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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 55.1919/​1920 (Oktober-März)

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Nr. 14 (2. Januar 1920)
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Grautoff, Otto: Pierre Auguste Renoir
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https://doi.org/10.11588/diglit.29588#0324

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286

PIERRE AUGUSTE RENOIR t1)

VON OTTO GRAUTOFF

Lugete Veneres Cupidinesque.

RENOIRS Kunlt ift problemlos. Er war nur Maler aus Freude am far-
bigen Sdiein. La joie de peindre! »Diefes Wort«, berichtete Jacques
Scbnerb nach einem Befuche bei Renoir, »kehrte in feiner Unterhaltung immer
wieder.« Die Erinnerung an die Zeit, als er Jeanne Samary malte, wurde
in ihm lebendig, und er erzählte: »Sie war eine der entzüdtendften Frauen,
die icb je gefehen habe: jung, frifdh, vollblütig und fehr temperamentvolh
Sie führte mir den ganzen Mädchenflor des Konfervatoriums zu. Idi habe
Ile alle gemalt, einzeln und in Gruppen. Damals entftand u. a. la sortie
du conservatoire. Aber Gruppenbilder habe idi niemals fo gerne gemalt
wie Einzelbildnilfe. In jedem jungen Mädchen fteckt eine Venus.«

AIs Ambroife Vollard Renoir einmal fragte, welche Kleider und Hüte
der Frauen Renoir vorziehe, antwortete er:

»Wenn ich aufrichtig fein foll, fo werde idh Ihnen fagen, daß ich die Frau
am liebften nadct male. Geht das nicht, fo gebe ich dem Prinzeßldeid den
Vorzug, weil es dem Frauenkörper eine fo fließende Linie verleiht. AIs
Kopfbededcung gefällt mir der Glockenhut am beften. Gerade, weil er ver-
deckt! Die Araber haben begriffen, daß nichts fo verführerifch wirkt als eine
Frau, die nichts zeigt. Wenn die Frauen nicht fo dumm wären, fo wüßten
fie, daß die einzige Art, immer jung zu erfcheinen, die ift, nichts zu zeigen
afs die Augen.«

In diefen perfönlichen Äußerungen hat fich die problemlofe Sinnesfreude
und das Franzofentum Renoirs in gleicher Weife enthüllt. Renoir war zu
allen Zeiten feines Lebens unpolitifdi. Aber fein Raffebewußtfein war ftets
lebendig, und er lehnte einen nivellierenden Internationalismus ab. AIs Vollard
ihn fragte: »Haben fich die Impreffioniften nicht fremdländifchen, vor allem
japanifdien Einflüffen ergeben?« antwortete er: »Ja leider zu Anfang. Die
japanifchen Holzfchnitte find fehr geiftreich, aber nur in ihrem Charakter
als japanifche Holzfchnitte, d. h. unter derBedingung, daß fie in Japan bleiben.
Ein Volk, das keine Dummheiten begehen will, darf fich nicht etwas an-
eignen, was nicht von feiner Raffe ift. Sonft gelangt man nur allzu fchnell
zu einer Art von Univerfalkunft ohne jede eigene Phyfiognomie.« Idh pflege ge~
legentlich in Vorlefungen die Badenden von Fragonard und die Badenden
von Renoir gegenüberzuftellan, um Renoirs Franzofentum und feine engen
Beziehungen zum 18. Jahrhundert zu illuftrieren. Beide Meifter Frankreichs

1) Geb. 25. Febr. 1841 zu Limoges, geft. 3. Dez. 1919 in Cagnes in der Provence.
 
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