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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Jahres-Ausstellung von 1891, [2]
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Heilbut, Emil: Malende Dichter
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0413

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32H Die Münchener Iahres-Ausstellung von ;8y;. von Fr. Pecht — Malende Dichter, von kft 6elferich

große Begabung viel deutlicher sieht, als bei der totgequälten atheniensiicheu Buhlerin. Sonst ist von idealen
Stoffen nur noch eine Madonna mit dem Kinde von Marianne Stokes da, welche nur die geringe Be-
fähigung der Engländer für dergleichen beweist, wie Leighton. Um so charakteristischer für das englische

lliZR liks ist dann eine mit ihrem Kinde scherzende vornehme Mutter von Orchardson und verschiedene andre

Scenen dieser Art. Phantastisch unheimlich mutet dagegen ein Zigeunerlager bei Nacht von Brown
in Edinburg an, und noch ergreifender ein armes krankes Mädchen, das auf einem Grabstein liegend die ältere
Schwester um Hilfe fleht, von Bartlett, wo dann die düstere, stürmische Stimmung trefflich zu der traurigen

Scene paßt. Von großer Schönheit sind auch oft die brittische Natur schildernden Bilder. So Waterloos

Bauernhof mit einem Hühner fütternden Mädchen. Noch feiner abgetönt und trefflich studiert ist Clausens
Pflüger, von außerordentlicher Zartheit der Färbung, wie Stotts Gänseheerde, Browns „Spielplatz",
während des Glasgower Hendersons Kartoffelernte wieder dieselbe phantastisch unheimlich wirkende Ver-
wendung des Helldunkels zeigt, wie sie auch die Engländer besonders lieben und Stevenson selbst seinem
„Rübenfeld" bestrickenden Reiz dadurch verleiht, oder Whilland seiner nächtlichen Straßenscene. Etwas
andres als solche oft überaus feine und wirkungsvolle Stimmungsmalerei darf man bei der Mehrzahl dieser
auf eine Entfernung von mindestens fünf Schritten berechneten Bilder kaum suchen; diese Malerei wirkt durch
ihre Tonschwelgerei vorzugsweise musikalisch, aber sie gefällt schon ob ihres so entschieden nationalen Gepräges,
denn „Recht hat jeder eigene Charakter!" Allerdings ist sie, etwa den für Jeden verständlichen Neid aus-
genommen, nicht sowohl volkstümlich, als vorzugsweise für die in England so ungeheuer zahlreiche als wohl-
habende Mittelklasse berechnet, ist Salonmalerei im besten Sinne. Eine Ausnahme macht noch immer Alma
Tadema; der ist der eigentliche Modcmaler mit seinen Erzählungen aus dem antiken Leben st In Bulwer oder
Ebers. Hier ist er leider nur durch zwei Bildnisse vertreten, die, obwohl trefflich wie immer, dennoch keinen
Begriff vom Reichtum seines Talents geben. Im übrigen wirkt auch besonders wohlthuend, daß man so deutlich
sieht, wie diese Maler nur für ihre Landsleute malen und nicht Fabrikanten sind, die ihrer Ware in der
ganzen Welt Absatz verschaffen möchten und daher vor allem ja nirgends anstoßen wollen.

Da noch eine ganze Anzahl Werke der Engländer ausstehen, so werde ich auf diese und die nicht
weniger interessanten Aquarelle und Zeichnungen noch zurückkommen.

(Die Fortsetzung im Höchsten Hefte.)

Malende Dichter

Von Aerman Delferich

S^llllerliebst war wirklich die Nachricht, die aus Paris

her zu uns kam: daß die Schriftsteller malen
wollten, beziehungsweise daß jene, die da malten, aus-
stellcu wollten!

Sie war besonders dem amüsant, der vor einigen
Monden die Ehre hatte, sich in diesen Blättern über
„Künstler nnd Kritiker" zu verbreiten; denn derjenige,
von dem die Idee zu dieser Ausstellung ausgegangcn
war, der Kopf dieser Idee war ein gewisser Caliban;
er ist Kunstkritiker häufig und Dichter immer und ein
Mann, der sich im „Figaro" durch seine Artikel hervor-
thnt, wenn cs auch freilich nicht immer ganz sympathisch
ist, wie er von den Kollegen in diesem Blatte sich abhebt.

Seine Artikel sind etwas scharf gewürzt, und nicht
jeder ist Freund der ungarischen Küche und dieser
Gulasche, welche, einmal genossen, sehr überraschend und
angenehm sind, nnd wenn man sie täglich vorgesetzt er-
hielte, unerträglich erschienen.

Caliban gehört zu den Schriftstellern, welche auf
einem Seile tanzen und deren Witz haarspaltcrisch werden
kann nnd man sich nur zweifelnd fragt, ob sie diese
höchste Note, diese Parforcetouren durchhalten können.
Er besitzt den Frieden derer nicht, welche sich im sicheren
Besitze halten, er scheint rastlos bemüht, stets von vorne
anznfangen, um die Gunst des Lesers zu erhaschen. Er-
scheint vor der Rampe seines Publikums auf und nieder
zu rennen, an den Blicken zu ersehen bestrebt, ob er ge-
falle und wie er gefalle, nnd er macht doch Kapriolen,

die keineswegs nach jenes „Jedermann" Geschmack sind,
der die Welt regiert und bei den Zcitnngslesern die
Majorität abgiebt. Es ist etwas Excentrisches, Geniales,
Subjektives in ihm, gemischt mit einer Spur von Ab-
sichtlichkeit und Koketterie, wodurch viel verdorben wird.
Mittelmäßig zu schreiben wird ihm schwer, dieses Metier,
das von so vielen mit Glück geübt wird, — oft schreibt
er einen wirklich glänzenden Artikel, zuweilen aber ist
es vorgekommen, daß der Artikel mißglückte, und dann
puffte es von unangenehmen Überraschungen, es roch
nach Schwefel, dem Leser, der in schöner Ruh' beim
Kaffee zu sitzen glaubt, wird zu Mut, als platze eine
Granate — nnd dieser Fall trat stets ein, wenn Herrn
Caliban der Witz ausging, oder, was bei ihm das gleiche,
bei ihm des Witzes zu viel ward. — Das ist Caliban;
unnötig deshalb zu sagen, daß er mit seiner ganz be-
sonderen Marke, mit seinem höllischen Witze, mit seiner
Offenbachschen Lustigkeit, seiner dämonischen Excen-
tricität einem bestimmten Kreis sehr zusagt, — einer
Gattung von „Parisern"; denn dieser Kreis hält toll
und verzweifeltlustig in einer Stimmung von tin äs
sisels dem genugsam bekannten ns qniä niiuis der
Alten ein tollstes Jmmer-zn-viel karnevalistisch ent-
gegen . ..

Caliban, mit seinem wirklichen Namen Emile
Bergerat und wahrhaftig ein Dichter, hat im Figaro so
oft von seinen Aquarellen erzählt, daß man fast nicht
an sie glaubte; er hat erzählt, nächstens werde er
 
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