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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 8.1901

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Koch, Alexander: Eine kunstgewerbliche Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.6597#0144

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Alexander Koch—Darmstadf.

441

Eine kunffgewerbliche Akademie,


[achdem jetzt das Kunstgewerbe
wieder die Stellung zurück-
erobert hat, die ihm im Leben
der Nation gebührt und sich
mehr und mehr darin befestigt,
so tritt immer gebieterischer die Frage heran,
auf welche Weise für diesen grossen Zweig
nationalen Schaffens eine Zentrale errichtet
werden könnte, von der aus, ähnlich wie es
durch die Akademie der Wissenschaften für
andere Gebiete geistigen Lebens geschieht, die
Entwickelung der »angewandten Künste« in
grossem Massstabe gefördert werden könnte
und die dann endlich auch eine würdige
Repräsentation derselben darstellen würde.
Vielleicht gibt das 50jährige Jubiläum des
Bayer. Kunstgewerbe-Vereins, das ja die
meisten hervorragenden Vertreter des Faches
vereinigen wird, Gelegenheit, diese hoch-
wichtige Zeit-Frage zu erörtern und ihrer
Lösung näher zu bringen. Uns will es
wenigstens so scheinen, als ob die Verhält-
nisse eine derartige Institution dringend
wünschenswert machten und wir wollen es
daher nicht unterlassen, in Verfolgung unseres
Reform-Programmes auch in dieser Hinsicht
einige erste Anregungen zu geben, nicht
zweifelnd, dass diese von Seiten der mass-
gebenden Persönlichkeiten und Körperschaften
bei zweckmässiger Ausgestaltung und Weiter-
bildung in nicht allzu ferner Zeit einem greif-
baren Resultate zugeführt werden dürfte.
So hohen Wert man auch auf die
staatliche Unterstützung des künstlerischen
Gewerbes legen muss, so viel Gutes auch
von einzelnen Regierungen, wie z. B. der
hessischen, badischen, württembergischen,
sächsischen und z. T. der bayerischen geschieht,
um ein im Geist der Zeit schaffendes Kunst-
Gewerbe zu pflegen und ihm einen tüchtigen
Nachwuchs zu sichern, so würde man sich
dennoch unter der neu zu errichtenden
Akademie ebensowenig eine »Behörde«, als
ein Kollegium von Professoren und Theore-
tikern zu denken haben. Aus dem Kreise
der schaffenden Künstler sollte die Institution
hervorwachsen und sich durch Wahl und

Kooptation ergänzen. In ihr sollten sich die
richtunggebenden Künstler zusammenfinden
mit angesehenen Vertretern der Industrie,
des Handwerkes und der Litteratm. Dieser
Körperschaft könnten dann ähnliche Rechte
übertragen werden wie den wissenschaftlichen
Akademien, sei es nun, dass sie bei besonderen
Anlässen alsoberste Vertretung einer geistigen
Berufs-Gruppe auftritt, sei es durch Erwirkung
von Subventionen aus öffentlichen Mitteln
für Studien, Ausstellungen, grosse Werke,
sei es durch Verleihung von Auszeichnungen
und Ernennung von korrespondierenden Mit-
gliedern, wobei auf nichts anderes Rücksicht
genommen würde als auf die Leistung, sei
sie künstlerischer, oder mehr technischer
Natur, überhaupt für hervorragende Verdienste
auf kunstgewerblichem Gebiete. Man wird
nicht bestreiten können, dass in dieser Hinsicht
noch so ziemlich alles zu thun ist. Wenn
auch hervorragende Künstler die Aussicht
haben, gelegentlich den Professor-Titel, eine
Medaille oder einen Orden zu erhalten, so
ist das doch allzusehr von Zufälligkeiten ab-
hängig, und für die Industrie und das Hand-
werk fällt selten mehr ab als ein Paar
Diplome. Ausserdem haben solche Ver-
leihungen naturgemäss nicht den hohen
innerlichen Wert, den man einer von der
obersten Fach-Vertretung zuerkannten Aus-
zeichnung beilegen muss, die nur nach
Leistungen entscheiden kann und darf. All-
gemein ist die Klage, dass das wirklich
Gute und Neue sich in weiteren Kreisen
nicht oder doch nur schwer einführt. Allein:
was geschieht denn, um das gebildete
Publikum von dem besonderen Werte einer
Neu-Schöpfung zu überzeugen? Man über-
lässt das der Kritik der Zeitschriften und
Zeitungen. Wenn nur auch alle Blätter über
Kritiker verfügten, welche thatsächlich ein
sicheres, auf verlässige Kennerschaft ge-
gründetes Urteil abgeben könnten! Dem
ist aber leider nicht so, und wenn auch
einzelne berufene Kritiker zur Förderung der
neuen Bewegung Ausserordentliches bei-
getragen haben, so müssen sich doch die
 
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