Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 337

Vetus Testamenti pars altera

Pergament · 1, 244 Bll. · 20,2 × 19,3 cm · Südliches Kampanien / Kalabrien / Sizilien · 1. Hälfte 12. Jh.


Schlagwörter (GND)
Theologie / Kirche / Altes Testament.
Diktyon-Nr.
66069.
2ar Schenkungsexlibris
2av vacat
1) 1r–240v Vetus Testamentum, Scriptarum partis libri nonnulli
241r–247*v vacant

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Südliches Kampanien / Kalabrien / Sizilien. Lokalisierung aufgrund der Schrift.
Entstehungszeit
1. Hälfte 12. Jh. Bislang bekannte Handschriften mit vergleichbaren Linienschemata (siehe Leroy 1995, S. 64–65) haben zumeist theologische Inhalte (Bibel, Kirchenväter) und stammen aus derselben Zeit.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament, f. 2a, 187, 194, 230–231, 238–239, 241–244 sowie Vorsatzbll. Papier.
Umfang
1, 244 Bll.
Format (Blattgröße)
20,2 × 19,3 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + 6 IV48 + V58 + 2 IV74 + III80 + 6 IV128 + (II+1)133 + 3 IV157 + (II+1)162 + 3 IV186 + IV194 + IV202 + 3 IV226 + IV234 + III240 + (II-1)246*. Bll. 241/242, 243/244, 245/246 nicht aufgeschnitten. Leere Papiernbll. als Ersatz verlorengegangener Blätter eingefügt (Bll. 187, 195, 230–231, 238–239). Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 247*.
Foliierung
Vatikanische Foliierung (f. 1–241, 243–244; Zählung ab 241 modern). Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a–2a, 247*).
Lagenzählung
Griechische Lagenzählung links unten auf dem Fußsteg des jeweils ersten Heftblattes. Auf f. 1 verloren; erste erhaltene Zählung (= Βʹ) auf f. 9r, letzte (= Λʹ) auf f. 227r.
Zustand
Insbesondere an Anfang und Ende deutliche Feuchtigkeitsschäden, durchgängig auch Stockflecken. Pergament von mittlerer Qualität, der Text ist jedoch sehr gut lesbar. F. 1 an den Rändern ausgebrochen und mit Papierstreifen verstärkt; am Beginn der Hs. auch etwas Wurmfraß.

Schriftraum
14,5 × 8,7–10,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
20 Zeilen.
Linierung
System 1, Schema ähnlich Leroy 1995, 54 C 1 bzw. 54 C 1qx.
Schriftart
Text in einer bereits vermehrt zu Ligaturen und zur Individualisierung neigenden späteren, der Entstehungszeit entsprechenden Form der Perlschrift. Beta und Kappa durchgängig, Epsilon überwiegend sowie Gamma und Delta öfter in der Majuskelform. Außerdem charakteristische Alpha-Kappa-, Epsilon-Ny- und Epsilon-Pi-Ligaturen, Rho mit folgendem Vokal mit abgerundetem Bogen, ein oft über die Linie verlängertes Tau sowie die Verwendung des Minuskel-Chi in der ursprünglichen Form. Die Schrift ist der des Cod. Vat. gr. 300 (entstanden in Messina) vergleichbar.
Buchtitel und Zeilenbeginn in epigraphischer Auszeichnungsmajuskel. Kapitelüberschriften in alexandrinischer Auszeichnungsschrift. Lateinische Scholien in gotischer Minuskel des ausgehenden 13. bzw. beginnenden 14. Jhs. von einem Schreiber mitteleuropäischer Herkunft (aufgrund der Buchstabenform).
Angaben zu Schrift / Schreibern
Ein Schreiber sowie ein Rubrizist für Zierbalken, Überschriften und Zeilenbeginn.
Buchgestaltung
Der Text wurde entsprechend seiner literarischen Gattung sehr großzügig in Versform mit dunkelbrauner Tinte eingetragen, Kapiteleinteilung entsprechend der antiochenisch-lukanischen Textfassung. Auch dabei wurde mit dem Schreibmaterial nicht gespart. Das Pergament wurde dazu entsprechend liniert, um den ersten Buchstaben einer Zeile sauber nach links ausrücken zu können. Nach dem eigentlichen Schreibvorgang wurden diese Versinitialen mit karminroter Tinte in epigraphischer Auszeichungsschrift nachgetragen. Buchinitiale auf f. 1r mit etwas Fleuronné.
Buchschmuck
Der großzügige Zierbalken auf f. 1r mit eingeschriebenen, umlaufenden Kreisen und Blütenmotiven und darüberstehender, auf Christus verweisender Rubrik lässt erkennen, dass hier mit dem Buch Iob ein eigener Teilband eines AT begann. Dies wird durch die Lagenzählung bestätigt. Vermutlich ging ein anderer Band mit den Psalmen voran. Ansonsten noch ein eher aufwendiger Zierstreifen in Bogenform auf f. 163r (Sapientia Salomonis). Die übrigen Zierstreifen sind einfacher gestaltet, aber gleichfalls aufwendig mit roter Tinte konturiert. Von daher kann man auf eine ursprünglich beabsichtigte Ausmalung schließen (Beispiele einer möglichen Ausführung bei Bampules, Βυζαντινή διακοσμετηκή, S. 23 u.a.m.). Überschriften in roter Auszeichnungsschrift. Am Ende der einzelnen biblischen Bücher schlichte karminrote oder auch braune (f. 124v, 161v) Wellenlinien mit anschließender Wiederholung des Buchtitels. Gelegentlich auch signa marginalia propria vom Schreiber aus der Textvorlage übernommen.

