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7. Parallele Ausstellungsereignisse

7.1 Antibolschewistische Ausstellungen

Es ist bereits andernorts angemerkt worden, daß der Begriff »Bolschewismus« in der NS-Propaganda ebensowe-
nig eine präzise bestimmbare Bedeutung hatte wie die Termini »Jude«, »Judentum« oder »jüdisch«. Weder
bezeichnete er konkret die von Lenin geführte Fraktion der russischen Sozialdemokratie, die sich seit 1912 zur
selbständigen Partei entwickelt hatte und in der Oktoberrevolution 1917 die treibende Kraft war, noch auch nur
allgemein den Sowjetkommunismus. Wie eng das Konstrukt »Bolschewismus« mit nationalsozialistischem Anti-
semitismus und Rassenwahn verwoben war, belegt der Slogan »jüdisch-bolschewistisch«. Goebbels identifizierte
zwischen 1935 und 1938 »seine antisemitische Kampagne mehr und mehr mit seinem Angriff gegen den Bolsche-
wismus, ja in vielen seiner Reden und Artikel verschmolzen die beiden fast vollständig ineinander«1. Und Rosen-
berg sagte auf dem Parteitag 1936: »Im Wesen ist der Bolschewismus die Form der jüdischen Weltrevolution«2.
Hier wird deutlich, daß »Bolschewismus« den Nationalsozialisten als Inbegriff des Feindbildes schlechthin
diente, wie Wilhelm Reich bereits 1933 in seinem wegweisenden Buch »Die Massenpsychologie des Faschismus«
bemerkte:
Wenn der Mystiker »Bolschewismus« sagt, so meint er nicht die politische Partei, die Lenin begründete. Von den soziolo-
gischen Auseinandersetzungen der Jahrhundertwende hat er keine Ahnung. »Kommunist«, »Bolschewist«, »Roter« etc.
wurden Schlagworte des Reaktionärs, die nichts mit Politik, Partei, Ökonomie etc. zu tun haben. Die Worte sind ebenso
irrational wie das Wort »Jude« im Munde der Faschisten. Sie drücken die antisexuelle Haltung aus, die die mystisch-reak-
tionäre Struktur des autoritären Menschen betrifft.3
Zur Bekämpfung der Kommunistischen Internationale (Komintern) schlossen Deutschland und Japan am 25.
November 1936 einen Antikommtempakt, dem am 6. November 1937 Italien beitratA Weitere Verbündete
folgten im Zweiten Weltkrieg. Im Vertrag heißt es, die Mitglieder des Paktes seien
in der Erkenntnis, daß das Ziel der Kommunistischen Internationale, Komintern genannt, die Zersetzung und Vergewalti-
gung der bestehenden Staaten mit allen zu Gebote stehenden Mitteln ist, in der Überzeugung, daß die Duldung einer
Einmischung der Kommunistischen Internationale in die inneren Verhältnisse der Nationen nicht nur deren inneren Frie-
den und soziales Wohlleben gefährdet, sondern auch den Weltfrieden überhaupt bedroht, [...] in dem Wunsche, zur
Abwehr gegen die kommunistische Zersetzung zusammenzuarbeiten, übereingekommen in enger Zusammenarbeit
die notwendigen Abwehrmaßnahmen durchzuführen J
1936, als der Spanische Bürgerkrieg begann und sich sowohl die faschistischen Mächte als auch Sowjetrußland
einmischten, »wurde der »jüdische Bolschewismus« mehr denn je das größte Schreckgespenst, der Weltfeind Nr.
1, in der nationalsozialistischen Propaganda«6. Auf dem Parteitag desselben Jahres wurde der »entscheidende
Weltkampf« gegen den »Bolschewismus« verkündet. Eine verstärkte innenpolitische Agitation setzte ein, deren
eigentliche Funktion in der ideologischen Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion gesehen werden muß.
1 Bramsted 1971, S. 499.
2 Zitiert nach Merker 1983, S. 141.
3 Wilhelm Reich 1986, S. 128.
4 Vgl. hierzu Axel Schmidt 1937.
5 Zitiert nach Bockhoff 1938, Teil 2, S. 330. Zu den Nachrichtendiensten und Publikationen des im Herbst 1933 gegründeten Ver-
bandes »Anti-Komintern. Gesamtverband deutscher antikommunistischer Vereinigungen e. V.« in Berlin vgl. den mit Leibbrandt
gezeichneten Artikel in den NSMH 5, 1934, Heft 56, S. 1069h
6 Bramsted 1971, S. 501.

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