Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 305
Thucydides, Historiae
Papier · 2, 157, 1 Bll. · 29,8 × 21,5 cm · Kreta (?) · 2. Hälfte 15. Jh.
- Schlagwörter (GND)
- Antike / Griechenland / Historiographie / Thucydides.
- Diktyon-Nr.
- 66037.
1ar–v | vacat | |
2ar | Schenkungsexlibris | |
2av | vacat | |
Faszikel I | ||
1) | 1r–149v | Thucydides, Historiae in fine mutilae |
150r–v | vacat | |
Fragment II | ||
2) | 151r–156v | Thucydides, Historiarum fragmentum |
157r–v | vacat |
Kodikologische Beschreibung
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Westliches Papier.
- Umfang
- 2, 157, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 29,8 × 21,5 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- Hs. mit Fragment (I. Bl. 1–150; II. Bl. 151–156). (I-1)1a + 12a + ... + (I-1)158*. Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 158*.
- Foliierung
- Vatikanische Foliierung (f. 1–68, 68bis–157); neuzeitliche Voratzbll. ungezählt. Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 2a, 158*).
- Lagenzählung
- Im Hauptcodex finden sich Reklamanten von der Hand des Schreibers in der Mitte des Fußstegs am Ende der einzelnen Hefte. Außerdem wurde im Rahmen einer der wiederholten Einbandentfernungen oder der Neubindung am Anfang in der rechten Ecke des Fußstegs eine lateinische Zählung eingetragen: Rückläufig im Alphabet von O (= f. 1) bis Z (= f. 90) und in alphabetischer Reihenfolge von a (= f. 100) über A (= f. 110) bis D finis (= f. 140). Die einzelne Lage am Ende der Hs., weist keine Zählung auf.
- Zustand
- Die Hs. ist sehr gut erhalten, an Anfang und Ende jedoch wohl wegen der zeitweise fehlenden Bindung stockfleckig. Das Papier wurde an den Außenstegen nur wenig beschnitten. Teile des Fragments am Ende der Hs. wurden zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt – die Machart deutet jedoch auf die von Angelo Mai veranlasste Neubindung hin – stabilisiert neu angefalzt.
- Wasserzeichen
- Die Wasserzeichen der Hs. sind in heidICON erschlossen (Wasserzeichen Pal. gr. 305).
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Signaturenmarke der BAV auf dem Vorderspiegel. Schenkungsexlibris des bayerischen Herzogs Maximilian an Papst Gregor XV. auf f. 2ar, oben in der linken Ecke des Blatts Signatureintrag, diese wiederholt auf f. 1r mit Hinweis hen(ricus) auf die Sammlung, aus der die Hs. stammt, dazu siehe auch Geschichte der Handschrift.
- Einband
- Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, Bd. 2, S. 909.
- Provenienz
- Candia/Herakleion (?) / Venedig / Augsburg / Heidelberg / Rom.
- Geschichte der Handschrift
- Erster historisch nachweisbarer Eigentümer dieser Hs. ist
Giovanni Battista Cipelli, gen. Egnatius. Cipelli hatte seine griechischen Hss.
zwar dem venezianischen Kloster S. Giorgio dei Greci vermacht, jedoch kam es am
6. Oktober 1553 zu deren durch Martin Gerstmann vermittelten Verkauf an Ulrich
Fugger. Spätenstens nach seinem Tod Übergang in die Bibliotheca Palatina, seit
1623 im Besitz der BAV.
