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Hero und Leander.

Von Iah. uan Dewall.

General von Thullenhofen, der Kommandant der Festung
Theresienstadt, gab heute den Offizieren seiner Garnison das
übliche große Diner, wie er dies offiziell alle Jahre zu thun
pflegte. Der General war ein alter hochverdienter Soldat, welcher,
von seinen Jünglingsjahren an, die harte Schule des Kriegers
durchgemacht und in mancher Schlacht geblutet hatte. — Er
war ein Mann, streng im Dienst, am strengsten gegen sich selbst,
aber mit einem humanen und für alles Edle offenen und em-
pfänglichen Herzen.

Nur in einer Richtung nahm es der General sehr genau.
— Alles nämlich, was Wachtvergehen hieß, war ihm geradezu
ein Gräuel und deßhalb zitterten auch Alle vor dem Comman-
danten, vom Offizier äu jour bis zu dcni letzten Schnnrrposten
herab; — noch verhaßter aber als Wachtvergehen, war den:
General das Ausbleiben der Leute über Urlaub. — Wehe dem,
der sich beim Schoppen im Wirthshause, oder beim Liebchen
drüben in der Stadt verspätet hatte und nach dem Zapfenstreich
in den Straßen von der Patrouille aufgcfischt wurde, da setzte
es allemal ohne Gnade Arrest, und ein Dutzend mindestens aus
dem ff noch obendrein, denn damals gab's noch Hiebe und
jeder Korporal hatte sein Haselstöckcl.

Ordnung und Pünktlichkeit, — das war die Parole des
Commandantcn. Es >var im November und draußen fiel der
erste Schnee in dichten lockeren Flocken. Vom Mittelgebirge
herüber, über den Geltsch und Mclleschaner her, wälzten sich
dunkle Wolkenbänke hervor wie Säcke, und drüber saß Frau Holle
und schüttelte ihre Betten, daß es nur so hernieder wirbelte auf
Stadt und Land. Hier drinnen aber, im wohldnrchheizten Saale
der Citadelle, saßen beim Scheine der Kronleuchter um die reich
gedeckte Tafel herum die Herren in ihren glänzenden Uniformen,
und während sie fröhlich bankettirten, schauten die Gesichter
österreichischer Kaiser und Feldhcrrn ernst und stattlich ans ihren
breiten geschnitzten Goldrahmen auf die zahlreiche Gesellschaft herab.

General von Thullenhofen liebte bei Tische eine leichte, nn- !
gezwungene Unterhaltung und nahm selbst einen guten derben
Scherz nicht übel, dagegen war ihm jedes Dienstgcsprüch beim
Weine geradezu verhaßt; dies wußten seine Gäste und sie respec-

tirten gern diese liebenswürdige Eigcnthümlichkeit des alten Herrn.
— Zur Rechten des Generals saß der Oberst und Regiments-
Commandeur Pflaum, Edler von Pflaumenbaum, ein kleines, eckiges
Männchen mit einer hellblonden Perücke und einem spärlichen
Bärtchen um die schmalen Lippen und Wangen, als wären die
Motten darin, unstätcn, hellblauen Aeuglein, und kein Loth Fleisch
auf dem ganzen Leibe. Eng cingeknöpft, wie zugenäht in seinem
weißen Uniformsrocke saß er steif auf seinem hochlehnigen Stuhle.

Neben der großen, martialischen Kriegergestalt und dem edlen
Gesichte des Commandanten sah Oberst Pflaum, Edler von
Pflaumenbanm, sehr unbedeutend, ja geradezu häßlich aus, um
so mehr, als ein stereotypes, sarkastisches Lächeln seine ohnehin
schon unschönen Züge beinahe entstellte.

An den Gesprächen über Kunst, Literatur, Musik ec. nahm
der Oberst ebensowenig Antheil, als an den Anekdoten und
witzigen Bemerkungen; — er liebte diese brodlosen Künste nicht,
hatte sich nie damit befaßt in seinem Leben und es war ihm
geradezu peinlich, einen k. k. Offizier über solche Allotria ein
Langes und Breites sprechen zu hören. Eine Mantelknopf-Nach-
weisung oder philosophische Betrachtungen über das Laden eines
Gewehres nach 32 Tempos, waren nach seiner Meinung weit
passendere und erquicklichere Gesprächsstoffe in Gegenwart eines
so hohen Vorgesetzten; — er war eben, lute man sagt, ein richtiger
Gamaschcnhengst. Geradezu aber als eine ihm persönlich an-
gethanc Beleidigung faßte er cs auf, daß Major von Meiringcr,
sein eigener Untergebener, während er, der Oberst, durch sein
Schweigen genugsam zu verstehen gab, daß eine solche leichtfertige
Unterhaltung ihm verhaßt sei, dennoch, ohne Notiz davon zu
nehmen, über die ganze Tafel fort ans das Angelegentlichste und
Ungenirteste mit dem Commandanten conversirte, und daß dieser
mit der größten Aufmerksamkeit — während er nur selten an
ihn selbst das Wort richtete — jenem Major zuzuhören schien.
Allerdings waren die Mitthcilungen desselben über die Bohr-
versuche im Mt. Cenis auch sehr interessant für jeden Anderen.

Major von Meiringer war überhaupt nicht sein Freund;
tüchtiger Offizier, liebenswürdiger und gewandter Gesellschafter,
war er genau das Gcgentheil des Obersten Pflaum, — dafür
hatte ihn dieser denn auch als „schwieriger Untergebener" heim-
lich in die Condnite gesetzt.

Als jetzt das Dessert kam, die edlen Weinsorten lebhafter
kreisten und das Gespräch immer belebter und ungezwungener
hin und her lief, da hielt Oberst Pflaum es nicht mehr mit
seiner Würde für vereinbar, fortgesetzt die Rolle eines stunimcn
Zuhörers zu spielen — diese vermeintliche Zurücksetzung litt er
nicht länger.

„Haben Euer Excellenz schon vernommen," Hub er plötzlich
an mit seiner spitzen, durchdringenden Stimme, sich direct an
den Commandanten wendend, „was da wiederum für eine böse
Geschichte beim 2. Bataillon meines Regimentes vorgekommcn
ist, trotz der bestimmtesten und wiederholten Rügen und Be-
strafungen seitens Eurer Excellenz und meiner Wenigkeit?" —
Dabei streifte den Major ein häßlicher Seitenblick.

Der General runzelte die Stirn ein wenig und sah de»
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Hero und Leander"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

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Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

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Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
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Fluss <Motiv>
Liebespaar <Motiv>
Leuchte
Rendezvous
Sprung <Motiv>
Nacht <Motiv>
Soldat
Anhöhe
Karikatur
Schwimmen
Junge Frau <Motiv>
Nacktheit <Motiv>
Rucksack
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Fliegende Blätter, 60.1874, Nr. 1505, S. 162

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