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(Nachdruck verboten.)
Wahrend nun die Kameraden weiter marschirten, lag Johann
Grothe an eine Gartenmauer hingesunten; sein Hintermann
war auf einen Grabenrand gefallen und wenige Schritte non
ihnen waren ihre beiden Köpfe so hingeworfen, daß sie aufrecht
wie zwei Kohlköpfe aus dem Acker standen.
Ein Märchen von
Grothe war Krämer in
einem kleinen Städtchen; er wog
jeden Morgen rechtschaffen seinen
Kaffee und seine Rosinen für die
Kunden ab, und sein Herz hing
namentlich an seinen drei Kindern
und an gewissen Leibspeisen,
die ihm seine Frau bereiten mußte. Er war fleißig und brachte
etwas vor sich. Da aber kam plötzlich der böse Krieg und
Johann Grothe mußte sich von seinen Lieben trennen.
Er that als Landwehrmann den Tornister auf den Rücken
und das Gewehr auf die Schulter, nahm dann Abschied von
Frau und Kindern und marschirte mit den Kameraden. Die
Musik klang ihnen wohl recht lustig voran, aber es war doch
Keinem von ihnen Allen so zu Muthe.
Schlachten auf Schlachten wurden geschlagen und iiber Johann
Grothe schwebte Gottes schützende Hand. Aber es stand noch
eine, die letzte und entscheidende, bevor, und in derselben kam
sein Regiment mitten hinein in das ärgste Granatfeuer. Es
erlitt auch so große Verluste, daß es aus dem Feuer zurück-
gezogen werden mußte, um seine Reihen wieder zu ordnen, und
immer noch war Johann Grothe unversehrt geblieben. Als
aber der Feind zum Schluß noch einen wüthenden Angriff
machte, da mußte auch er wieder mit vor, und als endlich der
Kampf schon entschieden war, da raste eine letzte große Granat-
kngel noch zwischen den Helmen der braven Soldaten dahin;
die trennte ihm und seinem Hintermann die Köpfe so scharf
vom Rumpf, als seien sie mit einem Rasirmesser abgeschnitten.
d wehr männe r.
Hans Wnchciihuftii.
Ganz still war's ans dem Schlachtfelde geworden, Freunde
und Feinde lagerten sich in weiter Entfernung. Johann Grothe
saß ohne Kopf an die Gartenmauer gelehnt, und es war, al»
habe er noch das Gefühl, daß ihm am Kopfe was passirt sei"
müsse, denn seine Arme hoben sich, um ihn zu suchen.
Da schritt ein Greis mit langem weißen Bart über den
blutigen Kampfplatz; der war ein berühmter arabischer Arzt
und Zauberer, und aus dem Morgenlande gekommen, um »U1
den Schlachtfeldern zu helfen, wo menschliche Kunst und Wisff»°
schaff nicht ausreichten. Er sah Johann Grothe dasitzen und
seinen Hintermann am Grabenrand liegen, sah auch die beide»
Köpfe, nahm sie vom Boden, betrachtete sie und sagte: „O, h>^
ist gewiß noch Rettung für die beiden armen, braven Mensche»,
die vielleicht Frau und Kinder daheim haben!" Und so nahm
er denn den nächsten Kopf und setzte ihn Johann Grothe zwischeu
die Schultern und den andern setzte er zlvischen die seines Hinter-
mannes.
Johann Grothe, als er den Kopf wieder fühlte, schlug die
Augen auf. Er hatte kein Bewußtsein davon, daß er ihn ver-
loren gehabt; er that ihm nur ein bischen weh. So schüttelte
er ihn denn, als wolle er sehen, ob er noch festsitze, und that
einen Schluck aus der Feldflasche. Dann blickte er umher »ns
alle die Tobten um ihn
herum, freute sich, daß er
so gut davongekommen und
sah, wie auch sein Hinter-
mann sich eben aufrichtete,
das Gewehr auf die Schulter
legte und den Kameraden
nacheilte. So machte er
sich denn ebenfalls auf den
Weg, um sein Regiment zu
suchen.
Unterwegs war's ihm
wohl so ganz anders zu
Muthe, als ehedem. Er
hatte so ganz andere Ge-
danken als sonst, und als
(Nachdruck verboten.)
