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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Heilbut, Emil: Erinnerungen an Max Michael: gestorben 24. März 1891
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0293

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VI. Mhrgang. tzeft 15

i. Mai 1897


„Die Kunst für Alle" erscheint in halbmonatlichen Heften von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bilderbeilagen in Umschlag geh. Abonnementspreis im
Buchhandel oder durch die Post (Reichspostverzeichnis Nr. 3517, bahr. Verzeichnis Nr. 406, k. u. k. östr. Zeitungsliste Nr. 1593) 3 Mark 60 Pf. für das Vierteljahr

(6 Hefte); das einzelne Heft 75 Pf.

Erinnerung an Max Michael

f 24. März Z89Z

Von Aerman Aelserich

l?n dem Gebäude unter den Linden zn Berlin, das dem Denkmale
Friedrichs des Großen gerade gegenüber liegt, und an welchem
jene große Uhr prangt, nach der die Berliner die ihre zu richten Pflegen,
geht man nach hinten durch den breiten Corridor... Man wendet sich
zur Rechten; man durchschreitet einen Hof; man gelangt neben einer
Druckerei vorbei in ein Hinterhaus. Die Druckerei scheint uralt; wer
vor fünf Jahren an ihr vorbei in das Hinterhaus schritt, bemerkte einen
fleißigen Setzer am Fenster mit einer strohgelben Perücke — und wer
heute an der Druckerei vorbei in das Hinterhaus gelangen will, sieht
noch denselben Setzer vor seinem schrägen Pulte, und denkt nach, was
er eigentlich setze. Der Hof scheint zu schlafen, träumendes Gras sprießt
zwischen den Ritzen hervor und über dem Ganzen liegt Staub, Staub, Staub.

Nur ein einzigesmal sahen wir einen Zug der Lebendigkeit auf
diesem Hofe. Man bemerkte einen Wagen, mit prachtvollen Pferden, der
aus dem königlichen Marstall gekommen war, mit der zugehörigen Diener-
schaft aus dem Hofe halten. Man erfuhr, daß der Wagen, mit dem was
zu ihm gehörte, für Anton v. Werner studienwegen gekommen war.
Anton v. Werner; — aber Anton v. Werner ist doch Direktor der
Akademie? ... In der Thak, dieser Hof, dieser staubgraue, gähnende,
prosaisch häßliche Hof ist der Vorhof zur Akademie, oder wie sie offiziell
heißt: zur königlich akademischen Hochschule für bildende Kunst.

Noch ist kein besseres Gebäude für sie gefunden worden, und einst-
weilen klimmt man noch die eisernen Stiegen in einem Hinterhause über
einer Druckerei, nachdem man einen Hof passiert hat, empor, um zu den
Räumen jener staatlichen Anstalt zu gelangen, welche die vornehmste Preußens für Knnstbildung sein soll.

Aber immerhin hat es eine gewisse Poesie — dieses Prosaische. Es ist Verfall, es ist, wenn man so
will, „Romantik", und es hat jedenfalls in der Armut seinen gewissen Reiz. Sonst sind Staatsgebäude in
Ländern, die in guter Finanzlage sich befinden, Prachtvoll, opulent, mit Spiegelscheiben... hier liegt eine
Staatsanstalt auf einem Hinterhofe, auf dem Gras wächst. Ist das nicht wie eine Akademie in Lucca oder in
Siena? Wie eine dieser kleinen Hochschulen früherer Zeiten in Italien, da in Italien noch keine geregelte
Wirtschaft war, jedoch die Kunst blühte? Nun hat die Berliner Akademie auch den Reiz Italiens, und
damit wollen wir einstweilen zufrieden sein, so lange bis wir durch ein andres, ein neues Gebäude — eben-
falls zufrieden sein werden.

Klimmen wir nun die eisernen Wendeltreppen hinauf. Im ersten Stock finden wir einigen Tumult.
Da sind Könige Lear mit wallenden grauen Bärten und fliegenden Haaren — wenn auch nicht der Sturm-
wind der Heide durch ihre Haare saust, und wenn auch von ihnen schwerlich zu sagen wäre, daß sie „jeder

Die Kunst für Alle VI. 29

Max Michael
 
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