Da am Ende der Hs. ein großer Teil von Buch V und das abschließende sechste Buch der Historiae des Thukydides aus unbekannten Gründen fehlten, lag es auf der Hand, den Text für einen gewinnbringenden Verkauf mit einem entsprechenden Hss.fragment möglichst zu vervollständigen. Der ausschließlich aus Quinionen bestehende Hauptteil wurde dafür um ein etwas älteres Quaternio aus einem anderen handschriftlichen Zusammenhang ergänzt. Wann die Teile zusammengefügt wurden, lässt sich nicht mehr sagen. Auf dem Kopfsteg von f. 152r wurde die Zahl 36 im Stil der Kanzleischrift des 16. Jhs. eingetragen, wobei jedoch ein möglicher Bezug zu dem heute verlorenen Pal. gr. 36 aus inhaltlichen Gründen ausscheidet (nach Sylburg, Catalogus, S. 15, enthielt dieser eine unvollständige Kirchengeschichte, Theodoret sowie die sog. Ecologa Basilicorum). Schwierigkeiten bereitet die Herkunftsangabe dieser Hs. Nach dem Sammlungseintrag hen auf f. 1r gehörte sie zu den griech. Codices Henri Estiennes, die um 1560 in den fuggerschen Besitz übergingen. Nach dem Zeugnis beider von Martin Gerstmann erstellten Bestandslisten der griechischen Hss. Ulrich Fuggers (BAV, Pal. lat. 1916, f. 550v u. Pal. lat. 1950, f. 194r) wäre sie jedoch Teil jener Sammlung gewesen, die der genannte Gerstmann im Oktober 1553 aus dem Nachlass Giovanni Battista Cipellis für seinen Auftraggeber hatte erwerben können. Dessen griechische Hss. waren zwar testamentarisch den Mönchen des Griechenklosters S. Giorgio zugedacht, doch bestand auf deren Seite offenbar kein Interesse an dem Legat, sodass Ulrich Fugger sie schließlich erwerben konnte. Zwar fehlt ein entsprechender Eintrag in Gerstmanns Zusammenstellung von Cipellis Hss. im BAV, Pal. lat. 1925, f. 103v–106v. Doch endet diese Liste mit dem Vermerk Praeterea fragmenta Pöetarum et aliorum (f. 106v), zu denen der Pal. gr. 305 ohne weiteres gehören könnte. Mit aller gebotenen Vorsicht ist also der auf Gerstmann zurückgehenden Herkunftsbezeichnung gegenüber dem aller Wahrscheinlichkeit nach von Henri Estienne selbst eingetragenen Vermerk auf f. 1r der Vorzug zu geben. Für die Hs. bedeutet dies nun, dass Venedig als Wohnort Cipellis auf jeden Fall zu ihren Provenienzen zu zählen ist. Möglicherweise wurde sie dort auch geschrieben. Wie oben jedoch bereits ausgeführt, ist Candia der Vorzug zu geben, wobei die Hs. mit Sicherheit für den Verkauf in den Westen gedacht war.
Aus Venedig und Augsburg kam sie mit Ulrich Fuggers Übersiedlung des Jahres 1574 nach Heidelberg, wo sie spätestens mit Fuggers Tod Bestandteil der Bibliotheca Palatina wurde. 1623 gelangte sie als Kriegsbeute und Schenkung des bayerischen Herzogs Maximilian (s. das Schenkungsexlibris auf f. 2av) zusammen mit den übrigen von Leo Allatius zusammengestellten Hss. in die BAV.
- Literatur
- Stevenson, Graeci, S.
172; Alexander Kleinlogel, Die Geschichte des
Thukydidestextes im Mittelalter, Berlin 1965, S. XIV; Filippo Ferlauto, Un codice cretese di Tucidide,
il Mosquiensis gr. 216 del sec. XV (I), in: Bollettino
Classico 8 (1987), S. 141; Stefec 2014, S. 181 u. 183; Thucydidis Historiae rec. Ioannes Baptista
Alberti, vol. I, Rom 1972, S. XXIV (diese Hs. Sigle
Vo).
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
Faszikel I (Bl. 1–150)
- Sachtitel / Inhalt
- Thucydides, Historiae.
