4. Die Ausstellung Entartete Kunst
München, Hofgarten-Arkaden,
19. Juli bis 30. November 1937
4.1 Vorgeschichte:
Die Ausstellungen Gebt mir vier Jahre Zeit
und Große Deutsche Kunstausstellung
1937 befand sich das Deutsche Reich in politischer und ökonomischer Hinsicht in einer gefestigten Lage. Die
Phase der innenpolitischen Machtkonsolidierung (Gleichschaltung) war weitestgehend abgeschlossen. Em wichti-
ges Instrument in diesem Prozeß, das Gesetz zur »Behebung der Not von Volk und Reich« (»Ermächtigungsge-
setz«) vom 23. März 1933, welches die Regierung ermächtigte, Gesetze, auch verfassungsändemden Inhalts,
ohne den Reichstag zu erlassen, wurde am 30. Januar 1937 um weitere vier Jahre verlängert. Der Wirtschaftsauf-
schwung hatte begonnen. Auch außenpolitisch war die Autorität Hitlers gewachsen. Hildegard Brenner resü-
miert die Situation, deren Vergegenwärtigung für das Verständnis des Zeitpunkts der Ausstellung »Entartete
Kunst« unerläßlich ist:
Hitlers Bündnispolitik hatte das Ansehen Deutschlands gefestigt. Die ausländischen Gäste und Teilnehmer der olympi-
schen Spiele, als sie im August 1936 nach Berlin kamen, mußten einen denkbar positiven Eindruck vom nationalsoziali-
stischen Deutschland gewinnen. Die deutsche Wirtschaft hatte sich erholt, Aufträge aus öffentlicher Hand hatten das
Land in eine grandiose Baustelle verwandelt. Die Bevölkerung, da sie an der Gesundung teilhatte, verhielt sich in ihrer
großen Mehrheit loyal. [...] Die nationalsozialistische Führung beteuerte ihre Friedensabsichten. Hinter der Kulisse dieser
gelungenen Schaustellung aber wurde der Krieg bereits vorbereitet. Die Aufrüstung war inzwischen so weit gediehen, daß
die nationalsozialistische Führung »zur Anwendung von Gewalt unter Risiko« entschlossen war. Auf dem Reichsparteitag
im September 1936 verkündete Hitler den zweiten Vierjahresplan. Er faßte die wirtschaftlichen Kriegsvorbereitungen
zusammen. Unter diesem Vorzeichen verlief die innenpolitische Stabilisationsphase der Jahre 1936 bis 1939.1
In der Denkschrift zum Vierjahresplan vom August 1936 schrieb Hitler: »Ich stelle damit folgende Aufgabe: I.
Die deutsche Armee muß in 4 Jahren einsatzfähig sein. II. Die deutsche Wirtschaft muß in 4 Jahren kriegsfähig
sein«2 3. Den wahren Zeitplan offenbart hingegen Goebbels am 15. November 1936 in seinem Tagebuch:
Nach Tisch spreche ich mich mit dem Führer allein gründlich aus. Er ist sehr zufrieden mit der Situation. Die Aufrü-
stung geht weiter. Wir stecken märchenhafte Summen hinein. 1938 sind wir ganz fertig. Die Auseinandersetzung mit
dem Bolschewismus kommt. Dann wollen wir parat sein.3
1937 galt es für die Machthaber, »Rechenschaft« über die ersten vier Jahre nationalsozialistischer Herrschaft abzu-
legen. Denn am 1. Februar 1933, um 22.00 Uhr, hatte Hitler in seiner ersten Proklamation als deutscher Regie-
1 Hildegard Brenner 1963, S. io6f. Hitlers Rede zur Eröffnung des achten Reichsparteitages der NSDAP in Nürnberg am 9. Sep-
tember 1936 ist auszugsweise abgedruckt bei Kühnl 1980, S. z88f.
