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erkennen zu können, dass dieser Theil des Privatrechtes nicht minder
als die übrigen auf rein germanischen Grundsätzen beruht, welche
aber gleichfalls schon in mancher Beziehung eigenthümlich particular-
rechtlich — jedoch ohne Spuren der Einwirkung des römischen Rech-
tes — entwickelt sind.
Am reichhaltigsten an Bestimmungen ist das Stadtrecht in Bezug
auf das Verhältniss des Schuldners zu seinem Gläubiger hinsichtlich
der Lehre von der Verbindlichkeit der Schuld, von der Verstärkung
der Obligation durch Bürgen und von der Geltendmachung der For-
derungsrechte gegen den Schuldner, wobei überall auf den Ent-
stehungsgrund der Schuld keine Rücksicht genommen wird, so dass
diese Lehren gewissermassen als eine Art von allgemeinem Theile
des Obligationenrechtes betrachtet werden können.
Bei allen Forderungssachen (Schuld) *) kommt es vorerst darauf
an, ob sie bekannte 1 2) (d. h. vor dem Stadtgericht zugestandene)
Schuld sind oder nicht. Im ersten Falle wird ihr Beweis durch die
darüber vor Gericht angefertigte Urkunde (Gerichtsbrief) 3) oder auch
durch die Aussage eines Schöffen vollständig erwiesen (StadtR.
§. 11. §.15. §. 16. §. 17.). Einen Stadtbrief (Rathsurkunde) gab
man aber über rein persönliche Forderungssachen, wie Geldschulden,
und über die Bestellung eines Pfandes an beweglichen Sachen (Ein-
setzen) nicht, sondern nur dann, wenn ein Vertrag Erbe und Eigen
betraf, sei es nun ein wahrer Kauf, wodurch der Käufer das Eigen-
thum für sich und seine Erben erwarb (schlechter Ewigkauf), 4)
oder nur der Kauf eines lebenslänglichen Niessbrauches (Leibgecling)
oder eines Census (Zins) auf einem Grundstücke (StadtR. §.11.
§. 55.). Aus einem in den Cod. LN. (StadtR. §. 15. not. d) enthal-
tenen Zusatze ersieht man, dass man bei dem Stadtgerichte später
ein eigenes Buch (,,das neue Stadtbuch“) angelegt hatte, in welches
alle Bekenntniss und Einsetzen von Schuld wegen eingetragen wurde,
und dass man dem Einträge gleiche Wirkung, wie einem Gerichtsbriefe
beilegte. Das Jahr, in welchem dieses neue Stadtbuch angelegt, und
somit das System der Ingrossation practisch eingeführt wurde, lässt
sich mit Bestimmtheit nicht ermitteln. Jedoch möchte nicht ohne
1) Auch eben so allgemein „Guld.“ StadtR. §. 100.
2) Die Tyroliensis (resp. Verordn. Maximilians v. I496 §. 5.) gebraucht dafür
den Ausdruck gichtige Schuld.
3) Auch das gilt als bekannte Schuld, was vor zwei besonders zu Zeugen erbe-
tenen Schöffen oder Rathsgliedern bekannt worden: doch müssen hier beide Zeugen
darum aussagen. StadtR. §. 244.
4) Auch Kauf zu „ewigen Dingen.“ StadtR. §. 39. — Den Gegensatz bildet
immer Leibgeding. —
erkennen zu können, dass dieser Theil des Privatrechtes nicht minder
als die übrigen auf rein germanischen Grundsätzen beruht, welche
aber gleichfalls schon in mancher Beziehung eigenthümlich particular-
rechtlich — jedoch ohne Spuren der Einwirkung des römischen Rech-
tes — entwickelt sind.
Am reichhaltigsten an Bestimmungen ist das Stadtrecht in Bezug
auf das Verhältniss des Schuldners zu seinem Gläubiger hinsichtlich
der Lehre von der Verbindlichkeit der Schuld, von der Verstärkung
der Obligation durch Bürgen und von der Geltendmachung der For-
derungsrechte gegen den Schuldner, wobei überall auf den Ent-
stehungsgrund der Schuld keine Rücksicht genommen wird, so dass
diese Lehren gewissermassen als eine Art von allgemeinem Theile
des Obligationenrechtes betrachtet werden können.
Bei allen Forderungssachen (Schuld) *) kommt es vorerst darauf
an, ob sie bekannte 1 2) (d. h. vor dem Stadtgericht zugestandene)
Schuld sind oder nicht. Im ersten Falle wird ihr Beweis durch die
darüber vor Gericht angefertigte Urkunde (Gerichtsbrief) 3) oder auch
durch die Aussage eines Schöffen vollständig erwiesen (StadtR.
§. 11. §.15. §. 16. §. 17.). Einen Stadtbrief (Rathsurkunde) gab
man aber über rein persönliche Forderungssachen, wie Geldschulden,
und über die Bestellung eines Pfandes an beweglichen Sachen (Ein-
setzen) nicht, sondern nur dann, wenn ein Vertrag Erbe und Eigen
betraf, sei es nun ein wahrer Kauf, wodurch der Käufer das Eigen-
thum für sich und seine Erben erwarb (schlechter Ewigkauf), 4)
oder nur der Kauf eines lebenslänglichen Niessbrauches (Leibgecling)
oder eines Census (Zins) auf einem Grundstücke (StadtR. §.11.
§. 55.). Aus einem in den Cod. LN. (StadtR. §. 15. not. d) enthal-
tenen Zusatze ersieht man, dass man bei dem Stadtgerichte später
ein eigenes Buch (,,das neue Stadtbuch“) angelegt hatte, in welches
alle Bekenntniss und Einsetzen von Schuld wegen eingetragen wurde,
und dass man dem Einträge gleiche Wirkung, wie einem Gerichtsbriefe
beilegte. Das Jahr, in welchem dieses neue Stadtbuch angelegt, und
somit das System der Ingrossation practisch eingeführt wurde, lässt
sich mit Bestimmtheit nicht ermitteln. Jedoch möchte nicht ohne
1) Auch eben so allgemein „Guld.“ StadtR. §. 100.
2) Die Tyroliensis (resp. Verordn. Maximilians v. I496 §. 5.) gebraucht dafür
den Ausdruck gichtige Schuld.
3) Auch das gilt als bekannte Schuld, was vor zwei besonders zu Zeugen erbe-
tenen Schöffen oder Rathsgliedern bekannt worden: doch müssen hier beide Zeugen
darum aussagen. StadtR. §. 244.
4) Auch Kauf zu „ewigen Dingen.“ StadtR. §. 39. — Den Gegensatz bildet
immer Leibgeding. —