Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 266
Laonicus Chalcocondyles, Historia
Papier · 1, 348, 1 Bll. · 24,5 × 17,3 cm · Venedig (?) · 1544–1553
- Schlagwörter (GND)
- Byzanz / Geschichte / Konstantinopel 1453 / Osmanen / Mehmed II. / Laonicus Chalcocondyles.
- Diktyon-Nr.
- 65998.
1r | Lateinisches Inhaltsverzeichnis | |
1v | Schenkungsexlibris | |
1) | 2r–348r | Laonicus Chalcocondyles, Historia |
348v | vacat |
Kodikologische Beschreibung
- Entstehungsort
- Venedig (?). Vermutlich Venedig (oder der Adria-Raum). Es fehlen zwar Wasserzeichen, die exakten, geraden Drähte des Schöpfrahmens und die helle Farbe legen jedoch nahe, dass es bei sich dem Beschreibstoff um westliches Papier handelt.
- Entstehungszeit
- 1544–1553. Datierung aufgrund der Schrift (Stevenson, Graeci: 15. Jh.). Diese Hs. ist Apographon des Vat. gr. 159, den nach Angabe der Subskription der aus Kreta stammende Andronikos Nukkios am 31. Mai 1544 in Venedig fertiggestellt hatte; vgl. Herbert Wurm, Die handschriftliche Überlieferung der ἀπόδειξις ἱστοριῶν des Laonikos Chalkokondyles, in: JÖB 45 (1995), S. 225. Folgerichtig muss die vorliegende Hs. zwischen dem Juni 1544 und dem Oktober 1553, dem Sterbedatum Cipellis, fertiggestellt worden sein.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Papier.
- Umfang
- 1, 348, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 24,5 × 17,3 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1) 1a + 11 + 43 IV345 + (I+1)348 + (I-1) 349*. Bei ungezählten Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1a, 349*). Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel ist Gegenbl. von 349*.
- Foliierung
- Neue vatikanische Foliierung (f. 1–348) mit Bleistift im Kopfsteg rechts.
- Lagenzählung
- Griechische Zählung nur noch partiell erhalten und in der Mitte des Fußstegs am Lagenbeginn vom Schreiber mit brauner Tinte eingetragen. Erste erhaltene Zahl: αʹ (= 1; f. 2r), letzte fragmentarisch erhaltene Zählung auf f. 162r. Schlusslage μδʹ (= 44; f. 346r) auf dem Fußsteg links.
- Zustand
- Insgesamt gut, am Anfang und Ende lagerungsbedingt etwas stockfleckig. Buchblock zur Zeit dieser Beschreibung etwas gelockert.
- Wasserzeichen
- Wasserzeichen aufgrund der Größe der Hs. nicht digitalisiert.
- Schriftraum
- 15,8 × 10,8 cm.
- Spaltenanzahl
- 1 Spalte.
- Zeilenanzahl
- 19 Zeilen.
- Schriftart
- Rasche, dabei aber auch elegante und leicht nach rechts geneigte Hand der Mitte des 16. Jhs., hier im Stile einer Buchschrift mit breiten Rändern. Die zum Teil noch sehr ausgeprägte Separierung der Buchstaben weist auf einen Schreiber hin, der noch mit den Schriften des ausgehenden 15. Jhs. vertraut war. Somit wird eine gute Lesbarkeit erreicht, was auch für die späteren Darmarios-Hss. die Regel war. Charakteristische Buchstaben: Am oberen Ende weit über den Folgebuchstaben gezogenes, gewundenes Gamma (in der Form gleich von der Hand des Andronikos Nukkios, vgl. den Cod. Paris. gr. 1727, f. 4v, Z. 1 u.v.m.), Epsilon-Ny/Epsilon-Rho-Ligaturen mit Übergang von der oberen Hälfte des Epsilon auf den Folgebuchstaben, Ligatur aus Vokal + Tau, auch das Phi oft mit folgendem Vokal verbunden. Hauptüberschrift auf f. 2r in einer Weiterentwicklung der konstantinopolitanischen Auszeichnungsmajuskel.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Der anonyme Kopist ACX (nach Hunger, Duktuswechsel, S. 75–76; dort auch Charakterisierung der Schrift), zu datieren ca. 1540–1550. Der alternative Titel und Randglossen stammen von der Hand des Andreas Darmarios.