Nachträge und Benutzungsspuren
Signaturenmarke der BAV auf dem Vorderspiegel. Schenkungsexlibris auf f. 2ar. Vermerk seor(sum) mit der fuggerschen Signatur 337 auf f. 1r. Im Text lateinische Kapitelzählung entsprechend dem Vulgata-Text mit dunkelgrüner Tinte in der Zeit Ende 13./Anfang 14. Jh. rechts vom Textblock mit entsprechende Kapitelmarke vor der Versinitiale und dazugehörendem Vermerk im Kopfsteg nachgetragen. Lateinische Scholien aus derselben Zeit mit hellbrauner Tinte u. dunkelgrün umrandet (f. 95r, 96r, 97r, 206r, 210r, 213v). Von der Hand des Scholiasten stammt auch die Angabe der lateinischen Buchtitel im Kopfsteg. Transkriptionen der Buchüberschriften auf der jeweiligen Seite von der Hand Angelo Mais. Die ausgefallenen Textseiten (siehe Zusammensetzung) wurden im Rahmen der vatikanischen Bindung durch Papierblätter ersetzt, jedoch nicht neu beschrieben. Entsprechende Vermerke von Angelo Mai weisen auf die Anzahl der ausgefallenen Blätter hin und führen den jeweiligen Textzusammenhang an.
Auf f. 189v Zeichnung einer byzantinischen Theotokos vom Typ der Hodegetria mit der Beischrift Μ(ητ)]ὴρ θε(ο)ῦ. Auf dem Fußsteg derselben Seite +ὁ σοφίας χάριτας πεπλήρωκεν, +ὁ σοφίας χάριτας πεπληρωμένος, +ὁ σοφίας χάριτας πεπληρωμένος von jüngerer Hand; unten auf f. 190r Wiederholung der letzten Textzeile sowie der Folgezeile mit einer weiteren Zeichnung.

