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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Endres, Joseph Anton: Romanische Deckenmalereien und ihre Tituli zu St. Emmeram in Regensburg, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0194

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305

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

306

sie sich gänzlich aus über die Gestalt der
Seitenwände von Chor und Mittelschiff der
Kirche, die kaum alles künstlerischen Schmuckes
entbehrt haben werden; dagegen überliefert sie
in dankenswerther Weise einen Cyklus von
Glasgemälden des östlichen Mönchschores. Der-
selbe erhielt in den drei Jochen, auf die er
sich erstreckte, durch zweimal drei Fenster über
der Höhe der Seitenschiffsdächer sein Licht.
Es war gebrochen durch Glasgemälde, welche
wie der Plafond des Mittelschiffs das Lob des
Kreuzes verkündeten. In den zwölf Versen,
von denen, wenn die Rechnung nicht trügt, je
zwei auf eines der Fenster treffen, zeigt sich die
gleiche Vermengung des hisotrischen, typischen
und symbolischen Moments wie auf den Decken-
bildern. Leider ermöglicht die blofse An-
führung der Metren keinen Schlufs auf das
Bildschema der Darstellung, ja nicht einmal auf
die Art der einzelnen Bilder. Dagegen ist der
Hinweis auf den Begründer des Cyklus, Abt
Peringer IL (1177—1201), dessen Namen die
Ueberschrift der Tituli trägt, von Werth. Der
Cyklus weist sich dadurch als ein mit den
Deckenbildern — entstanden nach dem Brande
vom Jahre 1166 — ungefähr gleichzeitiges Werk
aus. Der Text lautet:

In choro in fenesttis scripta Peringerus Abbas

"77 (sie).

Regt posse datur crux qua scelus omne fugatur
Mundo vila datur pax ecclesiae renovaiur™)
Rex immorlalis tibi nos convivificabis
Victorem mortis signat victoria forlis
Sicut habent legis haec mystica nosque redemit
Verbi sumpta caro moriens vim mortis ademit
Venu ad ima deus hominis causa redimendi
Exulat ecce rem poenam portans moriendi
Crux vetus archa pari ratione valet similari
Crux Cosroam stravit sie archa Dagon mu-

tilavil
Hie Jacobus sacrum suseepit pontificatum
Collatam nobis vetus est Ephod Aaronis.

Glasgemälde schmückten auch das grofse
Rundfenster, welches von Westen her sein
Licht in den Westchor und das westliche Quer-
schiff ergiefst. In diesem Theil der Kirche,
welcher kurzweg Dionysiuschor heifst, waren

*$) Vgl. einen anklingenden Vers bei P. Weber
a. a. O. 65 am Fufse des Kreuzes auf einem Buch-
deckel zu Fritzlar aus d. XII. Jahrh.

auch an den Wänden Gemälde angebracht.
Beide, die Glas- und die Wandgemälde, erzählten
das Leben des hl. Dionysius des Areopagiten,
dessen Reliquien die Emmeramer bekanntlich
seit der Zeit eines Reginward und Otloh zu
besitzen vermeinten. Es möge hier genügen
zum Belege wenigstens die Ueberschriften zu
nennen, unter denen unsere Quelle die leoni-
nischen Verse aufführt. Jene für die Glasge-
mälde lautet: In magna fenestra ejusdem (-
S. Dionysii) chori, die für die Wandgemälde:
Circa vitam S. Dionysii depietam. Es ist nicht
unmöglich, dafs sich im Dionysiuschore Kunst-
erzeugnisse aus der Zeit seines Aufbaues (Mitte
des XL Jahrh.) über die Brandkatastrophe von
1166 hinaus erhalten hatten. Die unechte Bulle
Leos IX. wenigstens, welche den Emmeramern
den Besitz des hl. Dionysius bestätigen sollte,
nimmt Bezug auf Wandgemälde und Skulp-
turen zu St. Emmeram aus alter Zeit,47)

Fast hätten diese letzten Ausführungen die
Grenzen des angekündigten Themas über-
schritten. Allein die Gelegenheit war zu günstig,
dem zu behandelnden Gegenstande ein paar
Miltheilungen verwandter Art mit auf den
Weg zu geben. Es wird sich nicht leugnen
lassen, dafs die Berücksichtigung der zahlreichen
überlieferten Tituli das Bild, das die bisherige
Kunstforschung von der Emmeramskirche auf-
rollte, um einige Züge bereichert. Sollten die
vorliegenden Zeilen den Anstofs dazu geben,
etwaigen im Westchor und Scheidebogen von
Quer- und Mittelschiff noch schlummernden
Wandmalereien zu einer fröhlichen Auferstehung
zu verhelfen, so würde sie mehr erreichen, als
in ihrer ursprünglichen Absicht lag. So möge
immerhin der Hinweis auf Existenz und Ideen-
gehalt von romanischen Wandmalereien an
einer Kunststätte genügen, deren Einflufs allem
Anscheine nach wie in der Buchmalerei, so
auch in der monumentalen Malkunst nicht auf
die Mauern des eigenen Hauses beschränkt
blieb. —

Regensburg. J. A. Endres.

<7) picturis quoque parietum multiplieibus et
sculpturis vetustissimis exprimentibus indicia veritatis
et notas indubitata fide comperimus dicti doctoris
et martyris (= s. Dionysii) ossa venerabilia apud
memoratum b. Emmerami coenobium integraliter con-
tineri. »Mausoleum s. Emmerami« (4. Aufl.) (Regens-
bürg 1752) 09. Ueber die Bulle s. Janner 1, 548 ff.
 
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