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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 10
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NEUE BÜCHER

Hermann Schmitz. Berliner Eisenkunst-
gus s. Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen
des Kgl. Kunstgewerbemuseums Berlin. — München,
F. Bruckmann A.-G. 1917.

Die Geschichte des Berliner Eisenkunstgusses ist
ein ebenso reiches wie nachdenkliches Kapitel, das weit
über die örtlichen Interessen hinaus in die allgemeine
Kunstgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts über-
greift. In der kurzen Spanne von rund 7 y Jahren be-
obachten wir das Aufkommen, die Blüte und den
Niedergang einer Technik, deren Neubelebung die
Gegenwart (freilich auf unzureichender Grundlage)
sich angelegen sein lässt. Aus England importiert und
zunächst in den Dienst konstruktiver Baugedanken ge-
stellt, wird diese Technik in der Berliner Eisengiesserei
vor dem Neuen Thor an der Invalidenstrasse unter den
Händen geschickter Meister derart verfeinert, dass sie
für die zierlichsten dekorativen Gebilde (durchbrochener
Schmuck) und für die Kleinplastik (Plaketten, Büsten,
Porträtstatuetten) verwendet werden kann. Die führen-
den Meister der altberliner Architektur und Plastik,
Schinkel, Schadow, Rauch, Tieck, wenden* ihr liebevolle
Pflege zu, unterstützt von dem Geschick gewissen-
hafter und kunstfertiger Modelleure und Former, an
deren Spitze Stilarsky steht. Seine höchste Vollendung
erlebt der Eisenkunstguss in den Jahren 1814 bis 1840;
in der bürgerlich bescheidenen Biedermeierzeit spielt
er eine tonangebende Rolle. Seine Erzeugnisse gehören
zum Putz der Frauen, zieren als Ornament die Birken-
holzmöbel, stehen als Kleingerät auf Schreib-, Näh-,
und Rauchtischen, schmücken aber auch Gärten und
Gräber mit Bänken, Gittern, Altären, Urnen und
Kreuzen. Der spröde Charakter des Materiales kommt
dem Stilgefühl der Zeit entgegen. Wie andererseits
das Material selbst formbildend gewirkt hat, kann man
am besten an der Plastik erkennen. Auf den strengen
knappen Stil der Berliner Bildhauerschule hat der Eisen-
guss erzieherisch zurückgewirkt. Für das militärische
Porträt in kleinem Format, um das wir uns heute (bis-

lang erfolglos) bemühen, bieten die alten Eisengussstatu-
etten die besten Vorbilder. Während sich auf architek-
tonisch-ornamentalem Gebiet der Eisenstil noch lange
erhält — man betrachte daraufhin die Rampengeländer
des Potsdamer Bahnhofs um 1870 — geht er in der
Plastik schon in der Generation nach 1840 allmählich
verloren. Die Ursachen dieses Niederganges kommen
nicht so sehr von aussen, durch die Konkurrenz von pri-
vater Seite, als von innen durch den Umschwung des
plastischen Empfindens ins Naturalistische und malerisch
Bewegte. Man sucht das Material zu verleugnen und
thut dem Eisen Gewalt an, indem man es mit
höchst entwickelter Technik der Bronce anähnelt.
August Fischer, thätig seit 1835:, dem wir, als seine
feinste Arbeit, die Statuette der Königin Elisabeth ver-
danken, lässt seine Eisengüsse durch Ziselierung, Tau-
schierung, Brünierung bereits so veredeln, dass sie von
Bronce kaum zu unterscheiden sind. Auch nicht mehr
im Preise; das Motiv der Billigkeit, das ursprünglich
zum Aufkommen des Eisenkunstgusses in schwerer
Kriegszeit mitgewirkt hatte, wird hier völlig ausge-
schaltet. Schliesslich wird die Technik Selbstzweck,
und wie das Eisen aus der Mode kommt, so geht der
Eisenguss an seiner künstlichen Vergewaltigung zu-
grunde. Und das ist das Nachdenkliche dieser inhalt-
reichen, aber kurzen Episode.

Gründlichund kenntnisreich, wie immer, hat Hermann
Schmitz diese Geschichte dargestellt, vielleicht nicht ganz
so frisch, wie in jenem kleinen Führer, den er für die im
Kunstgewerbemuseum Ende 1916 veranstaltete Sonder-
ausstellung verfasste. Das dort gezeigte Material wird
in der vorliegenden Festschrift in guter Auswahl ab-
gebildet. Die Lichtdrucktafeln (44) sind leider nicht
gleichmässig scharf und klar ausgefallen, was man be-
sonders angesichts der in vollständiger Reihe abgebilde-
ten Neujahrsplaketten von 1805-1848 bedauert. Auch
der wenig geschmackvolle Einband mit der klobigen
Silberschrift kann nicht allein aus der „währenden Kriegs-
not" gerechtfertigt werden. Hans Mackowsky.

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