Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 100

Zusammengesetzte philosophisch-philologische Sammelhandschrift

Papier · 2, 145, 1 Bll. · 20,5 × 13,8 cm · I. Ober- oder Mittelitalien (Florenz?) / II. Oberitalien (Venedig?) · I. 1. Viertel 16. Jh. / II. ca. 1520–1530


Schlagwörter (GND)
Philosophie / Spätantike / Rezeptionsgeschichte.
Diktyon-Nr.
65833.
Ir Lateinische Inhaltsbezeichnung der Fuggerbibliothek
Iv vacat
Faszikel I
1) 1r–124v Simplicius Cilicius, Commentarius in Epicteti Enchiridion
124v–126v vacant
Faszikel II
2) 127r–142r (Georgius) Gennadius Scholarius, Introductionis in grammaticam excerptum
3) 142r–v Anonymus, Etymologici magni excerptum
4) 143r–145v Michael Apostolius, De poeticis tropis

Kodikologische Beschreibung

Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
2, 145, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
20,5 × 13,8 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Hs. aus 2 Faszikeln zusammengesetzt (I. Bl. 1–126; II. Bl. 127–145). (I-1)1a + 1I + … + (I-1)146*. Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 146*.
Foliierung
Vatikanische Foliierung (f. I, 1–145) im Kopfsteg rechts. Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 146*).
Lagenzählung
Keine durchgängige Lagenzählung vorhanden, siehe zu den einzelnen Faszikeln.
Wasserzeichen
In beiden Faszikeln durchgängig Arbalète/Armbrust im Doppelkreis mit Stern, sehr ähnlich WZIS DE5580codgraec231_V für ein Papier italienischer Herkunft (siehe auch Hadot, La tradition, siehe Literatur, S. 97).


Nachträge und Benutzungsspuren
Signaturenmarke der BAV auf dem Vorderspiegel. F. I wurde für die Fuggerbibliothek ergänzt. Auf diesem Bl. befindet sich die Capsa-Nr. C. 84, darunter die Alliacci-Signatur 99 und der Sammlungs- bzw. Herkunftsvermerk egnat(ius) als Hinweis auf den Vorbesitzer Giovanni Battista Cipelli; daneben Fuggersignatur. Außerdem die lateinische Inhaltsbezeichnung Simplicii comment. in Epictetum (vgl. den entsprechenden Eintrag im Pal. lat. 1950, f. 193r). Bibliotheksstempel der BAV auf f. 1r, 145v sowie eine vatikanische Signaturenangabe im Fußsteg von f. 1r. Weitere Zusätze siehe jeweils zu den Faszikeln.