2 Zitiert nach Kühnl 1980, S. 287h
3 Zitiert nach Fröhlich 1987a, Teil 1, Bd. 2, S. 726.
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München, Hofgarten-Arkaden,
19. Juli bis 30. November 1937
4.1 Vorgeschichte:
Die Ausstellungen Gebt mir vier Jahre Zeit
und Große Deutsche Kunstausstellung
1937 befand sich das Deutsche Reich in politischer und ökonomischer Hinsicht in einer gefestigten Lage. Die
Phase der innenpolitischen Machtkonsolidierung (Gleichschaltung) war weitestgehend abgeschlossen. Em wichti-
ges Instrument in diesem Prozeß, das Gesetz zur »Behebung der Not von Volk und Reich« (»Ermächtigungsge-
setz«) vom 23. März 1933, welches die Regierung ermächtigte, Gesetze, auch verfassungsändemden Inhalts,
ohne den Reichstag zu erlassen, wurde am 30. Januar 1937 um weitere vier Jahre verlängert. Der Wirtschaftsauf-
schwung hatte begonnen. Auch außenpolitisch war die Autorität Hitlers gewachsen. Hildegard Brenner resü-
miert die Situation, deren Vergegenwärtigung für das Verständnis des Zeitpunkts der Ausstellung »Entartete
Kunst« unerläßlich ist:
Hitlers Bündnispolitik hatte das Ansehen Deutschlands gefestigt. Die ausländischen Gäste und Teilnehmer der olympi-
schen Spiele, als sie im August 1936 nach Berlin kamen, mußten einen denkbar positiven Eindruck vom nationalsoziali-
stischen Deutschland gewinnen. Die deutsche Wirtschaft hatte sich erholt, Aufträge aus öffentlicher Hand hatten das
Land in eine grandiose Baustelle verwandelt. Die Bevölkerung, da sie an der Gesundung teilhatte, verhielt sich in ihrer
großen Mehrheit loyal. [...] Die nationalsozialistische Führung beteuerte ihre Friedensabsichten. Hinter der Kulisse dieser
gelungenen Schaustellung aber wurde der Krieg bereits vorbereitet. Die Aufrüstung war inzwischen so weit gediehen, daß
die nationalsozialistische Führung »zur Anwendung von Gewalt unter Risiko« entschlossen war. Auf dem Reichsparteitag
im September 1936 verkündete Hitler den zweiten Vierjahresplan. Er faßte die wirtschaftlichen Kriegsvorbereitungen
zusammen. Unter diesem Vorzeichen verlief die innenpolitische Stabilisationsphase der Jahre 1936 bis 1939.1
In der Denkschrift zum Vierjahresplan vom August 1936 schrieb Hitler: »Ich stelle damit folgende Aufgabe: I.
Die deutsche Armee muß in 4 Jahren einsatzfähig sein. II. Die deutsche Wirtschaft muß in 4 Jahren kriegsfähig
sein«2 3. Den wahren Zeitplan offenbart hingegen Goebbels am 15. November 1936 in seinem Tagebuch:
Nach Tisch spreche ich mich mit dem Führer allein gründlich aus. Er ist sehr zufrieden mit der Situation. Die Aufrü-
stung geht weiter. Wir stecken märchenhafte Summen hinein. 1938 sind wir ganz fertig. Die Auseinandersetzung mit
dem Bolschewismus kommt. Dann wollen wir parat sein.3
1937 galt es für die Machthaber, »Rechenschaft« über die ersten vier Jahre nationalsozialistischer Herrschaft abzu-
legen. Denn am 1. Februar 1933, um 22.00 Uhr, hatte Hitler in seiner ersten Proklamation als deutscher Regie-
1 Hildegard Brenner 1963, S. io6f. Hitlers Rede zur Eröffnung des achten Reichsparteitages der NSDAP in Nürnberg am 9. Sep-
tember 1936 ist auszugsweise abgedruckt bei Kühnl 1980, S. z88f.
2 Zitiert nach Kühnl 1980, S. 287h
3 Zitiert nach Fröhlich 1987a, Teil 1, Bd. 2, S. 726.
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