f
76 Ein verfehltes Gemälde.
„Ja, Abschied für das Leben. — Ich weiß gar nicht,
ob er noch hier ist."
Sie stand rasch auf und ging in ihr Schlafstübchen.
Die Mutter erzählte dieses Gespräch seufzend ihrem Manne.
„Es ist unser einziges Kind", fügte sie mahnend hinzu.
Er blickte sie finster an und verließ das Zimmer.
Gegen Abend trat er in den Saal des Schlosses, in dem
der Maler arbeitete. Dieser schaute einen Augenblick nach dem
Eintreteudcn hin und erwiderte seinen Gruß, dann fuhr er in
seiner Thätigkeit fort. Der Metzger konnte bemerken, daß das
Gesicht desselben ebenso bleich wie das seiner Tochter war.
„Wie geht es Ihnen?" fragte er.
„So ziemlich."
„Sind Sie wieder gänzlich hergestellt?"
„Ja."
„Es thut mir leid, daß ich damals an dem Vorfälle
schuld war."
Kreiling antwortete nichts. Der Fleischer trat näher zu
ihni heran.
„Führt Sie Ihr Weg noch manchmal durch die Schloßgasse?"
„Nein, niemals mehr. Ich mache lieber einen Umweg."
„So, so. Warum denn?"
„Der Maler legte seinen Pinsel weg, weil seine Hand
ein wenig zitterte.
„Ich darf Röschen nicht mehr sehen."
„Gar nicht mehr sehen?"
„Wir haben Abschied von einander genommen."
Er beugte sich tief zu seinen Farbentöpfcn hinab und fuhr
dabei mit der Hand nach den Augen.
„Weßhalb habt Ihr denn Abschied von einander ge-
nommen?" fragte jener.
Kreiling richtete sich auf und sah ihn stolz an. „Ich
dächte, das könnte Ihnen klar sein. Wenn ich eine solche Be-
handlung von dem Vater erfahren habe, halte ich mich von
Allem fern, was zu ihm gehört. Ich will nicht ein zweites
Mal beschimpft werden."
„Hm!" meinte der Metzger und legte ihm die Hand auf
die Schulter. „Auf die Gefahr hin können Sie's schon riskiren.
Es wird nicht mehr geschehen; nur in meinen Laden verirren
Sie sich nicht wieder!"
„Sie können sicher sein, daß ich ihn nicht wieder betrete.
Ich reise übrigens morgen ab."
„So, Sie reisen ab?"
„Ja, ich habe für einen Ersatzmann gesorgt, der morgen
eintrifft. Ich mag nicht mehr hier bleiben."
Der Metzgermeister wurde sehr nachdenklich.
„Sie sollten's nicht so eilig mit der Abreise haben," sagte
er nach einer Weile.
„Ich halte es hier nicht aus."
„Wenn Sie nun — nun, ich meine, es ließe sich schon
einrichtcn; Röschen hängt einmal mit ihrem Herzen daran."
„Ich auch," versicherte der Maler mit Thräncn in den
Augen. „Aber es geht nun einmal nicht mehr."
„Dummes Zeug!" — Der Metzger lachte in seiner gut-
müthigen Weise. — „Ziehen Sie Ihren Rock an! Ich habe
es satt mit Euch Beiden; macht, was Ihr wollt, ich geb' Euch
Geld, daß Ihr etwas hier anfangen könnt. Es ist meine einzige
Tochter und ich mag sie nicht von hier fortlassen; wie wüc's,
wenn Sie ein Tünchergeschäft anfingen?"
„Ich bin kein Tüncher."
„Nun, meinetwegen auch ein Zimmermalergeschäft, wcnn's
etwas einbringt."
„Ich vermag mich schon zu ernähren."
„Na, ich bin ja auch immer da, und für hartherzig hat
mich noch Niemand gehalten."
Sie schlossen Friede mit einander. Eine halbe Stunde
später lehnte Röschen ihr Haupt an die Brust ihres Geliebten;
er strich ihr die goldenen Haare von der Stirne und ihre Augen
schauten nicht mehr müde in den Tag hinein.
„Was wir Alles lvegcn der garstigen Kuh gelitten haben,"
sagte sie.
„Na, Kind," erwiderte der Metzger und reichte seinem
Schlviegersohne die Hand, „dem Einen gefällt eben der Ochs,
dem Andern die Kuh. Es muß Alles im Leben sich ausgleichen
und Einer nach dem Geschmack des Andern sich richten, wenn's
gut gehen soll; das werdet Ihr auch noch miteinander erfahren.
Mir fehlt nun einmal für Bilder der richtige Sinn und ein
Maler gäbe niemals einen guten Fleischer."
Abweisung.
Hausherr- „Du Tropf Du, hast wieder die Hausthür
aufgelassen! — Steht nicht da: Jedermann wird höflichst
ersucht, die Thüre zuzumachen?" — Lehrbub: „Das geht
mich nix an, — ich bin kein Mann, ich bin ein Lehrbub,
und ein Lehrbub lvird nie höflichst ersucht."
