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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Unsre Bildern
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205


Unsre Bilder

vom Herausgeber

nter unfern jüngeren Meistern hat sich der Wiener
Franz Simm allmählich immer größere Beachtung
errungen, so daß er heute bereits in der vordersten Reihe
steht, obwohl er sich erst seit etwa acht Jahren bleibend
in München niedergelassen. Diesen unbestreitbar stets
wachsenden Erfolg verdankt er zwei wie es scheint immer
seltener werdenden Bedingungen: Einer vollkommenen
Kenntnis des Handwerks seiner Kunst, besonders des
Zeichnens, die er, wie Hynais, seinem ehemaligen Lehrer
Feuerbach verdankt. Nicht minder aber auch einem leb-
haften Schönheitssinn, der ihn allem Häßlichen und Ge-
meinen aus dem Wege gehen und weder alte Weiber
noch krummbeinige Packträger mit besonderer Vorliebe
aufsuchen, ja sie wohl gar zu Heiligen und Aposteln
verwenden läßt. Rechnet man dazn noch eine durch langen
Aufenthalt in Italien und sonstige große Reisen erworbene
Bildung des Geschmacks, so erklärt es sich wohl, daß er
sich bald den größten wie den kleinsten Aufgaben gleich
gewachsen erwies und daß seine Wandbilder im fernen
Tiflis wie seine Deckenfiguren im Wiener Kunstmuseum
sich ebenso sehr Gefallen erzwangen, als seine reizenden
Kabinettsstücke aus der Empirezeit, wie sie unsre Leser
schon aus der „Kunst für Alle" kennen und wie wir deren
heute wieder eines bringen zu können so glücklich sind.
Es ist das nicht ganz leicht, da sie in der Regel sofort,
zu in München ungewöhnlichen Preisen, in alle Weltteile
gehen. An unserm heutigen „Im Mac" sich des Lebens
freuenden Liebespaar sehen wir aber auch, daß es unserm
Künstler durchaus nicht am prickelndsten Humor gebricht,
um die sonst leicht etwas süßlich schmeckende Empirekost zu
salzen. -— So ergötzt am Bilde dieser, die Schmeicheleien
ihres Verehrers so wohlgefällig anhörenden Schönen
gerade das Übermaß von Gläubigkeit, das sie seinen Be-
teuerungen entgegenbringt, während seine Zuverlässigkeit
doch keineswegs über allen Zweifel erhaben scheint. —
Meint man aber bei dieser reizenden .Parkszene nicht
Mathisson mit seiner gezierten Naturschwärmerei zu lesen,
hier, wo selbst die Steinbank, ans der das Paar sitzt,
antikisiert, während die Bäumchen dahinter mit ihrem
sprossenden Laub den ganzen Liebeszauber atmen, dem
sich unsre Schöne so rückhaltlos hingibt, daß wir die
Küsse nicht zählen möchten, die ihr Seladon unzweifelhaft
jetzt gleich erhalten wird.

Von den verschiedenen Mußestunden, welche die auf
unserm Bild in prächtiger Loggia versammelten Prälaten
täglich zur Disposition haben dürften, ist die hier dar-
gestellte jedenfalls eine der edelsten, da sie ausschließlich
durch geistige Genüsse gewürzt wird, wie die eben statt-
findende Vorlesung zeigt. Ob nun aus dem heiligen
Augustin oder aus dem Ariost vorgetragen wird, darüber
kann kaum ein Zweifel bestehen, wenn man den erheiterten
Gesichtern der frommen Herren glauben darf, wie denn
der junge mit dem Rücken gegen die herrliche Landschaft
draußen gewandte Kleriker besonders in so interessanter
Lektüre zu schwelgen scheint. Daß sie aber Italiener
und keine Deutschen sind, geht schon daraus hervor, daß
es bei ihnen außer der Dichtkunst nichts Solideres zu ge-
nießen gibt, was bei letzteren gewiß nicht vergessen
worden wäre. Sicher kann man aber die Existenz vor-

