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£SKULAPTEMPEL BEI PERGAMON,

i?|pl||JERADE als die Ausgrabungen in Pergamon in vollem Gange waren, denen wir die neuen Schätze antiker
(sliösH Sculptur im Berliner Museum verdanken, hat auch Christian Wilberg sich einige Wochen lang dort
jgg^l! aufgehalten. Dem danken wir es, dass die jetzt mit einem Male mehr als sonst genannte Örtlichkeit in
einer Reihe anziehender künstlerischer Schilderungen anschaulich gemacht ist und noch mehr gemacht werden
kann. Ausser den Skizzen aus Pergamon, welche in Lichtdruck (Berlin, b&iGrote) erschienen sind, ist namentlich das
grosse, so gut wie ganz vor der Natur fertiggewordene Aquarell einer Gesammtansicht der heutigen Stadt Pergamon
und der Attaliden-Akropole Vielen vor Augen gekommen, da es in der Rotunde des Berliner Museums zunächst
den Hauptgruppen der Gigantenschlachtreliefs ausgestellt ist. Der Blick ist etwa von der Gegend des alten Theaters
aus genommen und umfasst das Thal des Kaikosssusses, das sich nach rechts hin südwestwärts dem Meere zu
ausdehnt, in der Ferne die Berge von Somah und Kirkagatsch, im Mittelgrunde aber die heutige Stadt.
Hoch über den heutigen Häusern steigt der breite Bergrücken auf, gegen iooo Fuss über den Meeresspiegel sich
erhebend, an dem sich das frische Interesse der Humann'schen Entdeckungen knüpft. Man sieht die turkischen
Mauern der nunmehr ganz verlassenen Festung, unterhalb derselben die Schutthalden der deutschen Ausgrabung
da, wo einst der Prachtbau des grossen Altars stand, dessen Sculpturenschmuck nach so viel Zerstörung noch
verhältnissmässig sehr reichhaltig uns wiedergewonnen ist. Derselbe Burgberg erscheint weiter von Ferne her gesehen
auf der von uns publicirten schönen Radirung Wilberg's. Der Künstler hat seinen Standpunkt bei den denkwürdigen
Ruinen des einst in der antiken Welt berühmten Tempels des^Eskulap genommen, welche wir im Vordergrunde sehen,
und hat bereits der Zukunft vorgegriffen, indem er als Stafsage Arbeiter beim Ausgraben und Bergen von Architectur-
trümmern beschäftigt zeigt. Bis jetzt hat nur Zerstörung hier gehäust; ein letzter Rest von Leben ist nur in einer
einzigen ganz nahen Hütte geblieben, in der ein Gärtner wohnt, der das ziemlich reichliche Quellwasser in einer
ofsenen Cisterne sammelt und damit seine Bäume und anderen Gewächse tränkt, um zu ernten, was die Heuschrecken,
diese grosse Landplage, übrig lassen. Recht ärmlich sieht es am Orte aus. Doch ein landschaftlicher Reiz ist ihm
geblieben und an dem ist Wilbenr nicht vorübergegangen, ohne wenigstens eine Erinnerung' davon mitzunehmen.
Er hat nicht den Blick nach Werten gewählt, wo Pappelgruppen sich in einem Thale herabziehen und fern oben
ein Wassersturz vom Berge fallt; er hat sich vielmehr stadtwärts gewandt. Über den Ruinenvordergrund hin, über
dem ein Feigenbaum wuchert, folgt das Auge links der ssachen Thalsenkung, an deren Ende die Bogen des
römischen Amphitheaters sichtbar sind; auf der Hohe rechts davon ragen die Cypressen eines turkischen Fried-
hofes, darüber hebt sich die massige Höhe der Akropolis, nicht eine feine Form, wie etwa die athenische Stadtburg
sie zeigt, auch nicht einmal so scharf geformt wie Akrokorinth, mit dem sie etwa an Höhe gleich ist. Die Mauer-
krone der zuletzt noch von den Türken befestigt gehaltenen Kuppe ist deutlich zu sehen; an ihrem linken Ende,
wo Unterwölbungen als drei kleine schwarze Punkte sich zu erkennen geben, stand derKaisertempel, das Augusteum.
Rechts ausser- und dicht unterhalb der Mauerkrone, da wo die hellen Schutthalden vom dunkleren Grunde sich
absetzen, ist der Platz der deutschen Entdeckungen, dort stand das reichste Monument aus der Zeit der
Unabhängigkeit von Pergamon unter eigenen Königen, jener mehrerwähnte Prachtaltarbau.
Woher wissen wir aber, dass zunächst vor uns diese Wölbungen und umherliegenden Steine dem yEskulap-
heiligthume oder seinen nächsten Anbauten gehören ? Einen bestimmten Beweis hat der Platz selbst, etwa in
Inschriften, nicht geliefert; noch hat auch Niemand zu solchen Zwecken darnach geslieht. Wir wissen aus mehr-
fachen Schriftstellerzeugnissen, dass der /Eskulaptempel ausserhalb der Stadt lag und gerade nach diese r Stelle,
welche an sich durch ihre, wenn auch noch so verschütteten, doch immerhin ansehnlichen antiken Reste als jene,
welche grössere Bauten trug, gekennzeichnet ist, liess sich das suchende Auge Carl Humann's so führen, wie im
Alterthume der Besucher des Heiligthumes vor der Sonnengluth geschützt, seinen Weg zum Heilgotte hin fand.
Ein langer bedeckter Gang führte von der Stadt heraus, etwa zu vergleichen dem Säulengange, der zur
Marienkirche hoch oben vor Bologna ebenfalls auf ansehnliche Entfernung heutzutage hinausführt. Die einzelnen
Pfeiler dieses Ganges, wenn auch dem Boden gleich gemacht, sind in Pergamon noch deutlich von der Gegend am
antiken Theater aus über die Felder hin zu verfolgen. Eine solche ansehnliche massive Wandelbahn konnte nur um
eines bedeutenden, reichen und frequenten Heiligthums willen, wie es yEskulaptempel war, angelegt werden.
Conze.
 
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