Werkstatt des Diebold Lauber

Schild mit Straßburger Wappen (Cpg 403, fol. 103r)

Eine der bekanntesten und wahrscheinlich die produktivste Schreiberwerkstatt des 15. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum ist die des Diebold Lauber in Hagenau. Sie trat vermutlich die Nachfolge der "Elsässischen Werkstatt von 1418" an. Heute werden ihr nahezu 80 Handschriften zugeordnet. Das älteste Manuskript des Ateliers stammt aus dem Jahr 1427, das jüngste wurde 1467 geschrieben. Wahrscheinlich arbeitete die Werkstatt aber noch bis 1470.

Über Diebold Lauber, seine Biographie und seine Lebensumstände ist allerdings nur wenig bekannt. In den Hagenauer Urkunden ist er seit Mitte der vierziger Jahre des 15. Jahrhunderts bis 1471 nachweisbar. Lauber bezeichnete sich einmal selbst als:

dijpold la(u)ber schreyber, lert die kinder, aus: Cpg 314, fol. 4r

"dijpold la(u)ber schreyber, lert die kinder".

Er war also Lehrer, der sich nebenher wohl Geld als Stuhlschreiber verdiente. In den 50iger Jahren des 15. Jahrhunderts vermietete er außerdem Reisenden Ställe zum Unterstellen ihrer Pferde.

Seit etwa 1440 tritt er namentlich als Vermittler und Lieferant von handgeschriebenen Büchern in Erscheinung. Neben dieser organisatorischen Tätigkeit kam ihm innerhalb des Ateliers eventuell auch die Aufgabe eines Textredakteurs zu. In den Handschriften selbst ist seine Schreiberhand jedoch zunächst nur vereinzelt nachweisbar. Erst in den 1460iger Jahren scheint er häufiger als Kopist tätig gewesen zu sein.

Die Hagenauer Burg

Lauber wirbt für seine Werkstatt mit der Burg in Hagenau, dem Sitz der elsässischen Landvogtei. Ein Namensvetter, vermutlich ein Verwandter, war Bote, der auch für die Landvogtei tätig war. Wahrscheinlich bekam Diebold Lauber seine ersten Aufträge über Verbindungen zur Hagenauer Burg und über Kontakte, welche Landvögte und Unterlandvögte zu entsprechend gebildeten und finanzkräftigen Kreisen unterhielten.

Die Werkstatt hatte sich vor allem auf die Herstellung bebilderter Handschriften spezialisiert. Von den an die 80 Manuskripten blieben lediglich vier Codices und einige Fragmente ohne Bildschmuck. Dabei kann in Manuskripten des gleichen Textes die zahlenmäßige Ausstattung mit Bildern durchaus variieren. Die Codices entstanden zeitweise auch schon – wie später in den ersten Druckwerkstätten – auf Vorrat.

Die Organisation der Werkstatt

Betender König am Schreibpult von der Gruppe A (Cpg 20, fol. 161v)

Das Unternehmen „Lauber” war relativ groß. Es entwickelte sich wohl erst allmählich. Seine Organistationsformen wechselten, ebenso wie die Mitarbeiter, dementsprechend häufig. Zu Beginn muß es sich noch um einen relativ kleinen Betrieb gehandelt haben, der sich auf das Kopieren bestimmter Texte wie Historienbibeln beschränkte.

Die Schreibarbeiten wurden an Lohnschreiber vergeben, während die Bebilderung immer wieder von ein und derselben, eng zusammenarbeitenden Gruppe von Illustratoren ausgeführt wurde. In der Blütezeit der Werkstatt stellte man auch Handschriften anderer Werke her. Mit Schreib- und Malarbeiten wurden nicht nur ein fester Mitarbeiterstab, sondern – je nach Bedarf – auch immer wieder Gelegenheitskräfte beauftragt. Aber seit etwa 1455 gingen die Aufträge wohl zurück. Es entstanden nur noch wenige, sorgfältig ausgeführte Handschriften, die offenbar auf ganz individuelle Interessen abgestimmt waren. Die Zahl der Mitarbeiter ging anscheinend drastisch zurück.

Stets arbeiteten aber mehrere Schreiber und Zeichner für Lauber gleichzeitig. Die Manuskripte entstanden also regelrecht in Teamwork. Vor allem die Arbeitsgruppen der Illustratoren bestanden zum Teil über längere Zeit. Die Tätigkeit der sogenannten Gruppe A etwa, der 29 Handschriften zugeschrieben werden – u.a. Bilder der fünfbändigen Heidelberger Bibel in Cod. Pal. germ. 19, 20, und 22 – erstreckt sich von circa 1425 bis 1450 über 25 Jahre.

Namentlich bekannt sind meist jedoch nur die Schreiber der Handschriften: Im Cod. Pal. germ. 324 z. B. nennt sich auf fol. 352v ein Johannes port selbst, der nach dem Zusatz de argentyna aus Straßburg stammte.

Moses an seinem Schreibpult von Hans Ott (Cpg 19, fol.141v)

Überhaupt kennt man von den Mitarbeitern Laubers sonst nur selten Namen. Ein Diebold de Dachstein schrieb wohl das älteste, erhaltene Manuskript der Werkstatt, während der später in Luzern tätige Hans Schilling für die jüngeren Codices des Ateliers verantwortlich war. An den Illustrationen der Codices Pal. germ. 19, Pal. germ. 20 und Pal. germ. 23 aber hat ein Künstler mitgearbeitet, dessen Namen bekannt ist. Hinter dem Notnamen "Zeichner G", dem die Darstellungen schon früh zugeschrieben wurden, verbirgt sich Hans Ott. Dieser Maler läßt sich zwischen 1427 und 1449 in Straßburger Urkunden belegen. Er war wohl ein Buch- und Wandermaler, der sich gelegentlich auch als Schreiber betätigt hat.

Lauber hat die unter seiner Regie entstandenen Codices in späterer Zeit auch in handgeschriebenen Bücher-Anzeigen angepriesen. Deshalb galt er lange als erster verlagsmäßig arbeitender Buchhändler Deutschlands. Im Cod. Pal. germ. 314 hat sich die Abschrift einer solchen Anzeige erhalten:

Online-Präsentation Cod. Pal. germ. 314, fol. 4ar

Diese Methode der Werbung hatte Erfolg: Die Handschriften fanden weit über die Grenzen des Elsaß hinaus – vom Niederrhein bis in die Schweiz und vom Elsaß bis nach Nürnberg – Absatz.

Das Angebot Laubers an seine Leser

Das Programm der Werkstatt umfasste während ihrer Blütezeit nach Auskunft der Lauberschen Anzeigen ca. 45 Titel aus beinahe allen Sparten der Literatur. Von etwa der Hälfte der Texte haben sich tatsächlich eine oder mehrere Lauber-Handschriften erhalten. Ohne die Manuskripte Laubers gäbe es von manchen mittelalterlichen deutschsprachigen Werken sogar – wenn überhaupt – dann nur ein oder zwei Textzeugen. Erstaunlich ist, daß unter den Handschriften kein einziger lateinischer Codex ist, obwohl die Verkaufsanzeigen solche immer wieder erwähnen.

Die Leser der Lauberschen Handschriften stammten aus den höheren sozialen Schichten. Als Besitzer konnten z. B. begüterte Familien des Bürgertums nachgewiesen werden, deren Angehörige häufig den Aufstieg in Stadträte und in kommunale Parlamente oder in den niederen Adelsstand geschafft hatten. Darüber hinaus gehörten Mitglieder des hohen wie des niederen Adels zu Laubers Kunden. Meist waren sie auf irgendeine Weise mit den Höfen der Grafen von Württemberg, der Markgrafen von Baden und der Pfalzgrafen verbunden. Die elf Handschriften der Universitätsbibliothek könnten eventuell durch Ludwig IV. oder Friedrich I. von der Pfalz in die Bibliotheca Palatina gekommen sein. Zumindest dürften die Pfälzer Kurfürsten bereits im 15. Jahrhundert die Werkstatt und ihre Erzeugnisse gekannt haben, denn sie waren von 1408 bis 1504 im Besitz der kaiserlichen Landvogtei im Elsaß. So gehörte z. B. Pfalzgraf Ruprecht von Simmern-Zweibrücken (1420-1478), der seit 1439 Bischof von Straßburg war, erwiesenermaßen ebenso zu den Kunden Laubers wie der elsässische Unterlandvogt Rheingraf Johann IV. zu Dhaun und Kyrburg (1422-1476).

Digitale Volltext-Präsentation der Handschriften in der Universitätsbibliothek Heidelberg

Liste der Handschriften aus der Werkstatt Diebold Laubers in anderen Bibliotheken

Das Projekt "Diebold Lauber - digital", das Teil des Projektverbundes WRoTe (Wissensrohstoff Text) und ein Gemeinschaftsprojekt der Älteren Deutschen Literatur und der Informatik an der Universität Leipzig ist, will zur Frage der Organisation des Werkstattbetriebs einen Beitrag leisten. Dazu werden die drei Bereiche Schreiber, Maler und Papier/Wasserzeichen untersucht.

Die Handschriften und ihr Layout

Initialzierseite mit Überschrift, Initiale und Texturaschrift (Cpg 19, fol. 330r)

Die im Vergleich zur französischen Buchmalerei "einfache" künstlerische Ausstattung der Handschriften störte selbst die fürstlichen Kunden Laubers nicht. Im Gegenteil: Der Erfolg des Ateliers läßt sich unter anderem dadurch erklären, daß die Lauberschen Manuskripte eine Art "Markenartikel" waren, zu deren auffälligsten Kennzeichen das repräsentative Format gehörte. Dazu wurden die in der Mitte gefalteten handelsüblichen Foliobögen auseinandergeklappt und einzeln auf Falze geklebt.

Blattweiser, Initiale und Überschrift zum 72. Kapitel des Buches Genesis (Cpg 19, fol. 72v)

Geschätzt wurde vor allem die genormte Textgliederung und Ausstattung der Codices. Sie enthalten Register der durchnummerierten Kapitel und rote Kapitelüberschriften.

In der Heidelberger Parzival-Handschrift Cod. Pal. germ. 339 bekamen sogar die Illustrationen solche Nummern. Hinzu kamen an den Blatträndern sogenannte Blattweiser. Diese Einrichtung ermöglichte das schnelle und gezielte Auffinden bestimmter Textstellen. In der fünfbändigen Heidelberger Bibel etwa beginnen die "Bücher" in der Regel mit einem großen Eingangsbild auf der Verso-Seite des Blattes, dem eine Zierseite mit Initiale folgt. Der Text auf diesen Initialzierseiten wird in einer besonderen Auszeichnungsschrift, der sogenannten Textura, wiedergegeben. Bilder und Buchschmuck hatten hier auch textgliedernde Funktion.

Die Bilder der Bücher

Parzival vor König Artus

Eine Besonderheit innerhalb dieses Systems waren großformatige, meist ganzseitige Illustrationen. Besonders in den frühen Handschriften der Lauber-Werkstatt wurden sie wie Schlagworte eingesetzt, welche den Text erzählen und interpretieren.

Die Szenen spielen stets auf grünen Bodenstreifen, die in der Bildtiefe nur selten Hintergrundsdarstellungen aufweisen. Gebäude werden im Vergleich zu Personen stets zu groß dargestellt. Meist stimmt auch die Perspektive nicht. Dabei orientieren sich die Illustrationen stilistisch noch stark an der Darstellungsweise des 14. Jahrhunderts.

Durch eine falsche Grundrissperspektive wirken die Figuren manchmal wie schwebend. Auf fol. 113r des Cod. Pal. germ. 339 etwa wird dargestellt, wie Parzival von König Artus die Rüstung Ithers, den der naive Held zuvor im Kampf besiegt hatte, zum Geschenk erhält.

Der junge Parzival, links im Bild, hat angesichts dieser Ehre, die ihm von dem legendären König zuteil wird, den Bodenkontakt leicht verloren. Selbst die Rüstung, das Objekt der Begierde, hängt an einer Garderobe ohne Wand frei im Bildraum.

Die Rückkehr von Gahmurets Mannen

Treten einmal mehrere Personen in einem Bild auf, so hat die abgebildete Gruppe gelegentlich mehr Köpfe als Beine oder Füße. Dies trifft auch auf Pferde zu. So z. B. auf fol. 78v der schon oft genannten Parzival-Handschrift (Cod. Pal. germ. 339). Die Szene zeigt wie die Begleiter von Parzivals Vater Gahmuret zur heimatlichen Burg zurückkehren, um die Nachricht vom Tode ihres Herren zu überbringen. Dabei werden sie schon sehnsüchtig von den Edelfrauen erwartet. Bei dieser unheilvollen Rückkehr reiten auf zwei Pferden, nach der Anzahl der Hüte und Helme zu urteilen, fünf Personen.

Die späten Manuskripte konzentrieren sich dagegen auf die Schilderung von Details. Insbesondere fanden immer mehr Motive des alltäglichen Lebens Eingang in die Illustrationen. Unter der Leitung von Hans Schilling legten die Künstler des Ateliers außerdem größeren Wert auf eine sorgfältige Ausführung ihrer Zeichnungen.


Literatur

© Ulrike Spyra, Maria Effinger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 09/2008