- Buchgestaltung
- Sehr großzügiges mis-en-page mit breiten Außenrändern. Schlichte, variierende Zierlinien zwischen den einzelnen Büchern, darunter die immer gleichlautende Überschrift mit folgender griechischer Buchzählung. Keine Abschnittskennzeichnung oder gliedernde Elemente innerhalb der einzelnen Bücher. An deren Schluss wurde der Text figurativ gestaltet, um die begonnene Seite möglichst auszufüllen. Buchanfang damit immer auf einer neuen Seite. Die im Text genannten Namen wurden von Schreiber jeweils überstrichen. Auf den Außenstegen gelegentlich die bekannte Semeiosis, jedoch ohne Erläuterungen. Redepassagen durch doppelte Anführung an den linken Rändern vom Schreiber gekennzeichnet.
- Buchschmuck
- Kaum Zierelemente. Etwas aufwendiger gestaltet ist nur der Werkanfang. In der Mitte des Kopfstegs eine schwarz-braunes Vierpassornament mit aufgelegtem Quadratnetz und Dornen als Besatz auf den Bögen und in den Zwickeln, darunter eine schwarze Wellenlinie mit Blattmotiven sowie die erste Nennung des Titels in Auszeichnungsschrift. Werkinitiale in einer Höhe von ca. neun Zeilen, die folgenden Buchinitalen wesentlich kleiner, beide mit Fleuronné, auf den Seitensteg ausgerückt. Titel, Zählung u. Initialen in einer rotbraunen Tinte. Ansonsten ist nur der Beginn von Buch IX aufwendiger gestaltet: Die Zierlinie wird aus einem nach links liegenden Drachen mit Storchenschnabel gebildet, dessen Körper aus schwarz-weiß-roten Blütenkelchen besteht. Darunter der Buchtitel in einer stark stilisierten Form einer byzantinischen Auszeichungsschrift sowie einer im Vergleich zu den übrigen Büchern eher aufwendigen Initiale.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Signaturenmarke der BAV auf dem Vorderspiegel. Auf f. 1r Capsa-Nr.: C. 103 u. Allacci-Signatur 318. Darunter der Besitzervermerk 200 eg(natius). Es folgt eine lateinische Inhaltsbezeichnung von der Hand Henri Estiennes sowie die aktuelle Signatur. Auf f. 1v Schenkungsexlibris des Herzogs Maximilian v. Bayern an Papst Gregor XV. Auf dem Seitensteg von f. 2r mit wässrig-roter Tinte von einer Hand des 16. Jhs. ein weiterer Titel eingetragen: νικολάου χαλκοκονδύλου ἱστορικὸν, ὅθεν τὲ ἤρξαντο οἱ αὐθένται τῶν τουρκῶν καὶ πράξεις αὐτῶν καὶ ἀνδραγαθήματα ἕως τῶν ἀνδραγαθημάτων τοῦ μεγάλου αὐθέντου μεχ<μ>ετ μπεη. Besitzstempel der BAV und Signatur (wohl aus der einbandlosen Zeit im Vatikan) auf f. 2r. Zusammenfassende geschweifte Klammer auf f. 187v. Auf dem oberen Schnitt Palatinus-Graecus-Stempelung.
- Einband
- Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
- Provenienz
- Venedig / Augsburg / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Über die Entstehung der Hs. und auch darüber, wie sie
zu ihrem ersten nachweisbaren Eigentümer Giovanni Battista Cipelli gelangte,
sind keine sicheren Aussagen möglich. Es ist aber zu vermuten, dass er den
Kodex unmittelbar über die Schreiberwerkstatt des Andreas Darmarios erworben
hat. Cipelli hatte seine griechischen Hss. eigentlich dem Kloster S. Giorgio Maggiore,
vermacht, dort bestand aber kein
Interesse an dem Legat. Von daher konnten die Agenten Ulrich Fuggers,
möglicherweise unter Beteiligung Henri Estiennes, vgl. dazu
Lehmann, Fuggerbibiliotheken, I, S. 94–95
sowie im Verzeichnis der griech. Egnatianen im BAV, Pal. lat. 1925, f.