Wahrend nun die Kameraden weiter marschirten, lag Johann
Grothe an eine Gartenmauer hingesunten; sein Hintermann
war auf einen Grabenrand gefallen und wenige Schritte non
ihnen waren ihre beiden Köpfe so hingeworfen, daß sie aufrecht
wie zwei Kohlköpfe aus dem Acker standen.
Ein Märchen von
Grothe war Krämer in
einem kleinen Städtchen; er wog
jeden Morgen rechtschaffen seinen
Kaffee und seine Rosinen für die
Kunden ab, und sein Herz hing
namentlich an seinen drei Kindern
und an gewissen Leibspeisen,
die ihm seine Frau bereiten mußte. Er war fleißig und brachte
etwas vor sich. Da aber kam plötzlich der böse Krieg und
Johann Grothe mußte sich von seinen Lieben trennen.
Er that als Landwehrmann den Tornister auf den Rücken
und das Gewehr auf die Schulter, nahm dann Abschied von
Frau und Kindern und marschirte mit den Kameraden. Die
Musik klang ihnen wohl recht lustig voran, aber es war doch
Keinem von ihnen Allen so zu Muthe.
Schlachten auf Schlachten wurden geschlagen und iiber Johann
Grothe schwebte Gottes schützende Hand. Aber es stand noch
eine, die letzte und entscheidende, bevor, und in derselben kam
sein Regiment mitten hinein in das ärgste Granatfeuer. Es
erlitt auch so große Verluste, daß es aus dem Feuer zurück-
gezogen werden mußte, um seine Reihen wieder zu ordnen, und
immer noch war Johann Grothe unversehrt geblieben. Als
aber der Feind zum Schluß noch einen wüthenden Angriff
machte, da mußte auch er wieder mit vor, und als endlich der
Kampf schon entschieden war, da raste eine letzte große Granat-
kngel noch zwischen den Helmen der braven Soldaten dahin;
die trennte ihm und seinem Hintermann die Köpfe so scharf
vom Rumpf, als seien sie mit einem Rasirmesser abgeschnitten.
d wehr männe r.
Hans Wnchciihuftii.
Ganz still war's ans dem Schlachtfelde geworden, Freunde
und Feinde lagerten sich in weiter Entfernung. Johann Grothe
saß ohne Kopf an die Gartenmauer gelehnt, und es war, al»
habe er noch das Gefühl, daß ihm am Kopfe was passirt sei"
müsse, denn seine Arme hoben sich, um ihn zu suchen.
Da schritt ein Greis mit langem weißen Bart über den
blutigen Kampfplatz; der war ein berühmter arabischer Arzt
und Zauberer, und aus dem Morgenlande gekommen, um »U1
den Schlachtfeldern zu helfen, wo menschliche Kunst und Wisff»°
schaff nicht ausreichten. Er sah Johann Grothe dasitzen und
seinen Hintermann am Grabenrand liegen, sah auch die beide»
Köpfe, nahm sie vom Boden, betrachtete sie und sagte: „O, h>^
ist gewiß noch Rettung für die beiden armen, braven Mensche»,
die vielleicht Frau und Kinder daheim haben!" Und so nahm
er denn den nächsten Kopf und setzte ihn Johann Grothe zwischeu
die Schultern und den andern setzte er zlvischen die seines Hinter-
mannes.
Johann Grothe, als er den Kopf wieder fühlte, schlug die
Augen auf. Er hatte kein Bewußtsein davon, daß er ihn ver-
loren gehabt; er that ihm nur ein bischen weh. So schüttelte
er ihn denn, als wolle er sehen, ob er noch festsitze, und that
einen Schluck aus der Feldflasche. Dann blickte er umher »ns
alle die Tobten um ihn
herum, freute sich, daß er
so gut davongekommen und
sah, wie auch sein Hinter-
mann sich eben aufrichtete,
das Gewehr auf die Schulter
legte und den Kameraden
nacheilte. So machte er
sich denn ebenfalls auf den
Weg, um sein Regiment zu
suchen.
Unterwegs war's ihm
wohl so ganz anders zu
Muthe, als ehedem. Er
hatte so ganz andere Ge-
danken als sonst, und als
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die beiden Landwehrmänner"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 87.1887, Nr. 2197, S. 86
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg