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dreißiger Jahren als provisorische Ergänzung zur Neuen Staatsgalerie zeitgenössische Kunst sowie - nach dem
Brand des Glaspalastes 1931 - die jährliche Verkaufsschau der Münchner Künstlervereinigungen.1? In der zwei-
ten Hälfte der dreißiger und Anfang der vierzigerJahre fanden in dem Gebäude außer der Ausstellung »Der Bol-
schewismus« (1936) auch »Der ewige Jude« (1937/38, vgl. Kapitel 7.2) und »Deutschlands Größe« (1940) statt,
wobei das Deutsche Museum nicht in die Vorbereitungen involviert war, sondern nur die Räumlichkeiten ver-
mietete.19 20
Das von Max Eschle entworfene Plakat (Abb. 120)21 zur »Großen antibolschewistischen Schau« zeigt eine riesige
Skeletthand mit Fackel, die im Begriff ist, eine christliche Kirche in Brand zu setzten - Symbol der vom »Bol-
schewismus« ausgehenden »Weltbedrohung«:
Das Plakat zur Ausstellung »Der Bolschewismus«, die 1936-1938 in verschiedenen Städten gezeigt wurde, kombinierte die
Elemente reaktionärer Revolutionsdarstellung: Die Umwälzung bestehender Verhältnisse bedeutet Tod und Chaos, sie
wird von fremden Brandstiftern und Rädelsführern in Gang gesetzt, die all das zerstören, was dem Volk heilig ist.22 23 24 25
Wie zu zeigen sein wird, wies die Wanderausstellung »Der Bolschewismus - Große antibolschewistische Schau«
in ihrer ideologischen Programmatik, propagandistischen Zielsetzung, Inszenierung und organisatorischen
Abwicklung deutliche Parallelen zur »Entarteten Kunst« auf. Im Ausstellungsführer heißt es:
Das in 12 Sälen [Abb. i22-i26]23 gezeigte Dokumenten- und Bildmaterial stammt aus den Archiven der »Antikomin-
tem«, dem Hauptarchiv der NSDAP sowie aus der Sammlung Rehse. Der italienische Teil entstammt der Revolutionsaus-
stellung in Rom. Das ungarische Material wurde von der dortigen Regierung zur Verfügung gestellt. Im Filmtheater
neben dem Buchraum zeigt die Gaufilmstelle München-Oberbayem den Ufa-Film »Weltfeind Nr. 1«. Im Buchraum hat
der Zentralverlag der NSDAP seinen Kampf gegen den Bolschewismus in Buch und Zeitschriften dargestellt. Außerdem
zeigt der Nibelungen-Verlag seine umfangreiche antibolschewistische Literatur. Die Bilder des »neuen Deutschen Men-
schen« im letzten Saal schuf eine Arbeitsgemeinschaft Münchener Künstler. Als eine Leistung, die der Nationalsozialisti-
sche Staat dem Chaos des Bolschewismus gegenüberstellt, zeigt die NS-Volkswohlfahrt in zwei besonderen Räumen ihre
bisherigen Taten im Gau München-Oberbayem. Die Schau wurde geschaffen von der Gauleitung München-Oberbayem
der NSDAP und der Landesstelle München-Oberbayern des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda
zusammen mit der »Antikomintern«.24
Die unter Mitwirkung späterer Knegsverbündeter Deutschlands zustandegekommene Ausstellung muß auf den
Besucher wie em regelrechtes Gruselkabinett gewirkt haben. Zunächst gelangte er in einen weihevoll-feierlich
inszenierten Ehrenraum (Abb. 122), in welchem der im »Kampf gegen den Weltkommunismus« gefallenen
»Kameraden«, der »Märtyrer« der »Bewegung«, gedacht wurde.2} In den anschließenden Sälen (Abb. 123-125)
wurden die »Greueltaten« des »Bolschewismus« im In- und Ausland dargestellt, einmontiert sind Abbildungen
von Emst Thälmann und Rosa Luxemburg. Dazu hatte man em dynamisches, multimediales Präsentationskon-
zept entwickelt, welches mit Unkosten in Höhe von 130.000 RM auch finanziell sehr aufwendig war.26 Großpho-
19 Vgl. Lott 1987, S. 290, Abb. 2 und S. 298, Anm. 6.
20 Akten sind nicht mehr vorhanden, weil sie stets nur zehn Jahre lang aufbewahrt werden (freundliche Auskunft des Deutschen
Museums in einem Brief an den Verfasser vom 21. Juni 1990).
21 Je em Exemplar des Plakats befindet sich im BayHSTA (Inv.-Nr. 14482) und im Münchner Stadtmuseum (Inv.-Nr. C 14/56; vgl.
Duvigneau/Suckale-Redlefsen 1975, S. 230, Nr. 697 mit Abb. 181 auf S. 162 sowie Haerendel/Ott 1993, S. 387h mit Kat. 22.3).
Zu Max Eschle (geb. 1890) vgl. Vollmer, Bd. 2, S. 54 und Duvigneau/Suckale-Redlefsen 1975, S. 240.
22 Diederich/Grübling 1974, S. 210; vgl. auch ebenda, S. 209, Abb. 238 und Schäfer 1981, S. 145 mit Abb. 47.
23 Vgl. auch die Raumaufnahme bei Diederich/Grübling 1979, S. 134, Abb. 19.
24 BA ZSg. 1-157/4 (10). Em Herausgeber- oder Autorenname der unpaginierten 32seitigen Broschüre, der die Abb. 121-126 ent-
nommen sind, ist nicht angegeben, als Verfasser der kurzen Begleittexte zu den Aufnahmen zeichnen »W.« und »B.-L.«. Zitiert ist
hier der komplette Text des hinteren Umschlags.
25 Zur Tradition der »Ehrenhallen«, fester Bestandteil von NS-Propagandaschauen, in Ausstellungen vor 1933 vgl. Pohlmann 1988,
S. 30, Anm. 41.
26 Vgl. den Brief der Landesstelle München-Oberbayem des RMVP an die Stadtverwaltung Dortmund vom 14. Januar 1937 im StA
Dortmund 113-29/195 1-75, Bl. 187.

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