nehmer römischer Prälaten nicht anmuthiger schildern,
als es Holmberg thut, obwohl wir seinen Hauptvorzug
— die außerordentlich feine und fast klassische Färbung,
welche alle seine Bilder auszeichnet — hier gar nicht einmal
nach Verdienst würdigen können. Denn auch er gehört
wie Simm zu jener jetzt schon fast veralteten Klasse von
Künstlern, denen es beim Malen vor allem um ein
schönes Bild zu thun ist, gleichviel, was sie auch dar-
stellen. Man muß zugeben, daß ihm das auch in ganz
ungewöhnlichem Maße gelingt, was noch sehr viel mehr ist,
als das bloße Wollen. In der Kunst handelt sich's ja
vor allem ums Können, was man jetzt wieder häufiger
vergißt, als es seit lange der Fall war. Dieses sichere
Können besitzt aber unser Holmberg und verdankt das,
wie Diez, Löfftz, Klaus Meyer, vor allem seinem gründ-
lichen Studium der alten Meister, das so viele jetzt
wieder ganz an den Nagel hängen zu dürfen glauben.
War das schon einmal zu Cornelius' Zeiten der Fall,
wo man „Rafael nach jedem Kupferstich studieren" zu
können glaubte und deshalb die herrliche Galerie voll-
kommen unbenutzt und leider auch unverstanden ließ, so
ist das jetzt wieder Mode geworden, und die Früchte
sehen wir dann mit Schrecken in jenen Bildern, die mit
ihrem Grau und Grün die Ausstellungen in einen Gemüse-
markt verwandeln. Da bildet nun Holmberg mit
seinem wunderbar feinen goldenen Ton den wohlthuendsten
Gegensatz, so daß seine Beliebtheit denn auch täglich
wächst mit seiner Meisterschaft. Auf unserm heutigen
Bild ist aber auch die Charakteristik der Einzelnen nicht
weniger fein, als die Färbung, ja wie sie dem Vorleser
zuhören, das ist so vortrefflich bei jedem nuanciert, als
die Stellung, die er in der Hierarchie einnimmt.

Ein koloristisches Meisterwerk voll vornehnier Schlicht-
heit und Feinheit des Tones ist auch das „Holländische
Strandbild" Gregors von Bochmann in Düsseldorf,
das uns die dicke feuchte Luft und die unermeßliche Weite
des Horizontes an der See selbst noch in der Autotypie
ahnen läßt, wie es nicht weniger des Künstlers Meister-
schaft in der Behandlung der Menschen und Tiere zeigt.
Immer aber wird man wieder auf die merkwürdige
Wahrheit des Totaleindrucks hier zurückkommen, die uns
mit ihrer ernsten Poesie so mächtig ergreift, wie es eigent-
lich nur das Meer, dieses ungebändigtste Element von
allen, vermag. — Was aber unfern Meister besonders
von den heutigen Holländern so gründlich unterscheidet,
das ist die merkwürdige Vereinigung außerordentlicher
Vollendung und Durcharbeitung alles Details mit der
packenden Wirkung des Ganzen. Da ist nichts bloß an-
gedeutet, keck hingeworfen, wie bei jenen, sondern im
Gegenteil alles und jedes so durchgebildet und fein indivi-
dualisiert, daß man diese Menschen und Pferde, Schiffe
und Karren, ja die sich auf dem Ufersand verlaufenden
Wellen mit immer neuem Vergnügen betrachtet, ohne
je satt zu werden. Das gibt eine Nachhaltigkeit des Ge-
nusses, der man eben nur bei vollendet klassischen Kunst-
werken begegnet, bei noch so talentvoller Fabrikware
aber nie.

Ans Meeresufer führt uns auch der Belgier Verh as,
zu einem sehr windigen Fräulein, die aber trotzdem, daß
 
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