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, Bd. 2, S. 909.
Provenienz
Venedig / Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Zentraler Text dieser zusammengesetzten, von Konstantin Mesobotes erstellten Handschrift ist der Epiktet-Kommentar von Simplikios. Wie Hadot, La tradition, siehe Literatur, S. 49–56 u. 85, herausgearbeitet hat, ist Faszikel I des heutigen Pal. gr. 100 eine der insgesamt vier Abschriften des Cod. Vat. gr.327, f. 1r–93r, den der venezianische Priester und Kopist Georgios Tribizias etwa 50 Jahre zuvor erstellt hatte. Der Bleistifteintrag scripsit Joa Rhoso auf f. 93r des o.g. Vaticanus führt allerdings in die Irre, da auf Johannes Rhosos nur der Titel zurückgeht. Schwesterhandschriften des Pal. gr. 100 im engeren Sinne sind nach Hadot die Kodizes Pal. gr. 276 (datiert 20. März 1468, Schreiber war Johannes Rhosos), Lond. add. 10.064 (ebenfalls Rhosos in Venedig, 15. November 1469), Perus. gr. 173 (Rhosos in Venedig, 8. Juni 1471) und Rossian. 1023 (zum größten Teil von Konstantin Mesobotes, siehe auch Hadot, La Tradition, siehe Literatur, S. 58 Anm. 2). Dabei ist die heute in Perugia aufbewahrte Handschrift eine Kopie des Londinenis und der Rossaniensis eine Kopie des Pal. gr. 100. Ein Blick auf die gesamte Überlieferungssituation zeigt, dass sich dieser Text insbesondere zu Lebzeiten des Kardinals Bessarion einer größeren Beliebtheit erfreute und entsprechend häufig abgeschrieben wurde. Bessarion kann wohl als treibende Kraft hinter der auf den ersten Blick ungewöhnlich hohen Zahl an Vervielfältigungen des eher kurzen Simplikios-Kommentars bezeichnet werden (vgl. Hadot, La tradition, S. 44). Sein Tod im November 1472 führte nun dazu, dass die von Bessarion finanziell abhängigen Schreiber im Umfeld des Michael Apostoles, zu denen auch Johannes Rhosos gehörte, ihre regelmäßigen Einkünfte verloren. Auch Apostoles selbst gelang es danach nicht mehr, in Italien wirtschaftlich Fuß zu fassen und er zog sich nach Kreta zurück. Ein Blick in den oben genannten Überlieferungsstrang zeigt nun, dass diese Manuskripte mit Ausnahme des Pal. gr. 100 und seines Apographons in einer formal ansprechenden, gut lesbaren und damit für einen lukrativen Verkauf tatsächlich geeigneten Form hergestellt wurden. Der hier behandelte Codex und sein Abkömmling fallen dabei nicht nur im qualitativen Vergleich stark ab. Sie wurden ja auch erst einige Zeit nach der Vorgängergruppe erstellt. Dazu kommen im Fall des Pal. gr. 100 eine Vielzahl von philologischen Nachkorrekturen durch den Schreiber selbst sowie lacunae im fortlaufenden Text, die teils nicht mehr ausgefüllt wurden. Weiterhin wurden die Werk- und Abschnittsinitialen wohl ohne die Absicht einer späteren Ausführung durch einen Rubrizisten nur auf den linken Seitenstegen angegeben. All dies legt nun den Schluss nahe, die Handschrift in erster Linie mit dem 1528 in Venedig erschienenen Erstdruck des griechischen Simplikios-Textes in Verbindung zu bringen. Der Schreiber Konstantin Mesobotes, der dem Umkreis des aus Kreta stammenden venezianischen Druckers Zacharias Kallierges zuzurechnen ist (siehe RGK I, Nr. 224) und zwischen 1508 und 1533 in Oberitalien arbeitete, musste zu diesem Zweck eine geeignete Druckvorlage finden. Möglicherweise wusste man in Venedig noch um den von Georgios Tribizias geschriebenen Vat. gr. 327, der seinerzeit von Johannes Rhosos sogar noch nachkorrigiert und somit als geeignete Druckvorlage erachtet worden war. Nachweislich befand sich der Vat. gr. 327 nur im Winter 1468/69 in Venedig (dazu s.o.) – und damit natürlich viel zu früh für Konstantin Mesobotes. Über den weiteren Verbleib des Vaticanus liegen zwei unterschiedliche Angaben vor. Nach den Einträgen in den Inventari di manoscritti greci delle Biblioteca Vaticana sotto il pontificato di Giulio II [1503–1513] (Intr., ed. e comm. a cura di Giacomo Cardinali, Città del Vaticano 2015, S. 116 u. 212) soll er sich ab 1484 in Rom befunden haben. Allerdings ließe sich diese Notiz auch ohne weiteres auf den älteren und überlieferungsgeschichtlich sogar wichtigeren Vat. gr. 326 beziehen, zumal die Entscheidung Cardinalis für die Folgehandschrift nicht näher erläutert wird. Die zweite und dabei eindeutig verifizierbare Angabe besagt, der Vat. gr. 327 habe sich bereits im April 1537 im Besitz der Familie Ridolfi befunden (siehe Davide Muratore, La biblioteca del Cardinale Niccolò Ridolfi, I, Alessandria 2009, S. 64) und damit in Florenz, um erst nach dem erfolgreichen Giftanschlag auf den als »papabile« geltenden Kardinal Niccolò Ridolfi im Januar 1550 aus dessen veräußerter Erbmasse den Weg nach Rom zu nehmen. Für Florenz spricht dabei, dass Konstantin Mesobotes ganz ähnliches Papier benutzte wie es auch für den dort geschriebenen Cod. Mon. gr. 231 Verwendung fand, und für diesen Zeitraum zumindest auch sein längerer Aufenthalt in Bologna belegt ist. Einen Zugang zum Etymologicum magnum (= Faszikel II, siehe Text 3) dagegen dürfte Mesobotes in erster Linie über dessen im Jahr 1499 von Kallierges erstellten Druck besessen haben und nicht unbedingt über die Bibliothek Niccolò Ridolfis, auch wenn dieser mit dem Cod. Par. gr. 2654 über eines der ältesten heute erhaltenen Exemplare dieses Nachschlagewerks verfügte. Gleich am Anfang und auch am Ende des venezianischen Simplikos-Erstdrucks findet sich übrigens ein Schreibfehler wieder, der Konstantinos Mesobotes unterlaufen sein muss und der in keinem anderen der früher von Rhosos bzw. Tribizias geschriebenen Kodizes begegnet: Die itazistische Verschreibung des Verfassernamens zu Συμπλίκιος. Auch weitere Fehler belegen, dass der Pal. gr. 100 tatsächlich Druckvorlage für Giovanni