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Im selben Jahr war der Künstler in der »Reichshauptstadt« an der baukünstlerischen Ausstattung des Olympiage-
ländes und des Neubaus der Reichsbank beteiligt. 1937 schmückte er den Filmvorführungsraum der Berliner Pro-
pagandaausstellung »Gebt mir vier Jahre Zeit« mit einem Fries aus vergoldeten Eichenblättem aus.I27 1941
erhielt er den Auftrag, in Krakau an der künstlerischen Ausgestaltung des Amtssitzes des »Generalgouvemeurs«
mitzuarbeiten.
Höchst aufschlußreich ist ein 1940 von Rosenberg verfaßter, nach einem handschriftlichen Vermerk aber nicht
abgeschickter Entwurf eines Briefes an Goebbels. Dort heißt es:
In letzter Zeit häufen sich die Fälle, daß in verschiedenen führenden Zeitschriften, in Ausstellungen, aber auch bei sonsti-
gen Anlässen, Vertreter der vom Führer eindeutig als entartete Kunst bezeichneten Richtung demonstrativ in Erschei-
nung treten. Es handelt sich hier keinesfalls um Einzelfälle, sondern um eine Serie fortlaufender Versuche, die offizielle
Kunstanschauung des neuen Deutschland zu sabotieren. Es werden in diesem Zusammenhang zwar nicht die prominen-
ten Namen der Kunstentartung in den Vordergrund geschoben, sondern es werden weniger belastete Namen gewählt, die
als Versuchsballone in den Zeitschriften eine eindeutige Kunstverfallstendenz wiederum propagieren.I2&
Rosenberg stand mit dieser Auffassung nicht allein, im Propagandaministerium und der Reichskulturkammer
dachte man ähnlich. Ziegler erließ am 1. Oktober 1940 eine »Anordnung gegen minderwertige Kunsterzeugnisse«,
die den Zugriff auf die Bestände moderner Kunst in privaten Galerien und Sammlungen ermöglichte.I2? Am 23.
April 1941 gab er »aus gegebener Veranlassung« einen weiteren Erlaß heraus, der am 1. Mai im Mitteilungsblatt der
Reichskammer der bildenden Künste veröffentlicht wurde und der erkennen läßt, daß die braunen Machthaber
ihren Kampf gegen die »Verfallskunst« keineswegs als abgeschlossen, geschweige denn als Sieg verbuchten:
Ich werde zukünftig mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln nunmehr unerbittlich gegen jeden vorgehen, der
Werke der Verfallskunst erzeugt oder solche als Künstler oder Händler verbreitet. Ferner bestimme ich, daß Werke der Ver-
fallskunst, die sich im Eigentum oder in Kommission der Kammermitglieder (insbesondere Kunst- und Antiquitätenhänd-
ler) befinden oder bei ihnen aufbewahrt werden, der Reichskammer der bildenden Künste, Berlin W 35, bis zum 10. Juni
1941 angezeigt werden, und daß ferner Werke dieser Art, die aus Privatbesitz zum Verkauf oder zur Versteigerung zukünf-
tig angeboten werden, unverzüglich gleichfalls der Reichskammer der bildenden Künste gemeldet werden. Jede Anzeige
hat zu enthalten: Name und Anschrift des Künstlers, des Besitzers, Titel und Format des Werkes und seine Herstellungs-
weise (Technik). I3° ,
In der Tat wurde in der Folgezeit verschärft gegen Kunsthändler vorgegangen. Der Düsseldorfer Galerist Alexan-
der Vömel berichtet:
Im April 1941 hat der Chef der Sicherheitspolizei Heydrich dem Propagandaminister berichtet, daß in der Galerie Vömel
in Düsseldorf entartete Kunst ausgestellt und feilgeboten werde. Diese Tätigkeit sabotiere die Kunstpolitik des Führers.
Am 25.4.1941 wurde mein Galeriebestand beschlagnahmt und nach Berlin geschafft. Glücklichen Umständen verdanke
ich die Freigabe und die Möglichkeit der Weiterführung meiner Galerietätigkeit.
Unter den bei Vömel beschlagnahmten Werken befanden sich offensichtlich auch einige von Nolde.U2 Dieser
schreibt - allerdings schon am 9. April 1941 - an den Münchner Kunsthändler Günther Franke:
127 Vgl. Büchner 1984, S. 20. Zur Ausstellung vgl. Kapitel 4.1.
128 Entwurf eines Schreibens von Adolf Rosenberg anjoseph Goebbels vom Juni [?] 1940 (BANS 8/172, Bl. 181-183, hier Bl. 181).
129 Vgl. Hüneke 1988b, S. 35.
130 Zitiert nach ebenda. Vgl. das Schreiben des Landesleiters für bildende Künste beim Landeskulturwalter Gau Hessen-Nassau an
den Direktor der Städtischen Galerie Frankfurt am Main vom 12. Dezember 1941 (Archiv Städel/Städtische Galerie, Bd. 36).
Auf diesen Erlaß Zieglers bezieht sich wohl Xaver Fuhr in einem undatierten Brief an Günther Franke: »... gewiß haben Sie
Kenntnis genommen über die nunmehr >letztmalige< Verfügung des Kunstvollstreckungsbeamten Ziegler, wonach alle im Besitz
oder Kommission eines Kunsthändlers befindliche > Verfallskunst« anzumelden ist« (zitiert nach Doris Schmidt 1970, S. 97). Vgl.
auch die beiden Briefe Emil Noldes an Günther Franke vom 9. April und 2. Mai 1941 (ebenda, S. 196), die weiter unten behan-
delt werden.
131 Vömel 1978.
132 Zu den 1941 aus Noldes persönlichem Besitz beschlagnahmten sieben Gemälden, 46 Aquarellen und einer Lithographie vgl. Ur-
ban 1990, S. 19h

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