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Zimmer, Heinrich Robert
Ewiges Indien: Leitmotive indischen Daseins — Zürich, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.22906#0065
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haben ablesen und ablernen ließe, zu Trägern ihres
Sinns zu weihen, bedarf es der Sprache. Die Sprache
macht unser unmittelbares Sein zum mittelbaren Ha-
ben. Neben die äußere und innere Welt stellt sie die
Welt der Namen. In ihr spielt, untrennbar mit ihr ver-
woben, die Welt der Begriffe. Aber zwischen der Na-
men-weit und der Wirklichkeit innen und außen be-
steht eine unaufhebbare Spannung. Die Welt der Na-
men ist arm, so groß sie sein mag. Sie hat nie genug
Formen und Zwischenformen, die Welt abzubilden wie
sie wirklich ist. Ihr Wirken ist Zwang: das intuitive
Wissen, das sich selbst deuten will, ist in ewigen Not-
stand gedrängt, sich mit ihrer schmalen Zeichenreihe
zu behelfen. Sich selbst und andere durch Worte ver-
stehen, ist ewiges Mißverstehen. Im Umgang gleichen
Gebärde, Ausdruck und Stimmklang aus, auch genügt
das Ungefähr. Aber fürs reine Erkennen ist die Na-
men-weit und ihr Geschwister, die Begriffswelt, so ver-
hängnisvoll wie unumgänglich.

Die Namenwelt kann nie sagen, was sie sollte: —
schon weil sie älter ist und ziemlich starr gegenüber
dem Unmittelbar-Wirklichen außen wie innen, das im-
mer neu ist. Sie ist kein Kind unseres Geistes. Die
Struktur unserer Sprachen stammt mindestens aus der
Steinzeit. Zwar ist dies uralte Werkzeug durch Epo-
chen von Wanderungen und Übergängen auf neue Völ-
ker verwittert und zerfressen, mit Mischungen durch-
setzt und überfremdet, von Weltaltern um- und um-

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