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Zöllner, Frank
Bewegung und Ausdruck bei Leonardo da Vinci (Marburg, Univ., Habil.-Schr., 1995) — Marburg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.2869#0002
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VORWORT

Unter dem Titel 'Bewegung und Ausdruck' analysiere ich im folgenden Leonardo da Vincis
Studien zu den Bewegungen des menschlichen Körpers und zu den Gemütsbewegungen sowie
die Verbindungen dieser Studien zu seiner beruflichen Karriere, seiner Kunsttheorie und zu
Teilen seines malerischen Werks. Zu Beginn stehen eine Entwicklung der Fragestellung aus
der Problematik und der frühen Geschichte des Begriffs 'Ausdruck', ein Forschungsüberblick
sowie eine methodische Abgrenzung gegen andere, derzeit aktuelle Ansätze. Dem folgt ein
Kapitel über Leon Battista Albertis Ansichten zu Bewegung und Ausdruck; in ihm wird
Albertis theoretische Legitimierung des Kunstgenusses sowie seine Herleitung der
Affektübertragung aus der antiken Rhetorik und dem traditionellen Rezeptionsverhalten
gegenüber religiöser Kunst untersucht (Kapitel I).

In einem speziellen Abschnitt über die Darstellung der Körperbewegung und den
Ausdruck der Gemütsbewegungen problematisiere ich einerseits Albertis Vorschläge zur
Vermessung bewegter Figuren, die Beziehung dieser Vorschläge zum Antikenstudium der
Renaissance und zu traditionellen Vorstellungen hinsichtlich der Funktion des Maßes
überhaupt. Andererseits werden diskutiert die Mittelbarkeit und somit die Zeichenhaftigkeit
des Ausdrucks in der Malerei, wie sie am deutlichsten Leonardo formuliert hat, sowie -
ausgehend von einer Zusammenstellung älterer Schriftquellen bis hin zu Leonardos
Kunsttheorie - das Problem der malerischen Darstellung von Gemütsbewegungen und
Charakter (Kapitel II).

Die anschließende Analyse der Bewegungsstudien Leonardos hat einerseits deren
theoretische, andererseits deren praktische Aspekte zum Gegenstand. Vornehmlich im
theoretischen Teil werden die einzelnen Phasen der Bewegungsstudien auf konkrete
Ereignisse der professionellen Karriere Leonardos bezogen, namentlich auf eine
berufsbedingte Umorientierung in den 80er Jahren, auf sein Engagement als Ingenieur und
Kriegsbaumeister in Mailand, seine Konflikte mit den Literaten am Mailänder Hof, seine
Auftragsbedingungen in Florenz sowie auf sein Zusammentreffen mit Michelangelo. Hier
untersuche ich auch - ausgehend von der Gestaltung und frühen Rezeption des 'Abendmahls'
- Leonardos Probleme hinsichtlich der 'wissenschaftlichen' und physiologischen
Vorstellungen, die ihm als Vorbilder für eine Systematik seiner Auseinandersetzungen mit
den Bewegungen des menschlichen Körpers und den Regungen des Gemüts vorschwebten
(Kapitel III-V).

Der der künstlerischen Praxis gewidmete Teil der Untersuchung besteht aus einer
Analyse von zwei nach 1500 in Florenz begonnenen Werken, nämlich der 'Anghiarischlacht'
und der 'Mona Lisa'. Die Beschränkung auf diese Werke bot sich an, da die offensichtliche
Alternative - nämlich das 'Abendmahl' - bereits in Kapitel IV als Ausgangspunkt für eine
Analyse der Darstellung der Gemütsbewegungen und der expressiven Gestik gedient hatte
und weil das Porträt der 'Mona Lisa' und die 'Anghiarischlacht' in einer Phase der
kunsttheoretischen und 'wissenschaftlichen' Umorientierung Leonardos entstanden. Zudem
 
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