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Len Boden, um ihn zur Aufnahme der Wintersaat em-
fänglich zu machen. Pferd- und Viehbandel bezeichnet den
Uebergang vom Herbste auf den Winter. Der Schlitten
trägt bald den Bauer zum Markte. Im Walde wird Holz
gefallt. Aber die Frauen bleiben bei geschäftiger Sorge
zu Hause sitzen..

ES ist unmöglich, alle Einzelheiten dieser reichen und
immer wechselnden Composition herzuzählen. Zur Ehre des
sinnvollen Künstlers aber muß gesagt werden, daß er nicht
nur mit aufmerksamem Auge bas Landleben und die Be-
schäftigungen der Landleute in ihren wichtigsten Verhält-
nissen aufgefaßt, sondern auch mit einem feinen Blicke das
Charakteristische sowohl als das Schöne daran herausge-
funden und wiedergegebcn habe. Das Costüme schwäbischer
Bauern und Weingärtner ist mit genialer Freiheit behan-
delt, so daß Alles zu einer plastischen Form und-zu anzie-
henden, lebenvvllen Gruppen sich rundet, ohne den lokalen
Charakter und das nationale Gepräge zu verlieren. Man
hat in Thorwaldsen's und Rauch's neuesten Werken viel-
fache Belege für die große Kunst, das moderne Costüme der
höheren Stände, den Professorsmantel, die militairische
Kleidung, den Predigerrock auf eine dem ästhetischen Ge-
setze entsprechende Weise zu gebrauchen. Hier sieht man
die Männer und Weiber des Landvolkes in der mannig-
fachsten Abwechslung und doch überall wohlgefällig und
schön ihr Costüme beibehalteu. Die schwäbische Zipfelkappe
legt sich nach Art der phrygischen Mütze; der linnene Nock
wird der Tunika ähnlich; die Beinkleider weiten sich fal-
tig und reich. Besonders die weiblichen Gewänder geben
sich zu aumuthiger Benützung.

Weit entfernt, hier einen Gegensatz gegen die Antike
oder eine bloße Nachahmung derselben zu finden, glaube ich
darin gerade den ächt antiken Geist dieserArbeit zu erkennen.
Sie ist ganz eigenthümlich, ein treues Bild ländlicher Gegen-
wart. Sie nähert sich in der äußern Form dem Antiken
mir zufällig, soferne in beiden jede Erscheinung eine schöne
und harmonische Gestalt gewinnt, und soferne die erlaubte
Veredlung des modernen Costümes unwillkürlich zurAehn-
lichkeit mit den Darstellungen griechischer und römischer
Skulptur hinleitet. Zugleich ist eine Natürlichkeit, in den
Bewegungen, eine Naivetäk in den einzelnen Scenen, eine
Wahrheit in den Phpsionomien, wie sie nur ein frisches
Leben in der Natur und unter dem Volke, verbunden mit
sinniger Anschauung und poetischer Laune, Hervorrufen kann.
Weitbrecht hat im antiken Geiste, in lebendiger Auffas-
sung des erscheinenden Lebens ein nationales Werk gelie-
fert, in welchem sich der regsame Fleiß, die kräftige Treu-
herzigkeit und joviale Weise der Württemberger abspiegelt.
Sein Fries gehört zum Bedeutendsten, was an Kunstsachen
der Rosen stein aufzuweisen hat/ und das Auge des Kunst-
freundes, von den sinnigen Compositionen und dem herr-
schen Eolorit der FrcScogemalde gesättigt, kehrt immer

mit neuem Vergnügen zu den anspruchlosen Gestalten und
Gruppen des Frieses zurück, dessen geistreiche Erfindung
und Behandlung sich mit aller Aufmerksamkeit und Liebe
nie ganz erschöpfen laßt.

Es ist in der That ein sinniger Gedanke, dergleichen
Bolksscenen in den Mittelpunkt deS königlichen Landhau-
ses auszunehmen. Diese Idee liegt der wohlwollenden Ge-
sinnung eines Fürsten nahe, welcher gern unter seinem
Volke weilt, und entspricht der Tendenz dieses Gebäudes,
in dem sich der König mit Allen, denen er gewogen ist,
erfreuen mag, wie er solches durch ein glanzendes Früh-
lingsfest am jüngsten Wilhelmstage bewiesen hat, zu wel-
chem aus allen Stä -den die Gäste geladen und der herz-
lichen Huld des hohen Wirthes, wie der eigenen gemein-
schaftlichen Freude Zeugen waren. An dieser Stelle sind
solche Gestalten und Gruppen jedem Fremdling und Ein-
heimischen ein ehrwürdiges Symbol des schonen Verhält-
nisses, in welchem allenthalben Fürst und Volk stehen so«,
damir sich in beiden die Idee der wahren Menschheit und
des vollkommenen Staates verwirkliche.

Die übrige Ornamentirnng des inneren Gebäudes
außer den fchöngearbeiteten Säulenknäufen und Capitälen
ist dem Pinsel überlassen worden, und es muß in dieser
Beziehung schon hier der vortrefflichen Ornamenturmale-
reien des Malers Re her in Stuttgart Erwähnung ge-
schehen. Das Vestibüle ist von demselben nach der Anordnung
des Hofbaumeisters Salucci mit Rosetten, Thyrsuöstä-
ben, von Rebenlaub umschlungen, und mit kleinen Waffeu-
stücken einfach verziert und bringt auf jeden .Eintretenden
den täuschendsten Eindruck einer vollkommenen Skuecatuv-
arbeit hervor. Größere Waffengruppen sind von ihm mit
gleicher Gewandtheit und Treue in den Zimmern deS Kö-
niges gemalt worden.

Als eine köstliche Zierde, welche langst dem Rosen-
stein bestimmt seyn soll, muß endlich Dannecker's Psyche
genannt werden, welche so zart den Charakter der kindli-
chen Unschuld und Seelenruhe ausspricht und deren Aus-
führung in Marmor wohl die lieblichste Arbeit des verehr-
ten Meisters ist, ein bis in's Einzelnste getreues Bild rei-
ner weiblicher Kindheit, wodurch der Stein zum geistigen
Hauch geworden zu seyn scheint. Freilich wäre die Zusam-
menstellung dieser Statue mit jener des Amor von dem-
selben Künstler, welche sich bisher in einem sehr geeigneten
'Lokale im königlichen Schlosse zu Stuttgart befand, kein
unpassender Wunsch. Jndcß gewährt jede dieser Figuren
auch für sich allein so reichen Genuß, daß man sich dnrch
den weiteren Weg von der einen zur anderen nicht schrek-
ken läßt.

Eine Beschreibung der Frescogemälde des Rosen-
steins soll mein zweiter Bericht enthalten.

(Die Fortsetzung folgt.).
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