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Zöllner, Frank
Bewegung und Ausdruck bei Leonardo da Vinci (Marburg, Univ., Habil.-Schr., 1995) — Marburg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.2869#0123
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VI. AUSDRUCK UND BEWEGUNG IM EREIGNISBILD

1. Formen und Vorformen des Ereignisbilds

Eine mit Begriffen wie Historienmalerei und Geschichtsbild oder durch die Umschreibung
'historisches Ereignisbild" bezeichnete Gattung der Malerei wird heute vor allem mit der
Kunst des 17., 18. und 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht, in der die ideale
Überhöhung profaner historischer Begebenheiten durch ein künstlerisch gestaltetes Abbild
den vornehmsten Rang unter den darstellenden Künsten beanspruchte.2 Doch bereits in
Antike3, Mittelalter und früher Neuzeit existierten Idealdarstellungen dieser Art, häufig als
Schlachtenbilder oder politische Allegorien, die an Orten öffentlicher Zusammenkünfte, in
Thronsälen und Kommunalpalästen angebracht waren, um dort den Ruhm des Herrschers
oder den der herrschenden Elite sowie deren Tugenden oder Ansprüche darauf zu
verkünden.4 Der in den Quellen des Mittelalters und der frühen Neuzeit für solche
Darstellungen gebräuchliche Terminus, historia. war allgemein und konnte sich sowohl auf
die Einzelbilder als auch auf Zyklen, sowohl auf profane Malerei als auch auf die religiöse
Kunst beziehen5, die letztlich auch den allergrößten Teil von Ereignisbildern ausmachte.
Beispiele hierfür wären die Langhausmosaiken der römischen Basiliken, die
Fensterausstattungen nordeuropäischer Kathedralen6, die Freskierungen in den Kapellen vor
allem zentralitalienischer Kirchen oder Paläste und die Freskierungen der
Reformordenskonvente.7 Alle Typen religiöser Bilderzyklen wiesen mehr oder weniger
komplexe Erzählstrukturen auf, wobei die meisten monumentalen Beispiele - wie etwa die

1 Vgl. Hager, Das geschichtliche Ereignisbild.

2 Vgl. etwa Felibien, Entretiens, II, S. 644, und Watelet/ Levesque, Dictionnaire des arts. III, S. 25-31
(als kunsttheoretische Zeugnisse). Siehe auch Hager, Geschichte in Bildern. S. 32-47, sowie Fraenger,
Bildanalysen des Roland Freart. S. 30-32, und Winter, 'Die "Grabtragung"', S. 81, Anm. 3-4 (zur weiteren
Übersicht).

3 Vgl. Hager, Das geschichtliche Ereignisbild, S. 15-26, und Plinius, Historia naturalis, 35.7.22-10.28.

4 Vgl. Hager, Das geschichtliche Ereignisbild: Henze, Studien zur Darstellung der Schlacht: Belting, 'New
Roleof Narrative', S. 164-165 (mit neueren Literaturangaben zu den prominentesten Beispielen); Malerei und
Stadtkultur der Dantezeit, und Starn/ Partridge, Arts of Power.

5 Siehe z.B. Durandus, Rationale, 1.3, c. 15v, und Schlosser, Schriftquellen. Nr. 1023 (Turpinus). Auch
der Begriff gesta, wohl eher für die profane Malerei, fand Verwendung, ebd., Nr. 1007. Weitere Quellen
finden sich bei Keuck, Historia. S. 31-34 und 80-87.

6 Vgl. Hager, Das Ereignisbild, S. 54, und Kemp, Sermo corporeus.

7 Vgl. die Übersicht bei Aronberg Lavin, The Place of Narrative. - Die monumentalsten Zyklen sind häufig
die in Franziskaner- und Dominikanerkirchen, wie z.B. S. Croce und S. Maria Novella in Florenz oder in
Assisi selbst.

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