Kodikologische Beschreibung
- Entstehungsort
- Candia oder Venedig? Aufgrund der Zuweisung an Georgios Alexandru ist sowohl an Candia, die venezianische Hauptstadt Kretas, für die er 1466/67 als stellvertretender Protopapas belegt ist, aber auch an Venedig (bereits als Drucker, s. Robert Proctor, The Printing of Greek in the Fifteenth Century, Oxford 1900, S. 73–75) oder sogar Rom zu denken, wo Alexandru 1489 möglicherweise als Gelehrter tätig war. Ob er mit dem 1501 verstorbenen Bischof von Arkadia gleichzusetzen ist, lässt sich nicht mehr sicher entscheiden (zu den biographischen Angaben s. PLP 2, Nr. 4132). Das verwendete Papier und die in der Ausschmückung bereits westlich beeinflusste Machart der Hs. sprechen jedoch eher für Kreta.
- Entstehungszeit
- 2. Hälfte 15. Jh. Ab ca. 1460, siehe Angaben zu Schrift / Schreibern.
- Typus (Überlieferungsform)
- Faszikel.
- Beschreibstoff
- Wesliches Papier.
- Umfang
- 150 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 29,8 × 21,5 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- 15 V149 + 1150.
- Foliierung
- S. zum Codex.
- Lagenzählung
- S. zum Codex.
- Schriftraum
- 19,5 × 12,8 cm.
- Spaltenanzahl
- 1 Spalte.
- Zeilenanzahl
- 32 Zeilen.
- Schriftart
- Individuelle, eher unsaubere weil rasch ausgeführte Kopistenschrift der Entstehungszeit.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Georgios Alexandru (siehe RGK I, Nr. 54 mit Lit.; zutreffend identifiziert von Stefec 2014, S. 181), von dem auch die Scholien stammen und der die Rubrizierungen vornahm. Insgesamt eher kantige, mit fester Hand geführte Schrift mit auffälliger Buchstabenkombination Tau + Vokal (ähnlich Rho + Vokal), wobei der Folgebuchstabe fast im rechten Winkel verbunden wird, ein prägnanter Schreibstil, der in ähnlicher Form bei Kardinal Bessarion, einem seiner Auftraggeber, zu finden ist (vgl. etwa Harlfinger 1974, Taf. 52 u.a.), aber noch in der Mitte 16. Jhs. bei Basileios Baleris (Korfu; vgl. RGK I, Nr. 34) begegnet. Letzterer schrieb auch das Beta und die Zeichenfolge –μεν auf ganz ähnliche Art. Die Hs. ist nicht subskribiert, kann aber durch Schriftvergleich (z.B. Cod. Ott. gr. 71B mit identischem Duktus) eindeutig Alexandru zugewiesen werden.
- Buchgestaltung
- Nur die ersten beiden Bücher sind aufwendiger gestaltet und beginnen jeweils mit einer neuen Seite. Ab Buch 3 (= f. 73v) wurde diese Struktur aufgegeben, die Bücher beginnen mit kleinerer Initiale nur noch in der Folgezeile. Alle Initialen wurden nicht auf die Blattstege ausgerückt, sondern sind Teil des Textblocks.
- Buchschmuck
- Zinnoberroter Zierbalken mit Rankenmustern über den ersten beiden Büchern. Titel, auch die der Einzelreden, und Initialbuchstaben ebenfalls zinnoberrot. Initialbuchstaben der ersten beiden Bücher mit wenig Fleuronné. Die öffentlichen Reden beginnen nach einer Zwischenüberschrift mit einer neuen Zeile und sind durch einfache Anführung gekennzeichnet.
- Provenienz
- Candia/Herklaion (?) / Venedig / Augsburg / Heidelberg / Rom.
- Geschichte des Faszikels
- Siehe Geschichte der Handschrift.
Inhalt
1) 1r–149v
- Verfasser
- Thucydides (GND-Nr.: 11862234X).
- Titel
- Historiarum pars prior.
- TLG-Nummer
- 0003.001.
- Angaben zum Text
- F. 1r–41v Buch 1 (ohne eigene Überschrift); f. 42r–73v Buch 2 (Θουκυδίδου δεύτερον); f. 73v–107r Buch 3 (θουκυδίδου ἀθηναίου συγγραφὴ τρίτη); f. 107v–147r Buch 4 (θουκυδίδου συγγραφὴ δʹ); f. 147r–149v Buch 5 (θουκυδίδου συγγραφὴ ε', expl. … ὕστερον, ὅταν ἐμὴ ὁρᾷς = V 9, 71 Alberti [Vol. III, S. 229]).
- Titel (Vorlage)
- 1r Ἱστορία τοῦ Θουκυδίδου.
- Nachträge und Rezeptionsspuren
- Scholien und einige Textergänzungen von der Hand des Schreibers.
- Edition
- Thucydidis Historiae rec. Ioannes Baptista Alberti, vol. I–III, Rom 1972, 1992 u. 2000 (diese Hs. Sigle Vo, wurde jedoch für die Texterstellung nicht verwendet, da sie aus philologischer Sicht in einem Naheverhältnis zum Thukydides-Text des Pal. gr. 29 steht).
Fragment II (Bl. 151–156)
- Sachtitel / Inhalt
- Thucydides, Historiae.
Kodikologische Beschreibung
- Entstehungsort
- Kreta (?). Demetrios Moschos stammte zwar aus Sparta, als Schreiber gehörte er aber dem weiteren Umfeld von Michael Apostoles und Emmanuel Zachariades an, die in erster Linie auf Kreta arbeiteten.
- Entstehungszeit
- 2. Hälfte 15. Jh. Etwas älter als Faszikel I, siehe Geschichte der Handschrift.
- Typus (Überlieferungsform)
- Fragment.
- Beschreibstoff
- Westliches Papier.
- Umfang
- 7 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 29,8 × 21,5 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (IV-2)156 + 1157.
- Foliierung
- S. zum Codex.
- Lagenzählung
- Fehlt, da wohl kein vollständiger Quarternio mehr.
- Schriftraum
- 19,5 × 12,8 cm.
- Spaltenanzahl
- 1 Spalte.
- Zeilenanzahl
- 30 Zeilen.
- Schriftart
- Individuelle, nach rechts geneigte und sorgfältig ausgeführte Kopistenschrift der Entstehungszeit.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Von Rudolf Stefec 2014, S. 183 zutreffend mit Demetrios Moschos identifiziert; vgl. auch RGK I, Nr. 97). Identischer Duktus etwa im Cod. Ottob. gr. 371.
- Buchgestaltung
- Dem Anschein nach Fragment einer nicht fertiggestellten Thucydides-Hs. Zwischen den Büchern V und VI wurde relativ viel Platz für eine wohl mit roter Tinte einzutragende Überschrift gelassen, die jedoch nicht zur Ausführung kam.
- Buchschmuck
- Nicht vorhanden.
- Provenienz
- Candia/Herklaion (?) / Venedig / Augsburg / Heidelberg / Rom.
- Geschichte des Fragments
- Es gibt keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, wann dieses Fragment in den Westen gelangte und wann es erstmals mit dem Haupttext verbunden wurde. Möglicherweise hatte bereits Cipelli beide Teile erworben, da sich ein entsprechend erweiterter Text sicherlich leichter verkaufen ließ. Oder aber es gehört zu den von Gerstmann neben den Hss. erworbenen, als Nr. 36 gezählten (dazu siehe Geschichte der Handschrift) Fragmenten und wurde in der Bibliothek Ulrich Fuggers dem unvollständigen Thukydides-Text beigegeben.
Inhalt
2) 151r–156v
- Verfasser
- Thucydides (GND-Nr.: 11862234X).
- Titel
- Historiarum fragmentum.
- TLG-Nummer
- 0003.001.
- Incipit
- 151r <… διαφθεῖραι> [πολλοὺς καὶ ἡλείων …
- Explicit
- 156v … περὶ τῷ ἑμαυτοῦ σώματι] <ὀρρωδῶ …>.
- Edition
- Thucydidis Historiae rec. Ioannes Baptista Alberti, vol. III, Rom 2000, V 75, 55–VI 9, 22 (diese Hs. Sigle Vn).
- Bearbeitet von
- Dr. Lars Martin Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2020.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 305. Beschreibung von: Dr. Lars Martin Hoffmann (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2020.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.