können, aus welchen Quellen der Schreiber
geschöpft hat und welcher Schule er angehört.

Neben die zweite Säule ist für die einzelnen
Monate je ein Vers gestellt, der anzeigt, in
welches Sternbild die Sonne eintrete.

1. Principiumjani sancit t(r)opicus Capricornus.

2. Mense Nume in medio sol(i)di stat sidus
Aqu arii.

3. Procedunt duplices in Marcia temporaPisces.

4. Respicis Aprilis, Aries Frixee, Kalendas.

5. Majus Agenorei miratur cornua Tauri.

6. Iunius aequatos celo videt ire Lacones.

7. Solstitio ardentis C a n c r i fert Julius astrum

8. Augustum menscm Leo fervidus igne perurit
9 Sydere, Virgo, tuo Bacchum Septembrem

opimat.

10. Aequat et October sementis tempore Libram

11. Scorpius hibernum praeeeps jubet ire
Novembrem.

12. Terminat Arcitenens medio sua signa
Decembri.4)

Oben unter dem Rundbogen eines jeden
Monats nennt ein leoninischer Vers zwei Un-
glück stage:

1. Prima dies mensis et septima truncat ut ensis.

2. Quarta subit mortem, prosternit tertia fortem.

3. Primus mandenlem disrumpit, quarta bibentem.

4. Denus et undenus est mortis vulnere plenus.

5. Tertius oeeidit et septimus ora relidit.

6. Denus pallescit ac undenus severa nescit.

7. Tredecimus mactat Julii, deeimus labefaetat.

8. Primanecat fortem, sternitqueseeundacohortem.

9. Tertius Septembris et denus fert mala membris.

10. Tertius et denus tamquam mors est alienus.

11. Scorpius est quintus et tertius e nece cinetus.

12. Septimus ex(s)anguis, virosus denus ut anguis.6)

8) Vergl. die richtigen Namen bei Lersch »Ein-
leitung in die Chronologie«, 2. Aufl., Freiburg, Herder
(18S9), I. 62 f. Migne »Patrol. lat.« XC. 847 s.
*) Diese Verse stammen von Ausonius und
stehen Eglogarum über n. 8, Monumenta Germaniae
historica, Auetores antiq. I, 2 p. 18. Beda führt sie
an De temporum ratione c. 16. Migne »Patrol lat.«
XC, 358. Eine Erklärung derselben 1. c. 375 Nota.
Vergl. Lersch a. a. O. S. 51. Sie finden sich auch
im Leofric Missal des XI. Jahrh., herausgegeben
von Warren, Oxford, Clarendon (1883), p. 23 s.
6) Dieselben Verse bei Goldschmidt »Der
 
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