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erste Blüte.6 Ausgehend von diesen entweder gemalten oder skulpierten Einzelporträts und
denen der nachfolgenden Künstlergeneration wird - in den Quellen seit dem 16. und in der
Forschung besonders seit dem 20. Jahrhundert - das selbständige Bildnis vor allem unter den
Gesichtspunkten der Naturähnlichkeit, der Individualität und des Ausdrucks diskutiert. Doch
nicht wenige Porträts der Renaissance lassen erkennen, daß die individuelle Ähnlichkeit7
aufgrund häufiger Idealisierungen nicht immer die zentrale Darstellungsaufgabe gewesen sein
konnte und daß die Vorstellungen von 'Ähnlichkeit' seinerzeit nicht unbedingt mit denen
unserer Tage übereinstimmten.8 Ebenso schwer zu beurteilen ist die dem persönlichen
Bildnis eignende Individualität', die vor allem seit dem 19. Jahrhundert als unabdingbarer
Bestandteil des autonomen Porträts gilt, die aber aufgrund der eben genannten Idealisierung,
aber auch angesichts einer nicht zu übersehenden Typisierung als Darstellungsinteresse nicht
in jedem Falle bestimmend gewesen sein dürfte.10

Ähnlich verhält es sich mit dem Ausdruck, der im selbständigen Bildnis nicht
unabhängig von der Porträtähnlichkeit und der Individualität des Dargestellten gesehen
werden kann. Der Darstellung von Ausdruck und Bewegung in der Porträtmalerei sind ja
ohnehin engere Grenzen gesetzt als vergleichbaren Darstellungsabsichten im Historienbild
und in den häufig mehrfigurigen Werken der religiösen Malerei. Die für ein autonomes
Porträt somit notwendige Konzentration auf den individuellen Gesichtsausdruck hat zu der
Annahme geführt, daß der Ausdruck im Allgemeinen sowie die Darstellung der
Seelenqualitäten im Besonderen eine herausragende Eigenschaft der Porträtmalerei seit der
Renaissance seien." Die Ausdrucksqualitäten des individuellen Porträts jedoch, die in der
Kunstliteratur explizit und mit wünschenswerter Ausführlichkeit erst im ausgehenden 17. und

6 Bode, "Italian Portrait Paintings'; Lavin, 'Renaissance Portrait Bust'; Pope-Hennessy, Portrait in the
Renaissance. S. 72-85; Schuyler, Florentine Busts. und Winter, Individualität und Idealität (mit neuerer
Literatur).

7 Zur Porträtähnlichkeit siehe Aristoteles, Poetica. 2.2 (1448a, über Dionysius); Plinius, Historia naturalis.
35.151 (über den Töpfer Butades); Gian Paolo Lomazzo, Scritti sulle arti. ed. Ciardi, II, S. 374 (d.i. Trattato
della pittura. Kap. 51); Burckhardt, 'Anfänge der Porträtmalerei', S. 319-321; Götz von Mohr, Individuum
und soziale Norm. S. 5-12; Cieri Via, 'L'immagine del ritratto', S. 49-50; Brilliant, Portraiture. S. 23-88.

8 Vgl. Künstler, 'Vom Entstehen des Einzelbildnisses', S. 60-62, und Woods-Marsden, '"Ritratto al
Naturale".

9 Vgl. z.B. Bode, 'Italian Portrait Paintings'; Pope-Hennessy, Portrait in the Renaissance: Gilbert,
'Renaissance Portrait', S. 285; Boehm, Bildnis und Individuum, S. 19, 156-157, 220.

10 Siehe z.B. die Typisierung im Profilporträt; vgl. Lipman, 'Florentine Profile Portrait'; Pope-Hennessy,
Portrait in the Renaissance. S. 35-37, und Schuyler, Florentine Busts, S. 2.

" Pope-Hennessy, The Portrait in the Renaissance, S. 101-109; McMullen, Mona Lisa. S. 69-72; Boehm,
Bildnis und Individuum. S. 19, 156-157, 220, und Brown, 'Leonardo and the Ladies', S. 50.

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