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DER SELBSTTHÄTIGE PANTOGRAPH,

NTER den neuesten Erfindungen auf dem Gebiete der graphischen Künste scheint dem selbstth ät igen
Pantographen, den Gustav Seitz'm Wandsbeck auf Grund einer von dem Schotten Lewis empfangenen
Anregung nach fast zwanzigjährigen, mühsamen und kostspieligen Versuchen construirt hat, eine hervor-
ragende und allgemeine Verwendbarkeit beschieden zu sein. So einfach das Verfahren ist, so schwer war jener
Grad von Vollkommenheit zu erreichen, den es gegenwartig besitzt. Da sich der Erfinder die Veröfsentlichung seines
Verfahrens aus begründeten Geschäftsrücksichten verbeten hat, so dürfen wir nur das Was, nicht aber auch das
Wie der Leistungen des selbstthätigen Pantographen darlegen. Dieses Instrument ist befähigt auf mechanischem
Wege die Dimensionen einer bereits auf einer Druckplatte fixirten Zeichnung, welcher Art immer, je nach Bedarf
zu vergrössern oder zu verkleinern, ohne die ursprünglichen Verhaltnisse der Vorlage irgendwie zu modificiren, so
dass die Reproducftion ein vollkommen treues und genaues Abbild des Originals bleibt; es vermag aber auch das
ursprüngliche Format der Länge wie der Breite nach, ja selbst überquer zu verändern, wodurch Gegenstände zur
Caricatur verzerrt, Lettern aber in allerlei pikante Formen gebracht werden können. Ein weiterer sehr wesent-
licher Vorzug des Pantographen beruht darauf, dass die Grenzen der Formatveränderung, in Bezug auf deren
Dimensionen, nicht durch die Leistungsfähigkeit des Instrumentes, sondern durch den Character der zu repro-
ducirenden Vorlage, beziehungsweise durch die technische Aussührung der Originalplatte gezogen sind; desshalb
lassen, beispielsweise, in Strichmanier locker gezeichnete Vorlagen oder correcte Linienstiche eine sehr grosse
Verkleinerung zu. Überdies stellen sich bei der Verkleinerung die Umrisse und die Modellirung in einer Zartheit
und Feinheit dar, welche eine Reproduktion durch Menschenhand niemals erreichen kann. Bei einmaliger Operation
mit dem Pantographen beträgt die Reduction 1i, bei zweimaliger 1 16, bei dreimaliger yei der Originalgrösse und
auch die Vergrößerung bewegt sich in diesen Verhältnisszahlen; alle dazwischen liegenden Dimensionen können
durch eine einfache Rechnung genau bestimmt werden. Von grossem Werthe ist die fernere Eigenschaft des Panto-
graphen, dass bei Verkleinerungen durch Verdichtung der in der Vorlage enthaltenen Striche und Punkte, nament-
lich auch bei getuschten und Crayonplatten, eine Einwirkung auf die Töne, in denen die Reproduktion heraus-
kommt, zulässig ist, so dass es bei geschickter Behandlung möglich wird, die Malweise eines Originals in Tönen
exact wiederzugeben und selbst abgenützte Platten in Verkleinerung zu verwerthen. Es ist somit der Pantograph
nicht bloss sür künstlerische, sondern auch für typographische Zwecke — Lettern, Vignetten, Stanzen für Buchbinder
und der grösste Theil des zur Vervielfältigung dienenden typographischen Materials lassen sich im Handumdrehen
in allen Dimensionen und Formaten variiren — eine äusserst nützliche Erfindung und erleichtert sowie verwohlfeilt
namentlich die Bücherillustration in hohem Grade.
Eine besonders interessante Anwendung hat Gustav Seitz in seiner seit Jahren vortheilhaft bekannten chromo-
lithographischen Anstalt von seinem Pantographen gemacht. Da jeder Farbendruck im Durchschnitte fünfzehn
bis fünfundzwanzig Platten, die übereinander gedruckt werden, benöthigt, so ist es klar, dass jede Änderung seines
Formates, die eine neue Herstellung sämmtlicher Platten im Gefolge hat, einen grossen Aufwand von Zeit und
Geld erfordert. Unsere Kunstbeilage „Die Chalifengräber bei Cairo" aus dem von uns in den gleichzeitig
erschienenen „Mittheilungen" unserer Gesellschaft besprochenen Prachtwerke „Nilbilder" von K. Werner, ist eine
Reduction auf ein Drittel der Originalgrösse. Ein sehr geschickter Chromograph hätte mindestens vier Monate
gebraucht, um die zwanzig Platten, welche der Druck unserer Beilage erheischt, anzufertigen; der Pantograph hat
diese Arbeit in vier Tagen geleistet, ohne Rücksicht auf das Tageslicht und die Geschicklichkeit des Arbeiters,
da jeder Kunstdrucker das Instrument nach kurzer Übung leicht handhabt. Noch auffalliger ist das Ersparniss an
den Kosten; der Pantograph von Seits lieserte uns die Platten zu unserer Beilage um den zwanzigsten Theil des
Aufwandes, den uns die Herstellung derselben durch einen Chromographen verursacht haben würde. So lassen sich
die Vortheile, die der Pantograph dem Farbendruck hinsichtlich der Schnelligkeit und Wohlfeilheit verschafft, nur
mit den ungeheuren Erleichterungen vergleichen, welche die Hochätzung und die Heliogravüre der Reproduction
in Schwarz und Weiss gewähren.
s.
 
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