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3u Polos, dcm Sophist aus Agrigcut,
Kam einst ein Jüngling, reicher Eltern Sproß,
Und sprach: „O guter Meister, lehr' mich reden!"
D'rnuf der Sophist: „Was, Knabe, wird mein Lohn,
Wenn ich dich lehr', die Sprache so gebrauchen.
Daß heut dem Volk du klar machst, dies sei weiß,
Dagegen morgen, daß dasselbe schwarz sei?"
Der Jüngling sprach: „Die Hälfte meines Dankes
Erhältst du heute gleich von mir bezahlt;
Doch daß du dir auch wirklich Mühe giebst,
^ich in der Redekunst zu unterweisen.
Halt' ich and're Hälfte noch zurück.
Die du erhältst, wenn vor Gerichte ich
Als Sieger aus dem ersten Streite gehe."
Dies paßte dem Sophist, der alsobald
begann den Jüngling tüchtig auszubildcn.
Rach dem Verlause von dreivicrtel fahren
Sprach Polos: „Gehe jetzt, mein junger Freund;
Benütz' die Lehren, die ich dir gegeben
Unb sichre baldigst siegreich den Prozeß,
Rach welchem ich, wie du wohl noch wirst wissen,
Die andre Hälfte meines Lohns erhalte.
Der Jüngling dankte dcm Sophist und ging.
Der aber wartet ängstlich Tag für Tag,
Sb nicht sein Schüler vor Gericht erscheine-
Zum Vorthcil ihm, und sich zum Ruhme siege.
Doch dieser weigerte beharrlich sich,
Der Redekunst sich also zu bedienen.
Rls nun ein volles Jahr vergangen war,
llnd der Sophist noch nicht sein Geld erhalten.
So klagt er endlich des Betruges au
Den Jüngling, der nun vor Gericht erscheint.
sein Schüler.
„Ei!", sagte Polos, „glaubst du denn, ich wäre
Auf deinen Vorschlag ruhig eingegangcn,
Wen» ich nicht wüßt', daß du in jedem Falle,
Mir das rückständ'ge Geld bezahlen mußt.
Denn sieh! erklärt der Richter zwischen uns,
Daß du geuöthigt wärst, dich still zu fügen.
So Hab' ich glücklich meinen Zweck erreicht.
Doch wenn der Richter dich gewinnen läßt,
So ist ja wörtlich unser Pact erfüllt,
Daß ich das Geld bekommen sollte, wenn du
Als Sieger aus dcm ersten Streite gingst."
So glaubte er den Jüngling überwunden,
Doch der erwidert jenem, höhnisch lächelnd:
„Es sollte leid um jenes Geld mir sein,
Das ich zu Anfang dir bereits gegeben.
Wenn ich bei dir nicht soviel hält' gelernt,
Ans solcher Schlinge mich heraus zu finden!
Denn sieh! erklärt der Richter zwischen uns,
Daß du genöthigt wärst, dich still zu fügen,
So Hab' ich glücklich meinen Zweck erreicht.
Doch wenn der Richter dich gewinnen läßt,
So ist ja wörtlich unser Pact erfüllt.
Daß du kein Geld bekommen solltest, wenn ich
Nicht siegreich aus dcm ersten Streite ging."
Wer, liebe Leser, ist von Euch genug
Sophist, den Fehler gleich herausznfindcn?
Wer kann hier ein gerechtes Urtheil fällen.
Das Polos und der Jüngling anerkennt? M. uicm».
3u Polos, dcm Sophist aus Agrigcut,
Kam einst ein Jüngling, reicher Eltern Sproß,
Und sprach: „O guter Meister, lehr' mich reden!"
D'rnuf der Sophist: „Was, Knabe, wird mein Lohn,
Wenn ich dich lehr', die Sprache so gebrauchen.
Daß heut dem Volk du klar machst, dies sei weiß,
Dagegen morgen, daß dasselbe schwarz sei?"
Der Jüngling sprach: „Die Hälfte meines Dankes
Erhältst du heute gleich von mir bezahlt;
Doch daß du dir auch wirklich Mühe giebst,
^ich in der Redekunst zu unterweisen.
Halt' ich and're Hälfte noch zurück.
Die du erhältst, wenn vor Gerichte ich
Als Sieger aus dem ersten Streite gehe."
Dies paßte dem Sophist, der alsobald
begann den Jüngling tüchtig auszubildcn.
Rach dem Verlause von dreivicrtel fahren
Sprach Polos: „Gehe jetzt, mein junger Freund;
Benütz' die Lehren, die ich dir gegeben
Unb sichre baldigst siegreich den Prozeß,
Rach welchem ich, wie du wohl noch wirst wissen,
Die andre Hälfte meines Lohns erhalte.
Der Jüngling dankte dcm Sophist und ging.
Der aber wartet ängstlich Tag für Tag,
Sb nicht sein Schüler vor Gericht erscheine-
Zum Vorthcil ihm, und sich zum Ruhme siege.
Doch dieser weigerte beharrlich sich,
Der Redekunst sich also zu bedienen.
Rls nun ein volles Jahr vergangen war,
llnd der Sophist noch nicht sein Geld erhalten.
So klagt er endlich des Betruges au
Den Jüngling, der nun vor Gericht erscheint.
sein Schüler.
„Ei!", sagte Polos, „glaubst du denn, ich wäre
Auf deinen Vorschlag ruhig eingegangcn,
Wen» ich nicht wüßt', daß du in jedem Falle,
Mir das rückständ'ge Geld bezahlen mußt.
Denn sieh! erklärt der Richter zwischen uns,
Daß du geuöthigt wärst, dich still zu fügen.
So Hab' ich glücklich meinen Zweck erreicht.
Doch wenn der Richter dich gewinnen läßt,
So ist ja wörtlich unser Pact erfüllt,
Daß ich das Geld bekommen sollte, wenn du
Als Sieger aus dcm ersten Streite gingst."
So glaubte er den Jüngling überwunden,
Doch der erwidert jenem, höhnisch lächelnd:
„Es sollte leid um jenes Geld mir sein,
Das ich zu Anfang dir bereits gegeben.
Wenn ich bei dir nicht soviel hält' gelernt,
Ans solcher Schlinge mich heraus zu finden!
Denn sieh! erklärt der Richter zwischen uns,
Daß du genöthigt wärst, dich still zu fügen,
So Hab' ich glücklich meinen Zweck erreicht.
Doch wenn der Richter dich gewinnen läßt,
So ist ja wörtlich unser Pact erfüllt.
Daß du kein Geld bekommen solltest, wenn ich
Nicht siegreich aus dcm ersten Streite ging."
Wer, liebe Leser, ist von Euch genug
Sophist, den Fehler gleich herausznfindcn?
Wer kann hier ein gerechtes Urtheil fällen.
Das Polos und der Jüngling anerkennt? M. uicm».
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Sophist und sein Schüler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 60.1874, Nr. 1501, S. 135
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg