Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 186

Apollonius Rhodius

Pergament · 1, 107, 1 Bll. · 27,5 × 18,2 cm · Florenz (?) · Zwischen 1424 und 1459


Schlagwörter (GND)
Antike / Apollonius Rhodius / Hellenismus / Epos.
Diktyon-Nr.
65918.
1ar–1av vacat
Ir Schenkungsexlibris
Iv Besitzvermerk, Inhaltsverzeichnis
1) 1r–104r Apollonius Rhodius, Argonautica
2) 104r–106r Anonymus, Prolegomena scholiorum in Apollonium Rhodium
106v–107*v vacant

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Florenz (?). Aufgrund des Besitzers Giannozzo Manetti (vgl. f. Iv) kommt Florenz infrage (Irigoin 1981, S. 423f.; ders. 2000, S. 697).
Entstehungszeit
Zwischen 1424 und 1459 . Da es sich um einen descriptus des Laurentianus Pluteus 32,9 handelt (Weinberger 1897, S. 3f.; Fränkel 1929, S. 167f.; Fränkel 1964, S. 59), kann die Abschrift erst erfolgt sein, als sich der Laurentianus in Italien befand: Dieser wurde im Auftrag des Florentiner Humanisten Niccolò Niccoli durch den Gesandten Giovanni Aurispa in Konstantinopel erworben, als er sich dort zwischen 1421 und 1423 aufhielt (vgl. Schreiner 1994, S. 630f.). Nach Florenz gelangte die Handschrift 1424 (terminus post quem für die Abschrift). Als terminus ante quem für die Abschrift des Palatinus lässt sich der Tod des auf f. Iv genannten Besitzers Giannozzo Manetti, einem Freund Niccolis, im Jahr 1459 bestimmen (Irigoin 1981, S. 423f.; ders. 2000, S. 697).
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament, Vorsatzbll. Papier.
Umfang
1, 107, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
27,5 × 18,2 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 1I + 9 V90 + 2 IV106 + (I-1)107*. Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 107*.
Foliierung
Vatikanische Foliierung in der rechten oberen Ecke der Rectoseite mit schwarzbrauner Tinte (f. 1–128). Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 107*).
Lagenzählung
Das Lagenende wird am inneren unteren Blattrand mit griechischen Ziffern vermerkt (Beginn: f. 10v: α; Ende: f. 98v: κ). Am äußeren unteren Rand der ersten fünf Blätter der Lage finden sich außerdem Blattsignaturen mit lateinischen Ziffern, die teilweise abgeschnitten sind (bis f. 71r jedoch regelmäßig sichtbar).
Zustand
Sehr guter Zustand, gelegentliche Tintenflecken (z. B. f. Iv-7r) und wenig Wurmfraß (f. Ir-45v).
Wasserzeichen
Die Wasserzeichen der Vorsatzbll. sind in heidICON erschlossen (Wasserzeichen Pal. gr. 186).

Schriftraum
18 × 9,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
28 Zeilen.
Linierung
P4 20D1.
Schriftart
Die Schrift und die Verwendung von Pergament deuten zunächst in die Mitte des 10. Jhs. (Irigoin 1981, S. 417f.), so dass der Palatinus lange als etwa zeitgleich mit dem oben genannten Laurentianus Pluteus 32,9 galt (Stevenson, Graeci, S. 95), der auf 1000 bis 1025 datiert wird (Fränkel 1961, S. xi) und von f. 190r bis 263v denselben Text bietet (Weinberger 1897, S. 3f.; Fränkel 1929, S. 167f.; ders. 1964, S. 59). Gemäß Irigoin platziert der Palatinus die Majuskeln an denselben Stellen wie der Laurentianus (Irigoin 1981, S. 418). Unter Berufung auf das Urteil von J. L. Heiberg spricht sich bereits Weinberger 1897, S. 4 dafür aus, dass ein Schreiber des 15. Jhs. die Buchstaben des frühen 11. Jhs. aus dem Laurentianus imitiert, um laut Fränkel die Handschrift älter und wertvoller erscheinen zu lassen (Fränkel 1964, S. 59). Eine detaillierte Analyse der Schrift und ein Vergleich zwischen beiden Codices, wie durchgeführt bei Irigoin 1981, S. 419–424, zeigt, dass der Schreiber des Palatinus den Laurentianus direkt abgeschrieben und ihn detailgetreu nachgeahmt hat, aber gelegentlich aus dem Schreibstil des frühen 11. Jhs. fällt, etwa bei der Kombination von Epsilon und Sigma, die sich vor dem 13. Jh. so nicht findet (Irigoin 1981, S. 421).
Angaben zu Schrift / Schreibern
Mit Irigoin 1981, S. 424 ist der Schreiber nicht zu identifizieren. Es handelt sich nicht um Johannes Scutariota (RGK I Nr. 183), den Hauptschreiber des auf f. Iv genannten Giannozzo Manetti, wie vorgeschlagen von Weinberger 1897, S. 4.
Buchgestaltung
Im Gegensatz zum oben genannten Laurentianus Pluteus 32,9, finden sich keine Randscholien, obwohl der Codex von der Randbreite her für Scholiierung konzipiert ist (Fränkel 1929, S. 168; Irigoin 1981, S. 423).
Buchschmuck
Die Überschriften der Argonautica und der Prolegomena scholiorum sind in Hellrot gehalten. Die Überschriften der einzelnen Bücher sind ebenfalls in Hellrot geschrieben (es fehlt die Überschrift des ersten Buches), so auch das Explicit der jeweiligen Bücher. Explicit des einen und Überschrift des anderen Buches sind jeweils durch eine Zierleiste getrennt. Gleichermaßen ist das Explicit der Argonautica oben und unten durch Wellenlinien abgehoben.
Die Rubrizierungen sind in derselben hellroten Tinte durchgeführt, die aufgrund ihrer wässrigen Beschaffenheit heute schlecht lesbar ist.
Die Initialen des ersten und des vierten Argonautica-Buches sowie die der Prolegomena scholiorum sind vom Schreiber am Rand vermerkt worden, ohne dass diese ausgearbeitet wurden. Die Initialen des zweiten und dritten Buches sind mit Goldtinte ausgeführt und blau konturiert.

Nachträge und Benutzungsspuren
Signaturschild der BAV auf dem Vorderspiegel. Schenkungsexlibris an Papst Gregor XV. auf f. Ir. Inhaltsverzeichnis und Besitzvermerk auf f. Iv. Rasuren, Korrekturen (z. B. Nachtrag fehlender Verse, etwa 1,132) und Glossen durch eine spätere Hand im Text der Argonautica, nicht aber in den Prolegomena scholiorum.

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, Bd. 2, S. 909.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Es handelt sich um eine Handschrift, die Giannozzo Manetti (Besitzvermerk auf f. Iv) als Abschrift des Laurentianus Pluteus 32,9 anfertigen ließ, also von einem Codex, der seinem Freund Niccolò Niccoli gehörte (Irigoin 1981, S. 423f.). Das Manuskript ging dann gegen 1560 in den Besitz Ulrich Fuggers über (vgl. BAV, Pal. lat. 1950, f. 183v). Fugger übersiedelte 1564 nach Heidelberg, wohin ihm seine Bibliothek 1567 folgte, und vermachte sie nach seinem Tod 1584 an Kurfürst Friedrich IV. 1623 wurde die Hs. als Kriegsbeute nach Rom gebracht, wo sie sich seitdem befindet.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_186
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 95; Fränkel 1929, S. 167f.; Fränkel 1961, S. xii; Fränkel 1964, S. 59; Jean Irigoin, Une écriture d'imitation: le Palatinus Vaticanus gr. 186, in: ICS 8, 1981, S. 416–430; Jean Irigoin, Les écritures d’imitation, in: Prato 2000, S. 697; Peter Schreiner, Giovanni Aurispa in Konstantinopel, Schicksale griechischer Handschriften im 15. Jh., in: Johannes Helmrath/Heribert Müller (Hrsg.), FS Erich Meuthen, Vol. 2, München 1994, S. 630f.; Vian 1976, S. XLVIf.; Wilhelm Weinberger, Adnotationes ad graecos Italiae codices spectantes, in: Jahresbericht des k. k. Staatsgymnasiums im XIX. Bezirke von Wien für das Schuljahr 1896/97, Wien 1897, S. 3f.; Wendel 1932.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–104r Digitalisat

Verfasser
Apollonius Rhodius (GND-Nr.: 118503677).
Titel
Argonautica.
TLG-Nummer
0001.001.
Angaben zum Text
f. 1r–25r Liber 1; f. 25r–48r Liber 2; f. 48r–72v Liber 3; f. 72v–104r Liber 4.
Titel (Vorlage)
1r ἀπολλωνίου ῥοδίου ἀργοναυτικῶν.
Textgestaltung
Die Handschrift bietet denselben Text wie der Laurentianus Pluteus 32,9 von f. 190r bis 263v, jedoch ohne Scholien (Weinberger 1897, S. 3f. mit Anm. 4; Fränkel 1929, S. 167f.; Fränkel 1964, S. 59). Die Wörter, die in der Vorlage Scholien besitzen, sind mit einem langen Strich direkt über dem Wort markiert; diese Markierungen werden von Buch zwei bis vier seltener.
Teilweise stimmt der Palatinus sogar in Korrekturen mit dem Laurentianus überein (Fränkel 1929, S. 168; Vian 1976, S. XLVII). Das zeigt sich etwa auf f. 92r und 92v, wo auf Vers 4,1099 die Verse 4,1125 bis 4,1149 folgen, die vom Schreiber oder von einem späteren Bearbeiter mit vacat gekennzeichnet werden; im Laurentianus streicht diese Verse eine zweite Hand (Fränkel 1964, app. crit. ad loc.).
Edition
Fränkel 1961, S. 1–243 (Hs. wurde für die Edition herangezogen, Sigle V); Vian 1976; Vol. 2: Chant III, Paris 1980; Vol. 3: Chant IV, Paris 1981 (Hs. wurde für die Edition herangezogen, Sigle V).

2) 104r–106r Digitalisat

Verfasser
Anonymus.
Titel
Prolegomena scholiorum in Apollonium Rhodium.
TLG-Nummer
5012.001.
Titel (Vorlage)
104r παράκειται τὰ σχόλια ἐκ τῶν λουκίλλου ταρραίου καὶ σοφοκλείου καὶ θέωνος τάρρα πόλις κρήτης ὡς φησὶ λογγινος ἐν τοῖς φιλολόφοις.
Textgestaltung
Der Text der Prolegomena scholiorum stimmt wie der der Argonautica mit dem des Laurentianus Pluteus 32,9 von f. 263v bis 264v überein (Wendel 1932, S. 5f.). Die Abfolge des Textes entspricht in der Edition von Wendel 1935 Aa, Ba, Bb, Ab, C.
Edition
Scholia in Apollonium Rhodium vetera rec. Carolus Wendel, Berlin 1935, S. 1–6 (Hs. wurde nicht für die Edition herangezogen, aber besprochen in Carl Wendel: 1932, S. 5f.).


Bearbeitet von
Dr. Anne-Elisabeth Beron, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2020.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 186. Beschreibung von: Dr. Anne-Elisabeth Beron (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2020.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.