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit der von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; Rücken zwischen 1854 und ca. 1870 ersetzt, nun mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, Bd. 2, S. 909.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Die Entstehung dieser Hs. sollte man in den Kontext der allmählichen Stabilisierung der normannischen Herrschaft in Süditalien Ende des 11./Anfang des 12. Jhs. einordnen. Denn nach einer Phase des kulturellen Niedergangs am Ende der byzantin. Herrschaft kam es aufgrund einer von den Normannen initiierten Neugründung nicht weniger Griechenklöster u.a. auch wieder zu einem gesteigerten Bedarf an griechischen Hss. für den liturgischen Gebrauch. Über die verwendete Schrift (s. dort), wird dabei eine Entstehung erst für die 2. Hälfte des 12. Jhs. nahegelegt, vgl. hier bes. auch den bereits oben erwähnten Vat. gr. 300. Auffällig ist jedoch die lateinische Kommentierung vom Anfang des 14. Jhs. Möglicherweise dienten diese Angaben in Zeiten einer mehr und mehr schwindenden Gräzität der rascheren Orientierung der Lektoren. Die vom Schreiber hierfür verwendete gotische Minuskel weist diesen zwar eher als Mitteleuropäer aus, doch lässt dies aufgrund der äußeren Verhältnisse nicht auch notwendigerweise auf einen entsprechenden Aufbewahrungsort schließen. Über den Weg der Hs. von Süditalien nach Augsburg sind keine sicheren Aussagen möglich, eine Erwerbung über die Agenten der fuggerschen Niederlassung in Venedig ist jedoch wahrscheinlich. Erster namentlich bekannter Eigentümer der Hs. ist daher Ulrich Fugger, der seors[um]-Vermerk auf f. 1r weist sie dabei als Einzelerwerbung aus. Im Zuge der Vertreibung Ulrich Fuggers aus Augsburg gelangte sie 1567 nach Heidelberg. Spätestens mit seinem Tod im Februar 1584 aufgrund entsprechender testamentarischer Verfügungen Übergang in den Bestand der Bibliotheca Palatina. Nach der Eroberung und Zerstörung der Stadt zu Beginn des 30jährigen Krieges gelangte sie 1622/23 als Schenkung des Herzogs Maximilians von Bayern an Papst Gregor IX. über München nach Rom, seither Aufbewahrung in der BAV.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_337
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 195.196; Lehmann, Fuggerbibliotheken, S. 92; Alfred Rahlfs, Verzeichnis der griechischen Handschriften des Alten Testaments, Göttingen 1914, S. 242.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–240v Digitalisat

Titel
Vetus Testamentum, Scriptarum partis libri nonnulli.
TLG-Nummer
0527.032, 0527.029–031, 0527.033–034.
Angaben zum Text
1r–58v Liber Iob; f. 59r–107r Liber Proverbiorum; f. 107v–124v Liber Ecclesiastes vel Qohelet; f. 125r–133v Liber Canticum Canticorum; f. 134r–161v Liber Sapientiae Salomonis; f. 162r–240v Liber Ecclesiasticus vel Sapientiae Iesu filii Sirach (f. 162r–v Prologus. Textausfall nach f. 186v = … κεχριτωμένῳ] μωρὸς ἀχωρίστως … ἐξαρθήσεται [καὶ ψυχὴ … (= JesSir 18, 18–19, 3a), nach 193v = … ὑπεναντίων] καὶ ἐπιχραρεῖταί … πληθύνουσιν ἁμαρτίας [καὶ … (= JesSir 23,3c–16a), nach f. 229v … οὐρανοῦ] λειτουργεῖν αὐτῷ … αὐτῶν ἀντικαταλασσόμενον [ἐφ᾿ (= JesSir 45, 15d–46, 12b), nach f. 234v … ἐσκεπάσθη] καὶ ἐλισαίε … καὶ σὴθ [ἐν … (= JesSir 48, 12b–49, 16a). Das Buch JesSir wird dabei in sachliche Hauptabschnitte gegliedert: λόγοι παραβολῶν (f. 190r), σοφίας αἴνεσις (f. 195r), περὶ τέκνων (f. 204v), περὶ ὑγιείας (f. 205r), περὶ βρωμάτων (f. 205v), περὶ δούλων (f. 206v), περὶ ἐνυπνίων (f. 207r), πατέρων ὕμνος (f. 227r).
Rubrik
1r Χ(ριστὸ)ς θ(ε)ὸς αἰώνιος.
Edition
Septuaginta, id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes, ed. Alfred Rahlfs. 2: Libri poetici et prophetici, Stuttgart 1982.


Bearbeitet von
Dr. Lars Martin Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2020.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 337. Beschreibung von: Dr. Lars Martin Hoffmann (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2020.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.