76 Ein verfehltes Gemälde.
„Ja, Abschied für das Leben. — Ich weiß gar nicht,
ob er noch hier ist."
Sie stand rasch auf und ging in ihr Schlafstübchen.
Die Mutter erzählte dieses Gespräch seufzend ihrem Manne.
„Es ist unser einziges Kind", fügte sie mahnend hinzu.
Er blickte sie finster an und verließ das Zimmer.
Gegen Abend trat er in den Saal des Schlosses, in dem
der Maler arbeitete. Dieser schaute einen Augenblick nach dem
Eintreteudcn hin und erwiderte seinen Gruß, dann fuhr er in
seiner Thätigkeit fort. Der Metzger konnte bemerken, daß das
Gesicht desselben ebenso bleich wie das seiner Tochter war.
„Wie geht es Ihnen?" fragte er.
„So ziemlich."
„Sind Sie wieder gänzlich hergestellt?"
„Ja."
„Es thut mir leid, daß ich damals an dem Vorfälle
schuld war."
Kreiling antwortete nichts. Der Fleischer trat näher zu
ihni heran.
„Führt Sie Ihr Weg noch manchmal durch die Schloßgasse?"
„Nein, niemals mehr. Ich mache lieber einen Umweg."
„So, so. Warum denn?"
„Der Maler legte seinen Pinsel weg, weil seine Hand
ein wenig zitterte.
„Ich darf Röschen nicht mehr sehen."
„Gar nicht mehr sehen?"
„Wir haben Abschied von einander genommen."
Er beugte sich tief zu seinen Farbentöpfcn hinab und fuhr
dabei mit der Hand nach den Augen.
„Weßhalb habt Ihr denn Abschied von einander ge-
nommen?" fragte jener.
Kreiling richtete sich auf und sah ihn stolz an. „Ich
dächte, das könnte Ihnen klar sein. Wenn ich eine solche Be-
handlung von dem Vater erfahren habe, halte ich mich von
Allem fern, was zu ihm gehört. Ich will nicht ein zweites
Mal beschimpft werden."
„Hm!" meinte der Metzger und legte ihm die Hand auf
die Schulter. „Auf die Gefahr hin können Sie's schon riskiren.
Es wird nicht mehr geschehen; nur in meinen Laden verirren
Sie sich nicht wieder!"
„Sie können sicher sein, daß ich ihn nicht wieder betrete.
Ich reise übrigens morgen ab."
„So, Sie reisen ab?"
„Ja, ich habe für einen Ersatzmann gesorgt, der morgen
eintrifft. Ich mag nicht mehr hier bleiben."
Der Metzgermeister wurde sehr nachdenklich.
„Sie sollten's nicht so eilig mit der Abreise haben," sagte
er nach einer Weile.
„Ich halte es hier nicht aus."
„Wenn Sie nun — nun, ich meine, es ließe sich schon
einrichtcn; Röschen hängt einmal mit ihrem Herzen daran."
„Ich auch," versicherte der Maler mit Thräncn in den
Augen. „Aber es geht nun einmal nicht mehr."
„Dummes Zeug!" — Der Metzger lachte in seiner gut-
müthigen Weise. — „Ziehen Sie Ihren Rock an! Ich habe
es satt mit Euch Beiden; macht, was Ihr wollt, ich geb' Euch
Geld, daß Ihr etwas hier anfangen könnt. Es ist meine einzige
Tochter und ich mag sie nicht von hier fortlassen; wie wüc's,
wenn Sie ein Tünchergeschäft anfingen?"
„Ich bin kein Tüncher."
„Nun, meinetwegen auch ein Zimmermalergeschäft, wcnn's
etwas einbringt."
„Ich vermag mich schon zu ernähren."
„Na, ich bin ja auch immer da, und für hartherzig hat
mich noch Niemand gehalten."
Sie schlossen Friede mit einander. Eine halbe Stunde
später lehnte Röschen ihr Haupt an die Brust ihres Geliebten;
er strich ihr die goldenen Haare von der Stirne und ihre Augen
schauten nicht mehr müde in den Tag hinein.
„Was wir Alles lvegcn der garstigen Kuh gelitten haben,"
sagte sie.
„Na, Kind," erwiderte der Metzger und reichte seinem
Schlviegersohne die Hand, „dem Einen gefällt eben der Ochs,
dem Andern die Kuh. Es muß Alles im Leben sich ausgleichen
und Einer nach dem Geschmack des Andern sich richten, wenn's
gut gehen soll; das werdet Ihr auch noch miteinander erfahren.
Mir fehlt nun einmal für Bilder der richtige Sinn und ein
Maler gäbe niemals einen guten Fleischer."
Abweisung.
Hausherr- „Du Tropf Du, hast wieder die Hausthür
aufgelassen! — Steht nicht da: Jedermann wird höflichst
ersucht, die Thüre zuzumachen?" — Lehrbub: „Das geht
mich nix an, — ich bin kein Mann, ich bin ein Lehrbub,
und ein Lehrbub lvird nie höflichst ersucht."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Abweisung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 60.1874, Nr. 1494, S. 76
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg