Anthologia Palatina – Einführung

Online-Präsentation Cod. Pal. graec. 23, fol. 5r

Die Heidelberger Anthologia Palatina Cod. Pal. graec. 23 entstand im 10. Jahrhundert vermutlich in Konstantinopel. Für die Überlieferung der griechischen Literatur ist dieser Codex von ähnlich herausragender Bedeutung wie der Codex Manesse für die mittelalterliche deutsche Lyrik.

Die 3.765 Epigramme auf 614 Seiten dokumentieren mit ihren rund 23.000 Versen über 1600 Jahre griechischer Literaturgeschichte von den archaischen Anfängen im 6. Jahrhundert v. Chr. bis in das byzantinische 10. Jahrhundert. Ein beträchtlicher Teil dieser Gedichte ist ausschließlich in der vorliegenden Handschrift überliefert. Der kostbare Pergamentcodex baut auf der um 900 entstandenen älteren Anthologie („Blütensammlung“) des konstantinopolitanischen Hofgeistlichen und Gelehrten Konstantinos Kephalas auf, der eine vollständige Zusammenführung älterer Sammlungen angestrebt hatte. Die thematische Vielfalt der Gedichte – Krankheit und Tod, Liebe und Erotik, der Mythos und die christliche Religion, die Arbeitswelt von Seeleuten und Bauern – lässt kaum einen Lebensbereich außer acht.

Die mittelalterliche Geschichte des Codex blieb bis heute weitgehend im Dunkeln. Wie viele griechische Handschriften dürfte er in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts nach Italien gelangt sein. Um 1600 befand sich die Anthologie in der berühmten Heidelberger Bibliotheca Palatina, von der sie ihren Namen erhielt. 1623 mit der gesamten Bibliotheca Palatina in die Vaticana verbracht, wurde dort ein kleinerer Teil der Sammlung in einen 2. Band separiert. Mit 500 anderen bedeutenden vatikanischen Handschriften kamen die beiden Teile der Anthologie 1797 auf Anordnung Napoleons nach Paris, von wo der erste, umfangreichere Band dann 1816 wieder nach Heidelberg zurückgegeben wurde.

(Dr. Veit Probst, Universitätsbibliothek Heidelberg, 10/2012)

Zum digitalen Faksimile:

Anthologia Palatina — Konstantinopel, 2. Hälfte 9. Jh. und 1. Hälfte 10. Jh.
Teil 1 (fol 1-614): Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. graec. 23
Teil 2 (fol. 615-662): Paris: Bibliothèque nationale de France, Supplément grec 384