Antonio di Sabbio gewesen sein muss. Zusammengefasst heißt dies, dass sich über das Druckdatum im Jahr 1528 immerhin ein terminus ante quem ermitteln lässt, an dem Faszikel I des Pal. gr. 100 abgeschlossen war. Ein exakter terminus post quem lässt sich dagegen nicht benennen. Das verwendete Wasserzeichen hilft in Fragen der Datierung nicht sehr viel weiter, da es bislang zu schwach belegt ist. Geht man allerdings von einer Verbindung des Pal. gr. 100 mit dem griechischen Erstdruck aus, sollte man für die Entstehung einer entsprechenden Vorlage – eher großzügig bemessen – wohl die Zeit etwa ab dem Jahr 1520 ansetzen. Da Mesobotes häufig reiste, ist eine Aussage dazu, wo die Abschrift erfolgte, nur bedingt möglich. Florenz bzw. die Bibliothek Niccolò Ridolfis wäre aber ein durchaus plausibler Entstehungsort. Als Indizien dafür, dass die Abschrift von Faszikel I eben nicht in Venedig, sondern anderenorts und unter einem gewissen Zeitdruck erfolgte, könnten das sehr flüchtige Schriftbild sogar ohne Hervorhebung des Titels und die oft ineinanderlaufenden Zeilen gewertet werden. Die philologisch-rhetorischen Nacharbeiten wurden danach in einem zweiten Schritt durchgeführt. Dabei muss Konstantin Mesobotes aber noch mit der Möglichkeit eines weiteren Verkaufs seiner Handschrift gerechnet haben, da er mit dem Cod. Rossan. 1023 nochmals eine Abschrift des Simplikios-Kommentars auf Grundlage des Pal. gr. 100 anfertigte. Alternativ könnte man allenfalls an eine revidierte Druckvorlage denken, da nach Hadot, La tradition, S. 59, der Cod. Rossan. 1023 im Vergleich mit seiner Vorlage nochmals einige Verbesserungen aufweist. Bei alledem ist nun eher nicht davon auszugehen, dass Giovanni Battista Cipelli gen. Egnatius, der erste historisch nachweisbare Besitzer des Pal. gr. 100, auch ihr Auftraggeber war, da die von ihm veranlassten und seiner Bibliothek zuordenbaren griechischen Kodizes eher von besserer Qualität waren. Dass ihm die Handschrift aber tatsächlich einmal gehörte, geht aus dem Kaufvertrag hervor, der nach seinem Tod im Sommer 1553 durch Vermittlung Martin Gerstmanns zwischen seinen Erben und Ulrich Fugger abgeschlossen wurde. In einer Abschrift dieses Vertrags im Pal. lat. 1925 findet sich auf f. 106r unter Nr. 68 der entsprechende Eintrag Simplicius in Epictetum. Ob die grammatikalisch-rhetorischen Ergänzungen (= Faszikel II) zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Simplicus-Text verbunden waren, lässt sich nicht sicher entscheiden, denn weder der Vertrag, noch das in solchen Dingen zumeist sehr aussagekräftige fuggersche Vorsatzblatt geben eine Auskunft darüber. In diesen Zusammenhang sei allerdings der Hinweis Ernst Gamillschegs nicht übersehen, Mesobotes habe bisweilen ganze Handschriften aus dünnen Heften zusammengestellt (siehe RGK I, Nr. 223 [S. 125]). Dies wäre möglicherweise ja auch auf den Pal. gr. 100 anzuwenden, wobei Faszikel I eben um weitere Texte bzw. Exzerpte ergänzt worden wäre. Die getrennte Lagenzählung beider Faszikel belegt jedoch sicher, dass es sich von der Anlage her um zwei verschiedene Handschriften bzw. eine vollständige Handschrift und einen nicht abgeschlossenen Faszikel handelte. Zudem lässt sich keine sachlich notwendige Verbindung zwischen beiden Teilen herstellen, was die hier vorgenommene Einordnung des Codex als zusammengesetzte Handschrift rechtfertigt. Aus der Zeit in Venedig könnte aber noch die in geübter Kanzleischrift des 16. Jahrhunderts vorgenommene Paginierung stammen, weil sie derjenigen des venezianischen Erstdrucks entspricht. Alternativ wäre an Hieronymus Wolf zu denken, der 1560 die erste lateinische Übersetzung des Simplikios-Kommentars erstellte. Sie erschien 1563 als Teil seiner kommentierten zweisprachigen Epiktet-Ausgabe bei Oporin in Basel. Allerdings erwähnte Wolf im Gegensatz zum Epiktet-Text (dort Bd. 1, Bll. 13–14) nicht, auf welcher philologischen Grundlage er seine Übersetzung erstellt hätte. Mit der Vertreibung Ulrich Fuggers aus seiner Heimatstadt Augsburg gelangte im Jahr 1567 auch seine Bibliothek nach Heidelberg. Vertraglich vereinbart wurde deren Übergang in die Verfügungsgewalt der pfälzischen Kurfürsten und die Aufstellung in der Heiliggeistkirche. Die dort bereitgestellten griechischen Kodizes wurden im Heidelberger Inventar des Jahres 1571 verzeichnet, heute im Pal. lat. 1916 (die hier behandelte Handschrift siehe f. 549r mit dem Eintrag Simplicij commen. in Epictetum, char. 100. egna.). Nach dem Tod Ulrich Fuggers im Februar 1584 erfolgte der rechtsgültige Übergang seiner Bibliothek in den Besitz der pfälzischen Kurfürsten und in den Bestand der Bibliotheca Palatina. Im Zuge der Eroberung Heidelbergs im Jahr 1622 gelangte die Bibliothek und damit auch diese Handschrift als Geschenk des bayerischen Herzogs Maximilian an Papst Gregor XV. über München nach Rom, seither Aufstellung in der BAV.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_100
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 49; Gerard J. Boter, The Greek Sources of the Translations by Perotti and Politian on Epictetus’ Enchiridion, in: RHT 23 (1993), S. 171 Anm. 34, 173; Ilsetraut Hadot, La tradition manuscrite du commentaire de Simplicius sur le »Manuel« d’Epictete, in: RHT 8 (1978), S. 2, 7, 35, 45, 47, 49, 51, 52, 55–61, 85, 87, 97–98; Stefano Martinelli Tempesta, Alcune riflessioni sulla produzione scritta di Costantino Mesobote da codici Ambrosiani, in: Christian Brockmann et al. (Hrsg.), Griechisch-byzantinische Handschriftenforschung, Berlin /Boston 2020, S. 229 (die Hs. nur ohne weitere Behandlung gelistet).
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Faszikel I (Bl. 1–126)

