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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 1
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Kunstausstellungen
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DIE HODLER-AUSSTELLUNG IN ZÜRICH

Im Anfang des Krieges hat Hodler, der in Genf
lebr, das Barbarenmanifest unterzeichnet, jenes ihm
von franzosenfreundlichen Westschweizern vorgelegte
Dokument, das gegen die vorgeblich „mutwillige" Zer-
störung der Reimser Kathedrale seitens der Deutschen
protestieren wollte. Später ist es bekannt geworden,
dass er hierin der französischen Propaganda leicht-
gläubig vertraute, weil er die zu Tausenden verbreiteten
gefälschten Abbildungen der „Reimser Kathedrale in
Schutt und Trümmern" für echt gehalten hat. In brief-
lichen und telegraphischen Äusserungen an Osthaus in
Hagen und an Eucken in Jena hat er betont, er habe
die Deutschen nicht beleidigen wollen und fühle sich
nach wie vor dem deutschen Geiste verbunden. Immer-
hin wäre es würdig gewesen, wenn er nach Erkenntnis

* . i

Von Mitte Juni bis Mitte August fand im Züricher
Kunsthause eine Gesamtausstellung der Werke Ferdi-
nand Hodlers statt. Das ganze Museum war ausgeräumt
und Zürich stand im Zeichen dieses grössten der leben-
den Schweizer Künstler. Das gab erwünschte Gelegen-
heit, einmal das GesamtschafFen Hodlers vereinigt zu
sehen und das Urteil über diesen merkwürdigen Mann
zu überprüfen, von dem man nicht nur in Deutschland,
sondern auch in der Schweiz immer nur Einzelwerke
gesehen hatte, so dass man dazu verführt wurde, immer
nur Teile für das Ganze zu nehmen. Da sich der Leiter
des Züricher Kunsthauses, Dr. W. Wartmann, der nicht
unbeträchtlichen Mühe unterzogen hatte, die gerade
bei Hodler sehr schwierige Frage der Chronologie
endlich einmal in Ordnung zu bringen (schwierig des-
halb, weil Hodler, wie viele Schaffenden, nicht die ge-
ringste Lust verspürt, sich selber schon historisch zu
nehmen), so konnte man an Hand dieser Ausstellung
mit Hilfe des ausgezeichneten Kataloges einen Überblick
über Hodlers Entwicklung und über das Werden und
Wachsen seiner Kunst gewinnen.

In Deutschland kannte man, seit etwa Ende der
neunziger Jahre, eine Anzahl der grossen Hauptwerke
von den Sezessions-Ausstellungen her. Einige von ihnen
haben dauernden Platz in deutschen Museen gefunden

Deutschlf/-ChTge Mon~alaufträge sind ihm in
Deutschland, in Jena und Hannover, zuteilgeworden
Dann sah man im Kunsthandel und auf Ausheilungen
Einzelwerke, Schweizer Landschaften aus de f
Zeit, sowie Figurenbilder, zum Beispiel den „Holzfäller«

und den „Mäher", letztere in etwas

zu zahlreichen

Exemplaren. Das alles hat unser Urteil etwas ei
beeinflusst, besonders weil die Monumentalwerke in
Jena und Hannover, trotz grosser Einzelschönheiten
im Sinne des Raumschmuckes, nicht als restlos geglückte

seineslrrtums mannhaft eine Gegenerklärung abgegeben
hätte. Nicht unseretwegen, sondern seinetwegen. Wie
damals, bei der fatalen Angelegenheit mit der ver-
fälschten Lithographie, der er auch zum Opfer fiel. So-
lange er diese Erklärung nicht abgegeben hat, bleibt es
jedem unbenommen, über den Menschen Hodler seine
Meinung zu haben und zu äussern. Das darf aber nicht
hindern über seine Kunst zu sprechen, wenn eine so
selten Gelegenheit, wie es die Ausstellung des Ge-
samtwerkes ist, dazu auffordert. Denn wir treiben hier
Kunst und Kunstgeschichte trotz des Persönlichen.
Unsere wichtigste Aufgabe ist: festzustellen was die
Kunsterscheinungen der Zeit künstlerisch wert sind.

Die Redaktion.

Leistungen anzusprechen sind, infolge unglücklicher
Proportion. Was man von Hodler nach dem grossartigen
Karton des Wandbildes „Rückzug der Schweizer nach
der Schlacht bei Marignano" erwartete, wurde, wenig-
stens für Deutschland, nicht ganz erfüllt. Den glück-
lichsten Griff that immerhin noch Karl Osthaus in
Hagen i. W., der von einem Monumentalauftrag absah
und statt dessen für ein vorhandenes Gemälde, den
„Frühling", einen eigenen Raum von einem verständnis-
vollen Architekten schaffen Hess.

Jetzt hat man Gelegenheit den ganzen Mann kennen
zu lernen und man muss ehrlicher Weise vorausschicken,
dass der Eindruck dieser Gesamtproduktion ein über-
raschender und ungeheurer ist, nicht nur wegen der
Quantität des Vorhandenen, sondern auch wegen der
Vielseitigkeit der künstlerischen Vorstellungen, wegen
des Reichtums der Ausdrucksmittel und wegen der
Logik seiner Stilentwicklung.

Hodler geht aus von einer Malerei, die, um in uns
geläufigen Vergleichen zu reden, eine gewisse Parallel-
erscheinung darstellt zur Münchener Malerei der sieb-
ziger Jahre, etwa im Sinne des frühen Habermann. Von
der breiten Pinselführung und von Arbeiten in Hell-
dunkelmanier wendet er sich bald in einigen grossen
Bildnissen einer hellerenModellierung und einer flächen-
haften Behandlung zu, malt dann in Spanien Landschaften,
in denen Form und Struktur fast aufgelöst erscheinen
in Luft und zartfarbige Dunst, und findet gleichzeitig
eine Figurenmalerei, die von ferne an ähnliche Werke
des frühen Hans Thoma erinnern, natürlich ohne
Abhängigkeitsverhältnis, — naiv unbeholfen, aber sehr
stark im Ausdruck, von einer eigenwilligen Intensität.
Sein Verlangen nach eindringlicher plastischer Form
spricht sich von nun an immer stärker aus, und als er
an den grossen „Schwingerumzug" ging, fühlte er wohl,

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