Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 125

Heliodorus, Aethiopiaca

Papier · 2, 160, 1 Bll. · 21,5 × 14,5 cm · Venedig oder Padua · Zwischen 1503 und 1508


Schlagwörter (GND)
Antike / Griechisch / Roman / Aethiopiaca.
Diktyon-Nr.
65857.
Ir Lateinischer Inhaltsvermerk (Fuggerbibliothek)
Iv vacat
1) 1r–158v Heliodorius, Aethiopiaca
2) 159r Theodorus Prodromus (?), Epigramma ad Heliodorii Aethipiacam

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Venedig oder Padua. In Padua war das Schreibatelier von Zacharias Kallierges angesiedelt. Für Venedig spricht jedoch, dass sich die Hs. im Besitz von Giovanni Battista Cipelli befand.
Entstehungszeit
Zwischen 1503 und 1508. Dafür sprechen die Verwendung des weit verbreiteten und im Atelier des Kallierges häufig verwendeten Wasserzeichens (belegt ab ca. 1498, siehe dort) sowie die biographischen Details der beiden Schreiber. Zacharias Kallierges war 1490 aus Rethymnon (Kreta) nach Venezien gekommen, wo er bis 1514 (in Venedig und Padua) als Kopist und Drucker arbeitete. Danach Übersiedlung nach Rom, wo Kallierges mit dem Cod. Ottob. gr. 49 für das Jahr 1524 zum letzten Mal historisch greifbar ist. Auch Michael Triboles, der in Florenz und Venetien tätig gewesen war, verließ Venedig etwa zu derselben Zeit und lebte ab ca. 1520 als Mönch Maximos Triboles auf dem Berg Athos (weitere biographische Details zu den Schreibern siehe RGK I, Nr. 197 u. 287). Für die Entstehung der vorliegenden Hs. ist jedoch eine weitere zeitliche Eingrenzung möglich. Der Codex ist nämlich Apographon des Cod. Paris. gr. 2905 (vgl. Dörrie, De Longi, siehe Literatur, S. 10), der sich seit 1491 im Besitz des aus Konstantinopel stammenden Humanisten Iohannes bzw. Ianos Laskaris befand. Dieser hielt sich zwischen 1503 u. 1508 als französischer Gesandter in Venedig auf, beteiligte sich dort u.a. an den griechischen Druckwerken des Aldus Manutius, um damit aber auch die Gelegenheit für Abschriften seiner eigenen Codices zu bieten. Schwesterhs. des Pal. gr. 125 ist der Paris. gr. 2896, an deren Entstehung Kallierges gleichfalls beteiligt war. Letztere verblieb jedoch vorerst im Besitz des Iohannes Laskaris.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
2, 160, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
21,5 × 14,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 1I + 16 V160 + (I-1). Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel ist Gegenbl. von 161*.
Foliierung
Vatikanische Foliierung (f. I, 1–160) mit Bleistift im Kopfsteg rechts. Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 161*).
Lagenzählung
Im ersten, auf Kallierges zurückgehenden Teil der Hs. Textreklamanten von der Hand des Schreibers im Bundsteg am Ende der Lage. Die griechische Lagenzählung im zweiten Teil befand sich im Fußsteg rechts auf dem jeweils ersten Recto der Lagen, ist aber durch Beschnitt bis auf wenige Reste (etwa f. 111r) verloren.
Zustand
Lagerungsschäden, daher insbesondere an den Rändern stockfleckig (wohl den unterschiedlichen Transporten geschuldet). Ansonsten in sehr gutem Zustand, da die Hs. kaum benutzt wurde.
Wasserzeichen
Ancre/Anker 11, nach Harlfinger, II, belegt für Leiden Februar 1504. Ganz ähnlich auch Briquet, Nr. 492, belegt für Lucca 1522. Das Ankermotiv.

Schriftraum
15,0 × 9,2 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
24 Zeilen.
Schriftart
Individuelle griechische Kopistenschriften der Entstehungszeit. Zur Beschreibung im einzelnen für Zacharias Kallierges siehe RGK I, Nr. 197 u. III, Nr. 197 sowie für Michael Triboles RGK I, Nr. 287 u. III, Nr. 469. Beide sind auch von der Schrift her, die noch mit den Buchschriften des 15. Jhs. verbunden ist, als Zeitgenossen anzusehen. In der Zählung jeweils am Buchanfang gelegentlich noch formale Anklänge an alten die Auszeichungsschriften.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Hand A = f. 1r–20v, f. 15 r–v vacat = Zacharias Kallierges (aufgrund von Vergleichshandschriften, siehe etwa); Hand B = Michael Triboles (aufgrund Schriftvergleich, siehe etwa die Codd. Vat. Gr. 1379, f. 1–24, Barb. gr. 100, Escor. Ψ.Ι.1). Die Schreiberkombination Zacharias Kallierges u. Michael Triboles begegnet etwa auch im bereits erwähnten Vat. Gr. 1379. Knapp 800 griechische Handschriften gehen auf Kallierges zurück, von denen ein größerer Teil von ihm jedoch nur begonnen und von unterschiedlichen Schreibern seines Ateliers fertiggestellt wurde.
Buchgestaltung
Großzügiger Texteintrag auf den Seiten entsprechend dem sog. goldenen Schnitt. Auf den Außenstegen signa marginalia propria, die aus der Textvorlage übernommen wurden. Buchwechsel zumeist auf einer neuen Seite, wobei der Text auf der vorangehenden Seite figürlich ausläuft, wenn dies der noch zu Verfügung stehende Raum erforderte. Titel und Buchinitialen farblich abgesetzt, ansonsten keine Abschnittsmarkierungen.
Buchschmuck
Oberhalb des Textes ein wässrig rotes verziertes Seilband mit Palmetten an den Enden. Gleichfalls rot eingetragen wurde der Titel mit Buchzählung sowie die auf die Außenstege ausgerückten Werk- und, im weiteren Verlauf, Buchinitialen (Höhe bis zu fünf Textzeilen), die mit etwas Fleuronné ausgestaltet wurden. Über Buch II–X nur die Zählung mit roter Tinte, wobei die dafür begonnenen Zeilen mit schlichten Zierelementen ausgefüllt sind. Sonst keinerlei Schmuck, damit aber charakteristische Humanistenhandschrift der Renaissance.

Nachträge und Benutzungsspuren
Capsa-Nr. C. 96 u. Erwerbungsvermerk egnat(ius) Signatur auf f. Ir, darunter lateinische Inhaltsbezeichnung von der Hand Henri Estiennes Heliodori æthiopica historia. Außerdem vatikanische Signatur 125, aktuelle Signatur wiederholt im Fußsteg von f. 1r. Bibliotheksstempel der BAV auf f. 1r u. 159r .Auf den Außenstegen finden sich neben gelegentlichen Zwischenüberschriften auch philologische Kommentierungen u. Ergänzungen, was auf Korrekturdurchgänge nach Fertigstellung schließen lässt. Auf den Bundstegen außerdem mit schwarzer Tinte vermerkt der Verweis auf die Textfolge im Cod. Monac. gr. 157.

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
Provenienz
Venedig / Heidelberg / Augsburg.
Geschichte der Handschrift
Erster Eigentümer und womöglich sogar Auftraggeber der Handschrift war der venezianische Humanist Giovanni Battista Cipelli, gen. Egnazio (vgl. den entsprechenden Sammlungsvermerk auf f. Ir), zu dessen Schützlingen u.a. auch ihr Schreiber Zacharias Kallierges gehörte. Nach Cipellis Tod am 27. Juni 1553 erfolgte im Oktober desselben Jahres der Verkauf seiner griech. Handschriften an Ulrich Fugger (unter Mitwirkung von Henri Estienne u. Martin Gerstmann), siehe die entsprechende Vertragsabschrift im BAV, Pal. lat. 1925, f. 105r, Nr. 33 (Heliodori de Aetiopica historia libri. 18 [!]). Nach seiner Privatinsolvenz im Jahr 1564 Vertreibung des zum Protestantismus bekehrten Ulrich Fugger aus Augsburg, der sich daraufhin auf Einladung des pfälzischen Kurfürsten Friedrichs III. in Heidelberg niederließ. Hierhin folgte ihm 1567 seine mittlerweile sehr bekannte Bibliothek. Aufstellung eines größeren Teils der Codices bereits damals in der Heiliggeistkirche. Spätestens nach dem Tod Ulrich Fuggers am 25. Juni 1584 rechtsgültiger Übergang der von Fugger entsprechend in den Besitz der Kurpfalz verfügten Bibliothek. 1622/23 im Zuge der Eroberung Heidelbergs Verbringung der Hs. als Teil des nicht restituierbaren Beuteguts des bayerischen Herzogs Maximilian über München nach Rom, seither Aufbewahrung in der BAV.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_125
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 59; Nunzio Bianchi, Lettori di Eliodoro a Bisanzio. Il carme per Cariclea, in: Graeco-Latina Brunensia 15 (2010), S. 14; Heliodori Aethiopica rec. Aristides Colonna, Rom 1938, S. XXVII, 370–371; Aristides Colonna, Un epigramma di Teodoro Prodromo sulla “Cariclea” di Eliodoro, in: Sergio Felici (ed.), ‘Humanita’ classica e ‘Sapientia’ cristiana. Scritti offerti a Roberto Iacoangeli, Rom 1992, S. 61–63; Ders., Per una edizione critica delle „Ethiopiche“ di Eliodoro, in: Rendiconti della R. Accademia Nazionale dei Lincei, Cl. Di Scienz. Morali, Histor. e Filolog., s. VI, 7 (1931), S. 280–281 (diese Hs. ausgeschieden, da Apographon); De Longi Achillis Tatii, Heliodori memoria scripsit Heinrich Dörrie, Leipzig 1935, S. XI, 10, 89–90 (= Diss. Göttingen 1935; diese Hs. Sigle m2, Text ist jedoch entgegen dem Hinweis auf S. 10 vollständig); Lehmann, Fuggerbibliotheken, II, S. 90; Otto Mazal, Die Textausgaben der „Aithiopica“ Heliodors von Emesa, in: Gutenberg-Jahrbuch 1966, S. 184–186; Ingela Nilsson/Nikos Zagklas, “Hurry up, reap every flower of the logoi!” The Use of Greek Novels in Byzantium, in: Greek, Roman and Byzantine Studies 57 (2017), S. 1129–1130; Robert M. Rattenbury, The Manuscripts and Editions of Heliodoros, in: Classical Quarterly 19 (1925), S. 177–181; Ders., Rez. zu Dörrie, De Longi Achillis Tatii, Heliodori memoria, in: Gnomon 13 (1937), S. 362; Stefec 2014, S. 185.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–158v Digitalisat

Verfasser
Ps.-Heliodorus Emesenus (GND-Nr.: 118548808).
Titel
Aethiopiaca.
Angaben zum Text
F. 1r–20r Liber I (f. 15r–v vacat), f. 20r–38r Liber II, f. 38v–47v Liber III, f. 48r–60v Liber IV, f. 61r–79r Liber V, f. 79v–90r Liber VI, f. 90v–110r Liber VII, f. 110v–124r Liber VIII, f. 124r–138v Liber IX, f. 139r–158v Liber X.
Titel (Vorlage)
1r ἡλιοδώρου αἰθιοπικῶν περὶ θεογνὴν καὶ χαρικλείαν βιβλίον πρῶτον.
Schrift / Schreiber
Schreiberwechsel ab f. 20r, siehe auch Angaben zu Schrift / Schreibern.
Edition
Ἡλιοδώρι Αἰθιοπικῶν βιβλία δέκα. Heliodori Aethiopicorum libri X. Collatione mss. Bibliothecae Palatinae et aliorum emendati et multis in locis aucti, Heidelberg 1596 (Erstausgabe eines griech. Textes, möglicherweise durch Friedrich Sylburg, auf Grundlage mehrerer Hss., wobei diese als Leiths. verwendet wurde; die Ausgabe Basel 1534 erfolgte allein auf der Grundlage des Cod. Monac. gr. 157); Les Éthiopiques (Théagène et Chariclée), I–III, Texte établi par Robert M. Rattenbury et Thomas W. Lumb, trad. par Jean Maillon, 2me éd. Paris 1960 (unveränderter ND 2003; diese Hs. Sigle P als Teil der sog. stirps β eingeordnet, jedoch auch als Apographon des Cod. Paris. gr. 2896 behandelt); Heliodori Aethiopica, hrsg. von Aristides Colonna, Rom 1938, 2 Bde. (diese Hs. Sigle P, aber nicht mehr für die Kollationierung benutzt, da Apographon).

2) 159r Digitalisat

Verfasser
Theodorus Prodromus (?) (GND-Nr.: 1109488408).
Titel
Epigramma in Heliodorii Aethiopicam.
Incipit
159r Ἐστυφελίχθην ὦ χαρίκλεια κόρη, ψυχήν …
Explicit
159r … σῷ νυμφίῳ θεαγένει.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Bislang bekannte weitere Textzeugen für das Gedicht sind der Cod. Monac. Gr. 157, f. 167v (nur erster Teil) sowie als Schwesterhs. mit gemeinsamer Vorlage der Cod. Paris. gr. 2905, f. 155r. In dem zugrunde liegenden Cod. Paris. gr. 2896 fehlen diese Verse jedoch. Bianchi, Lettori, siehe Literatur, S. 13–24 möchte das Gedicht Niketas Eugenianos zuweisen, was jedoch ebenso hypothetisch bleiben muss wie die seit Colonna angenommene und von Nilsson u. Zagklas (siehe Literatur) nochmals untermauerte Zuweisung an Theodorus Prodromus.
Edition
Ἡλιοδώρι Αἰθιοπικῶν βιβλία δέκα. Heliodori Aethiopicorum libri X. Collatione mss. Bibliothecae Palatinae et aliorum emendati et multis in locis aucti, Heidelberg 1596, S. 520 (Erstdruck des griech. Textes auf Grundlage dieser Hs.); Heliodori Aethiopica rec. Aristides Colonna, Rom 1938, S. 370–371 (diese Hs. nur Apographon); Editionsgeschichte offenbar unbekannt in Ingela Nilsson /Nikos Zagklas, “Hurry up, reap every flower of the logoi!” The Use of Greek Novels in Byzantium, in: Greek, Roman and Byzantine Studies 57 (2017), S. 1129–1130.


Bearbeitet von
Dr. Lars Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 26.04.2020.
Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.