Sachtitel / Inhalt
Simplicius, Commentarius in Epicteti Enchiridion.

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Oberitalien (?) / Mittelitalien (?) / Florenz (?). Siehe Geschichte der Handschrift.
Entstehungszeit
1. Viertel 16. Jh. Datierung aufgrund des Wasserzeichens, siehe auch Geschichte der Handschrift.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
126 Bll.
Format (Blattgröße)
20,5 × 13,8 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
12 V120 + III126.
Foliierung
S. zum Codex.
Lagenzählung
Griechische Lagenzählung von der Hand des Schreibers im Fußsteg links auf jeder ersten Rectoseite der einzelnen Lagen (αʹ [f. 1]–ιγʹ [f. 121]). Außerdem wurden die Blätter der einzelnen Lagen vom Schreiber römisch durchgezählt. Diese Ziffern, die einer einfacheren finanziellen Abrechnung dienten, sind zeittypisch, gingen jedoch in der Regel durch den Bindebeschnitt verloren.
Zustand
Trotz des eher hochwertigen Papiers weist der Faszikel an den Rändern durchgängig sowie stärker an Anfang und Ende Stockflecken auf. Insgesamt finden sich aber nur wenige über den Entstehungszeitraum hinausgehende Nutzungsspuren.
Wasserzeichen
Durchgängig Arbalète/Armbrust im zweikonturigen Kreis mit Stern außerhalb des Kreises, wohl identisch mit WZIS DE5580codgraec231_V (= Cod. Mon. gr. 231, datiert 1. Hälfte 16. Jh., für eine Hs. aus der Bibliothek des Petrus Victorinus). Zum Wasserzeichen siehe auch Hadot, La tradition, siehe Literatur, S. 97).

