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Der Herzog kommt!

gleich er hin und wieder einen klemm Hirkus machte, so rr-
! klärte sie sich doch schließlich, um ihn nicht muthlos zu machen,
' völlig zufrieden und prophezeite ihm den vollen Beifall des
Herzogs.

Fünf Minuten nach 9 Uhr sah man dieselben Botm im
Sturmschritt zu Meister Sebach lausen. Sie kamen auch jetzt
wieder unverrichteter Sache zurück, mit der Botschaft: in einer
klemm halben Stunde würden die Westen fertig sein; das
Bügeleisen stacke schon im Feuer.

Herr Buchholz, der schon seit 8 Uhr in seiner kurzen
schwarzen Kniehose und in Schnallenschuhen steckte, lies vor
Angst und Ungeduld über diese Saumseligkeit des Schneiders
im ganzen Hause umher, guckte bald oben aus dem Fenster,
ob der verfluchte Bciderscheng . . Schncidcrbengel immer noch
! nicht komme, bald donnerwctterte er unten in der Ladmstube
auf die ganze löbliche Schneiderinnung und wünschte sie hin
wo der Pfeffer wächst. Auch in des „lüttgen Smidt" Hause
war ähnliche Sorge über das lange Ausbleiben dieses doch
ganz unentbehrlichen Garderobe-Artikels, und kaum hatte es
auf der Rathhausglockc 10 Uhr ausgeschlagen, so sprangen
auch die verschiedenen Boten von neuem zum Meister Sebach
mit dem gemessenen Befehl, nicht eher wieder zu kommen, als
bis sie die Weste mitbrächten. Meister Sebach 'wollte fie zwar,
um sie aus der engen Stube nur loö zu werden, wiederum
mit dem Versprechen heimsenden, in spätestens 5 bis 10 Mi-
nuten sollten die Westen da sein: aber sie wichen und wankten
diesmal nicht von der Stelle und sobald eine Weste gebügelt
war, ergriff sie der wartende Bote und sprang damit in aller-
größter Eile zu seinem Herrn. Darüber war es aber fast 11
Uhr geworden. Herr Buchholz sowohl wie Frau Pettonia
hätten bersten mögen vor Ungeduld. Denn wenn der Herzog,
wie er die Absicht hatte, wirklich um 8 Uhr von Braunschwcig
ausgefahre» war, konnte er zwischen 11 und 12 Uhr hier er-
wartet werden. Also brannte das Feuer auf den Nägeln und
Herr Buchholz erklärte kurz vor dem Eintteffen des Boten,
wenn die Weste nicht komme, hätte er den ttifttgstcn Grund,
auch nicht zu gehen, und er wüßte selbst nicht, waS er wünschen
sollte. Aber fie kam, die sehnlichst erwartete, weiß wie ein
frisch gefallener Schnee und lachte nur so in die Augen. So-
fort, es war ja keine Zeit mehr zu verlieren, ward sic ange-
legt. Aber wer beschreibt den Aerger des Herrn Buchholz und
den Schrecken seiner Pettonia, die infame Weste war viel,
viel zu klein, um ein Jahrhundert zu eng und zu kurz; ja!
eS ist gewißlich wahr, nur mit der größten Anstrengung konnte
Herr Buchholz seine feisten Arme durch die Armlöcher zwängen,
aber an ein Zuknöpfen war nicht zu denken, ja sie reichte
nicht halb vorn über der Brust zusammen und nach unten ging
sie nicht einmal so weit hinunter, um nur die Hosenttäger zu
bedecken. Das war doch ein schändlicher Pfuscherstrcich von dem
Schneider. „Nein, so etwas ist unerhört, rein unerhört!"
schmälte Herr Buchholz mit vor Aerger und Wehmuth ganz
weinerlichen Stimmen „Wie kann ich mich so der Durchlaucht
präsentircn? Sicht's nich aus, als ob ich meinem jüngsten
Bengel, der vorige Ostern zu Boffen nach Sepia gekommen,

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seine Weste abgeborgt Hätte! Aber ich will selbst hingehen;
er soll es selbst sehen, der stinkende Sohn eines Ziegenbocks,
der!" rief er in höchster Aufregung aus und eilte mit dem
Frack darüber spornreichs zu Meister Sebach in's Haus.

Aber in des „lüttgen Smidt" Hause war inzwischen nicht
minderes Acrgerniß und nicht mindere peinliche Verlegenheit.
Der Bote hatte zwar nach langem, unendlich langem Warten
die sehnlichst erwartete Weste heimgcbracht; aber welch' sonder-
bares neckisches Spiel des Zufalls oder vielmehr welch' tiefe,
innere Sympathie der Seelen zwischen Herrn Buchholz und
Herrn Schmidt! Die Weste war viel, ach viel zu weit und
um ein Jahrhundert zu lang. Der. „lüttgc Smidt" konnte
sich im eigentlichsten Sinne des Wortes zwei Mal drein ein-
wickeln, und nach unten hing sie gerade herab wie ein —
Sackpaletot. „Schmidt!" rief seine Frau entsetzt und ihren
Augen kaum ttaucnd aus, „Mann, um Gotlcswillen wo bist
Du? man sieht Dich ja vor der Weste gar nicht. Der Herzog
muß ja denken. Du hast ein Fraucnhemd über die Hose und
unter den Frack gezogen oder eine weiße Blouse!" „Ja, cs
ist schändlich! sündlich von dem Schneider!" stimmte ihr der
„lüttge Smidt" bei, „aber ich will gleich selbst damit zu ihm
gehen, dem Lausekerl; es ist wahrhaftig keine Zeit zu ver-
säumen."

Er machte sich eilfertig davon und ttaf unterwegs mit
Herrn Buchholz zusammen. „Sehen Cie nur, Herr College!"
rief er ihm schon von Ferne, die überlange Weste zeigend,
zu, „ist so was unter Christen und bei solcher Gelegenheit
erhört?" „Ja Bester!" rief Herr Buchholz und zeigte ihm
die scinige, „sehen Sie aber erst hierher! Ich bin auf dem
Wege, ihm die ganze Weste, wie sie ist, vor die Füße zu
werfen!" „Und ich an den Kopf, so wahr ich Schmidt
heiße," eiferte dieser. Beide gingen sich noch gegensettig er-
hitzend in aller Eile, denn schon strömte das Volk in Schaaren
der Ankunft des Herzogs gewärtig, der hintern Pforte zu,
weiter und drangen zornglühend in die Werkstätte des noch
Bildbeschreibung

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Titel/Objekt
"Der Herzog kommt!"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Weste
Karikatur
Kleidung <Motiv>
Passform
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 22.1855, Nr. 521, S. 131

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