104v die Nr. 18, u.a. auch diese Hs. erwerben. Vor diesem Hintergrund
stellt sich allerdings die Frage, wann Andreas Darmarios Gelegenheit gehabt
hatte, seine Sekundärüberschrift wie auch seine textkritischen Ergänzungen in
das Manuskript einzutragen. Des muss entweder schon zu Lebzeiten Cipellis in
Venedig geschehen sein, wo er sie für das Kopieren vorbereitet hat, oder zur
Zeit seines Aufenthaltes in Augsburg nach dem Abschluss des Konzils von Trient
in den 1560er Jahren. Letzteres ist jedoch eher unwahrscheinlich. Als dritte
Möglichkeit bliebe, dass die griechischen Egantianen über Darmarios vermittelt
wurden, sodass er kurzzeitig Verfügungsgewalt über sie besessen hätte.
Mit der Vertreibung Ulrich Fuggers aus Augsburg gelangte die Hs. nach Heidelberg, dort spätestens mit dem Tod des Eigners Übergang in die Bibliotheca Palatina. Im Zuge der Eroberung Heidelbergs im Jahr 1584 gelangte sie über München nach Rom an den heutigen Aufbewahrungsort.
- Literatur
- Stevenson, Graeci, S. 146; Laonici Chalcocondylae historiarum demonstrationes ad finem
codicum rec., emend. annotationibus criticis instr. Eugenius [= Jenõ]
Darkó, 1: Praefatio, codicum catalogum et libros
I–IV continens, Budapest 1922, S. XXV–XXVII; Lehmann, Fuggerbibliotheken, Bd. 1, S.
93; Herbert Wurm, Die handschriftliche Überlieferung
der
ἀπόδειξις ἱστοριῶν
des Laonikos Chalkokondyles, in: JÖB 45 (1995),
S. 225–226.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
Inhalt
1) 2r–348r
- Verfasser
- Laonicus Chalcocondyles (GND-Nr.: 118675478).
- Titel
- Demonstratio historiarum libri decem.
- TLG-Nummer
- 3139.001.
- Angaben zum Text
- f. 2r–34v Buch I; f. 35r–67v Buch II; f. 68r–104v Buch III; f. 105r–136r Buch IV; f. 136v–174r Buch V; f. 174v–203r Buch VI; f. 203v–234v Buch VII; f. 235r–273r Buch VIII; f. 273v–320r Buch IX; f. 320v–348r Buch X.
- Titel (Vorlage)
- 2r Λαονίκου ἀπόδειξις ἱστοριῶν.
- Nachträge und Rezeptionsspuren
- Auf den Rändern eine Reihe von Textergänzungen u. –varianten von der Hand des Andreas Darmarios. Der Cod. Vat gr. 158 ist Apographon dieser Hs.
- Edition
- Laonici Chalcocondyli Atheniensis Historiarum libri decem ex recog. Immanuelis Bekker, Bonn 1843, S. 3–565; Laonici Chalcocondylae historiarum demonstrationes ad finem codicum rec., emend. annotationibus criticis instr. Eugenius [= Jenõ] Darkó, 1: Praefatio, codicum catalogum et libros I–IV continens, S. 1–205; 2/1: Libros V–VII continens, S. 1–146; 2/2: Libros VIII–X et indices continens, S. 147–307, Budapest 1922, 1923 u. 1927 (diese Hs. Sigle A; dort jedoch aufgrund der Datierung von Stevenson als der älteste und damit führende Chalkokondyles-Textzeuge behandelt).
- Bearbeitet von
- Dr. Lars Martin Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2020.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 266. Beschreibung von: Dr. Lars Martin Hoffmann (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2020.
- Katalogisierungsrichtlinien
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