Schriftraum
16,5 × 9,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
33 Zeilen.
Schriftart
Individuelle Kopistenschrift des früheren 16. Jahrhunderts.
Angaben zu Schrift / Schreibern
: Konstantinos Mesobotes (siehe auch RGK III, Nr. 363). Erstidentifikation des Schreibers durch Dieter Harlfinger, vgl. Hadot, La tradition, siehe Literatur, S. 51.
Buchgestaltung
Eher flüchtiger und engzeiliger Texteintrag in einer Spalte, teils auch mit lacunae für spätere Korrekturen. Die Werktinitiale auf f. 1r wurde nicht ausgeführt und auch der Titel nicht vom Text abgesetzt. Außerdem wurde der Prolog nicht eigens gekennzeichnet. Der Epiktet-Text wird durch einfache, nach links ausgerückte Anführung angegeben, daran schließt zumeist der entsprechende Ἐξήγησις-Vermerk für den jeweiligen Kommentarbeginn an. Die Zählung der einzelnen Epiktet-Bücher mit griechischen Ziffern wurde auf den Seitenstegen angebracht. Dort finden sich auch die Nachkorrekturen, teils mit Semeiosis- oder Graphetai-Vermerken, die auf das Prototypon zu beziehen sind.
Buchschmuck
In der Handschrift fehlt jeglicher Buchschmuck, was bei für den Verkauf vorgesehenen Exemplaren eher ungewöhnlich wäre (siehe auch Geschichte der Handschrift).

Nachträge und Benutzungsspuren
Giovanni Battista Cipelli ergänzte oberhalb des Textes auf f. 1r mit ungeübter Schrift den Titel τοῦ ἐπικτήτου σιμπλισιοῦ [!]. Weiterhin findet sich auf den Seitenstegen eine lateinische Paginierung, die mit der 1524 in Venedig erschienen griechischen Ausgabe des Simplikios-Textes korrespondiert (Συμπλικίου ἐξήγησις εἰς τὸ τοῦ ἐπικτήτου ἐγχειρίδιον. Venetiis per Ioan. Antonium & Fratres de Sabio Anno Domino MDXXVIII, Mensis Iulii). Daneben wurden auf den Seitenstegen zahlreiche Korrekturen sowohl vom Schreiber Konstantin Mesobotes selbst als auch von einer anderen zeitgleichen Hand notiert.

Provenienz
Venedig / Augsburg / Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Siehe Geschichte der Handschrift.

Inhalt

1) 1r–124r Digitalisat

Verfasser
Simplicius Cilicius (GND-Nr.: 118642421).
Titel
Commentarius in Epicteti Enchiridion.
TLG-Nummer
4013.009.
Titel (Vorlage)
1r Συμπλικίου [!] μεγάλου φιλοσόφου, ἐξήγησις εἰς τὸ τοῦ ἐπικτήτου καλουμένου ἐγχειρίδιον.
Explicit
124r … καὶ ἄνδρας. Cυμπλικίου [!] φιλοσόφου ἐξήγησις εἰς τὸ τοῦ ἐπικτήτου καλουμένου ἐγχειρίδίον βιβλ(ίων) ξηʹ : τέλος.
Edition
Simplicius. Commentaire sur le »Manuel« d’Épictete. Introduction et edition critique du texte grec par Ilsetraut Hadot, Leiden/New York/Köln 1996, S. 192–454 (diese Hs. nicht herangezogen, da Kopie des Vat. gr. 327 = Sigle C und nachgeordneter Bestandteil der dort definierten Gruppe β).

