Fliegende Blätter (68.1878 (Nr. 1693-1718))

Herr

Spiele; allein derselbe entstieg nicht dem Pfuhl der Unterwelt,
sondern vielmehr der Bordeaux-Flasche, aus welcher Du, mein
Lieber, unserm musikalischen Freunde zu reichlich eingeschenkt
hast. Ich wette, Herr Cäsar ist in's unrichtige Zimmer ge-
ratheu, statt in das daneben liegende, welches siir ihn herge-
richtet wart"

Dieser einfache Aufschluß erschien als so glaubwürdig, daß
Alle, die junge Dame nicht ausgenommen, in ein herzliches j
.Gelächter ausbrachen. Die allgemeine Beruhigung der Gemüther
war wieder hergestellt, und es fragte sich nur noch, was unter
so bewandten Umständen weiter anzufangen sei. Auch hier wußte
die praktische Hausfrau Rath; da es schon spät geworden und
die Dienstmägde bereits zur Ruhe gegangen seien, möchte ihre
Verwandte für diese eine Nacht mit dem lcergeblicbcncn Zimmer
des Herrn Cäsar vorlieb nehmen. Am nächsten Morgen könne
sie sodann von ihrem bisherigen Zimmer wieder Besitz nehmen.
Das Fräulein sagte zum zweiten Male gute Nacht und begab
sich getrost wieder in das zweite Stockwerk hinauf.

Indessen war in diesem verwünschten zweiten Stockwerke
bereits ein ObanASinsut äs ässorution vorgegangen. Herr-
Cäsar nämlich war durch jenen Schreckensruf seiner Hcrzcns-
göttin und ihr eiliges Davonrennen wieder zur nüchternen Be-
sinnung gekommen und hatte gleichzeitig beim Schein ihres
Lichtes entdeckt, daß er sich in unrechtmäßigem Besitze be-
finde. Der dumme Streich mußte reparirt werden und zwar
so schnell als möglich. Der Vielgeprüfte sprang daher heroisch
ans dem Bette, raffte die Kleider auf dem Stuhl zu einem
Bündel zusammen, nahm die Pantoffeln in die Hand und
schlich barfuß sehr leise . durch die Dunkelheit in Nummer
Nebenan, wo er sich durch Hcrnmtastcn an bekannten Gegen-
ständen überzeugte, daß er nun wirklich am rechten Orte an-
gekommen sei. Er versenkte sich abermals in die Kissen; allein
der Schlaf Ivollte dennoch nicht kommen.

Cäsar. 123

Ein grausamer Zweifel, ob nun nicht alle Gunst verscherzt
sei, nagte mit Ratteuzähnen an seiner Brust. Er arbeitete
an mancherlei Projecten auf morgen, wie er sich entschuldige!:
und >vie benehmen wolle und geriet!) dabei wirklich auf einen
sehr glücklichen Gedanken, als plötzlich — — — die Thüre
des Gemaches wieder aufging, Helligkeit eindrang und, ganz so
wie das erste Mal, das Wnndermädchen zum Vorschein kam.
Noch schwebte ein Rest jenes herzlichen Lachens von vorhin au-
mnthig ans ihren Zügen.

Die junge Dame setzte vor dem Spiegel das Drehen der
Papilloten wieder fort und schien einige Augenblicke ganz von
der Wichtigkeit dieses Geschäftes beherrscht zu sein. Aber schon
der Neugier wegen mußte sie sich doch auch einmal nach dem
Bette nmsehen.

Sie that es zuerst nur flüchtig, dann immer genauer und
schärfer — und nun fehlte wenig, sie wäre in Ohnmacht
gefallen. Das nämliche, furchtbar langgezogene Belialsgesicht

guckte abermals aus den Falten hervor und dieß Mal noch
viel verzerrter durch ein grinsendes Lächeln der Zärtlichkeit.

Ob das Fräulein neuerdings geschrieen habe oder nicht,
wie sie ans dem verhexten Zimmer gekommen und wie so un-
verletzt über die Treppen hinuntergestürzt sei, konnte später nicht
mehr ermittelt werden. Sic selbst erinnerte sich nicht mehr
daran und kam überhaupt erst wieder zur Besinnung, als sie
in den Armen ihrer mütterlichen Freundin lag, wo sie den
überstandenen heillosen Schrecken in Thränenströmen answcinen
konnte. Daß für Unterbringung in dieser Nacht nun ander-
weitig gesorgt wurde, versteht sich von selbst. Ich habe nur
noch meiner Erzählung beiznfügen, daß sich Herr Cäsar in der
Frühe des folgenden Tages schleunigst aus dem Hanse entfernte

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