Faszikel II (Bl. 127–145)

Sachtitel / Inhalt
Philologische Sammelhandschrift.

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Oberitalien / Venedig (?).
Entstehungszeit
Um 1520–1530 . Datierung aufgrund des Wasserzeichens, siehe auch Geschichte der Handschrift.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
19 Bll.
Format (Blattgröße)
20,5 × 13,8 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
V136 + (V-1)145.
Foliierung
S. zum Codex.
Lagenzählung
Griechische Lagenzählung von der Hand des Schreibers im Fußsteg links auf jeder ersten Rectoseite der einzelnen Lagen (αʹ [f. 127]–βʹ [f. 137]), jedoch keine Zählung der Einzelblätter wie im Falle von Faszikel I.
Zustand
Am Ende etwas Wurmfraß, einzelne Stellen wurden daher mit Japanpapier hinterlegt. Ansonsten so gut wie keine Nutzungsspuren. S. auch oben die entsprechenden Hinweise zum Codex.
Wasserzeichen
Arbalète/Armbrust im zweikonturigen Kreis mit Stern außerhalb des Kreises, wohl identisch mit WZIS DE5580codgraec231_V (= Cod. Mon. gr. 231, datiert 1. Hälfte 16. Jh., für eine Hs. aus der Bibliothek des Petrus Victorinus). S. auch Hadot, La tradition, siehe Literatur, S. 97).

Schriftraum
16,5 × 9,5–10,0 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
25 Zeilen.
Schriftart
Individuelle Kopistenschrift des früheren 16. Jahrhunderts.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Konstantinos Mesobotes (siehe RGK III, Nr. 363). Erstidentifikation des Schreibers durch Dieter Harlfinger, vgl. Hadot, La tradition, siehe Literatur, S. 51.
Buchgestaltung
Flüchtiger, engzeiliger Texteintrag mit breiten Rändern für Korrekturen. Überschriften werden nicht eigens vom Text getrennt. Initialen der Hauptabschnitte werden nach links auf die Seitenstege ausgerückt. Größere Abschnitte enden mit Doppelpunkt und einem überlängten Langstrich, die Kennzeichnung der einzelnen grammatikalischen Paragraphen oder Unterabschnitte erfolgt nur durch kleine Kola auf dem Blattrand. Paradigmentabellen zwei- oder dreispaltig ausgeführt. Nur in Text 5 finden sich die Zwischenüberschriften auf den Seitenstegen neben dem dazugehörigen Schriftblock. Auf f. 145v endet der Text abrupt.
Buchschmuck
Keinerlei Buchschmuck.

Nachträge und Benutzungsspuren
S. zum Codex.

Provenienz
Venedig / Augsburg / Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Es ist nicht mehr klar zu entscheiden, wo Konstantinos Mesobotes den zweiten Faszikel geschrieben hat. Vorlagen für die von ihm verwendeten Texte hätte er sowohl in Venedig, als auch in Florenz finden können. Das kurze, thematisch dem Bereich der Grammatik zuzuordnende Exzerpt aus dem Etymologicum magnum lag in seiner Wirkungszeit als Schreiber bereits in gedruckter Form vor (s.o.), sodass ein entsprechender Zugriff bei seinem Förderer und Arbeitgeber in Venedig leicht möglich gewesen wäre. Die Grammatik des Georgios Scholarius, die sowohl in Venedig (Marc. gr. X.012) als auch in Padua (Bibl. civ. CM 939 sowie Bibl. Univ. 591) vorlag, wäre gleichfalls leicht in Venetien zu kopieren gewesen. Für den Ausschnitt aus der von Tryphon Grammaticus erstellten und von Michael Apostoles nur noch etwas ausgeschriebenen Abhandlung (= Text 4) wäre am ehesten an den Pal. gr. 360 zu denken, der sogar aus dem Umfeld des Michael Apostoles stammte und sich um 1530 mit Sicherheit noch in Venedig befand. Was die zeitliche Zuordnung betrifft, spricht die Verwendung des gleichen Papiers und des fast identischen Schriftduktus für beide Faszikel dafür, dass sie auch etwa zeitgleich entstanden. Allerdings fehlt hier eine zeitliche Obergrenze wie das Druckdatum für den Text in Faszikel I. Ein durchaus realistisches Szenarium wäre aber – wie in vergleichbaren Fällen von Ernst Gamillscheg festgestellt – der Verkauf eines um Kopierreste erweiterten Haupttexts.

Inhalt

2) 127r–142r, l. 15 Digitalisat

Verfasser
Gennadius Scholarius (GND-Nr.: 118958062).
Titel
Introductionis in grammaticam excerptum.
TLG-Nummer
3195.052.
Angaben zum Text
Bei Jugie et al. endet der Text auf ἐγκαταμεμίχαται.
Titel (Vorlage)
127r ἰδία περὶ τῆς κλίσεως τῶν ἀρσενικῶν ὀνομάτων κυροῦ γεωργίου τοῦ σχολαρίου.
Incipit
127r ἅπαν ἀρσενικὸν ἑλληνικὸν ὅνομα …
Explicit
142r … καὶ διαρρήδην ἐγκαταμίσχομαι.
Edition
Martin Jugie/Louis Petit/ Xenophon A. Siderides, Γεωργίου Σχολαρίου ἅπαντα τὰ εὑρισκόμενα/ Oeuvres complètes de Georges Scholarios. VIII: Fin des oeuvres et des traductions philosophiques, grammaire, varia, appendices divers, Paris 1936, S. 35825–3782 (diese Hs. nicht herangezogen, da nur Exzerpt).

3) 142r, lin. 16–142v Digitalisat

Verfasser
Anonymus.
Titel
Etymologici magni excerptum.
TLG-Nummer
4099.001.
Incipit
142r Τὸ (ἄλφα) οὔκ ἐστι μέρος λόγου …
Explicit
142r … γαβριῶν καὶ σεμνηνόμενος .
Textgestaltung
Der Text setzt ohne klar erkennbare Trennung ein. Immerhin beginnt er mit einem Majuskel-Tau.
Edition
Etymologicon Magnum seu Verius Lexicon saepissime vocabulorum origines indagans ex pluribus lexicis scholiastis et grammaticis Anonymi cuiusdam opera coniunctum ad codd. mss. rec. et notis variorum instr. Thomas Gaisford, Oxford 1848, 14147–14215 (= Sp. 403–405; ND Amsterdam 1967).

4) 143r–145v Digitalisat

Verfasser
Michael Apostolius (GND-Nr.: 100955746).
Titel
De poeticis tropis.
Titel (Vorlage)
143r Μιχαήλου [!] ἀποστόλου βυζαντίου, ὥς γε ἐκ τῶν εἰς αὐτὸν γεγραμμένων ἐστὶ περιιδεῖν, παυλῶν ἐν 〈οἷς〉; τετυχήκει διεφθαρμένων ὄντων ἐπι διορθώσεις τῶν τρόπων, οἷς οἱ ποιηταὶ χρῶνται ἐν ταῖς σφητέραις φράσεσι καὶ ποιήμασιν ὅρος φράσεως.
Incipit
143r Φράσις ἐστὶ λόγος ἐγκατάσκευος … (= Zitat De tropis, 1911).
Explicit
145v … ὅτι τὰ τελευταῖα τοῖς πρώτοις συνάπτει (= Zitat De tropis, 19728).
Textgestaltung
Platzhalter für Initialen wurden am Falz eingesetzt, aber nicht entsprechend überschrieben.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Der Text bricht unvermittelt ab und wurde wohl nicht fertiggestellt.
Edition
In der hier vorliegenden Form ist der kurze Text unpubliziert. Im Wesentlichen handelt es sich jedoch um ein fast durchgehendes Zitat mit einigen paradigmatischen und christlichen, vielleicht der Unterrichtspraxis entnommenen Erweiterungen (insbes. im Abschnitt Περὶ αἰνιγμάτων) der Schrift von Tryphon Grammaticus, De tropis, in: Rhetores Graeci ex recog. Leonardi Sprengel, III, Leipzig 1854, S. 191–197. Daher kann man hier Michael Apostolios keine literarische Eigenständigkeit zugestehen.


Bearbeitet von
Dr. Janina Sieber, Dr. Lars Martin Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2020.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 100. Beschreibung von: Dr. Janina Sieber, Dr. Lars Martin Hoffmann (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2020.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.