Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 346

Andreas Caesariensis, Commentarii in Apocalypsin

Papier · 2, 86, 1 Bll. · 36,7 × 26,0 cm · Venedig (?) / Venetien · Mitte 16. Jh.


Schlagwörter (GND)
Byzanz / Theologie / Neues Testament / Biblische Offenbarung des Johannes / Quelle.
Diktyon-Nr.
66078.
2ar Schenkungsexlibris
2av vacat
1) 1r–86v Andreas Caesariensis, Commmentarii in Apocalypsin

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Venedig (?) / Venetien. Diese Lokalisierung liegt vor dem Hintergrund der Schreiberidentifikation und dem üblichen Erwerbungsweg der Handschriften Ulrich Fuggers nahe.
Entstehungszeit
Mitte 16. Jh. Datierung siehe Schriftart (Stevenson, Graeci: 15. Jh.).
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
2, 86, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
36,7 × 26,0 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + 10 IV80 + III86 + (I-1)87*. Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 87*.
Foliierung
Vatikanische Foliierung mit Bleistift im Kopfsteg rechts (f. 1–86). Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 87*).
Lagenzählung
Wie vom angenommenen Schreiber häufig praktiziert, keine eigene Zählung, sondern nur Textmarken am Falz auf dem letzten Verso jeder Lage.
Zustand
Der Codex befindet sich in einem guten Zustand und weist kaum Nutzungsspuren auf. An Anfang und Ende lagerungsbedingt geringe Feuchtigkeitsschäden an den Außenrändern. Beschreibstoff an den Rändern zum Teil recht dünn, aber so gut wie keine Beschädigungen erkennbar. Text scheint teils stark durch. Kaum Bindeverluste an den Außenrändern.
Wasserzeichen
partiell erkennbar an Falz und Rändern, möglicherweise Anker oder Armbrust? - Die Wasserzeichen der Hs. sind in heidICON erschlossen (Wasserzeichen Pal. gr. 346).

Schriftraum
22,5 × 12,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
31 Zeilen.
Schriftart
Der Schriftduktus erinnert durchaus an Handschriften, die auf Camillos Vater Bartolomeo Zanetti zurückgehen. Die dem schnelleren Schreibvorgang geschuldete starke Rechtsneigung der Schrift und eine ganze Reihe weiterer Merkmale wie etwa das Majuskelgamma und der gelegentliche Gebrauch des Majuskeldelta, die Form des Theta, die Epsilon-Lambda-Ligatur, die Verbindung von Vokal und entsprechendem Gravis bzw. Zirkumflex, die in fast einem Schriftzug verbundenem κατά und -μεν oder die ausgeprägten Unterlängen erlauben die Zuordnung an den Sohn. Es handelt sich dabei um eine charakteristische Kopistenschrift der Entstehungszeit, die dem Schreibatelier der Zanettis zugeordnet werden sollte. Durchaus ähnliche Handschriften wiesen Nikolaos Sophianos oder Michael Maleas ὁ Ἐπιδαυριώτης auf. Nicht nur die Form des Theta erinnert auch an Joannes Mauromates und Aristobulos Apostoles. Damit kann aber auch für die Entstehung dieser Handschrift die Zeit um die Mitte des 16. Jhs. angesetzt werden. Stevenson, Graeci, hatte hier wohl die der besseren Lesbarkeit geschuldete Tendenz des Schreibers zur Vermeidung der Kursive als Datierungskriterium für das 15. Jh. aufgefasst.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Camillo Zanetti (= Camillus Venetus; siehe RGK I, Nr. 212; RGK III, Nr. 299). Identifizierung anhand des Schriftduktus, dazu Dieter Harlfinger, Zu griechischen Kopisten und Schreibstilen des 15. und 16. Jahrhunderts, in: La Paléographie grecque et byzantine, Paris 21–25 oct. 1974, Paris 1977, S. 336 (mit Abb. 16 u. 17). Camillo Zanetti hat wie zahlreiche seiner Kollegen unterschiedliche Schreibstile beherrscht. Der hier gebrauchte Stil findet sich u.a. auch in den Codices Matr. 4756, f. 148r–165r (N. 130) u. 4756 (N 134).
Buchgestaltung
Der Text nimmt auf der Blattseite etwa nur die Hälfte des zur Verfügung stehenden Platzes ein. Da nicht von einer weiteren Kommentierung auszugehen ist, sollte man im Falle der Handschrift am ehesten von einer Auftragsarbeit oder einem Korrekturexemplar für das Skriptorium ausgehen. Auf letzteres deuten einige, eher raumgreifend platzierte Textnachträge auf den Außenstegen hin, die von der Hand des Schreibers stammen.
Buchschmuck
Wie in den späten Papierhandschriften üblich, nur noch sehr wenige ausschmückende Elemente. Oberhalb des Pinax eine rote Blattranke im Stil eines unendlichen Rapports. Pinax mit fortlaufender, roter Kapitelzählung (αʹ–οβʹ). Am Textbeginn ein gleichfalls roter Zierbalken mit Kettenmuster. Weitere rotfarbige Elemente: Schmalere Zierbalken bzw. -linien bis Buch III, danach über jedem Buch nur noch ein roter Blütenstern; schlicht ausgeführte Werkinitiale (Buchstabe Pi) in der Höhe von drei Textzeilen insgesamt mit Ranken (wie oben) ausgefüllt, außerdem mit Blütenblattmustern am Buchstabenrand, die offenbar aus der Textvorlage übernommen wurden; Buch- und Kapitelüberschriften mit den jeweiligen Initialen; die Abschnittsmarken für Bibeltext (κείμ[ενον]) und Kommentar (ἑρμηνεία); die Zitatkennung; τέλος-Vermerk am Buchende (wenn es der Platz erlaubt); einige Zeilenfüller. Der Text am Buchende läuft ggf. spitz aus, wenn eine Seite zu füllen ist. Durch diese Zierelemente wird der Text recht gut gegliedert.

Nachträge und Benutzungsspuren
Signaturenmarke der BAV auf dem Vorderspiegel. Schenkungsexlibris auf f. 2ar, darüber vatikanischer Signaturenvermerk (mit Bleistift). Auf f. 1r Signatur 346 der Fuggerbibliothek sowie Sammlungshinweis Hen(ricus), siehe Geschichte der Handschrift. Auf f. 1r im Fußsteg unten Wiederholung der vatikanischen Signatur 346 Pal. Bibliotheksstempel der BAV auf f. 1r u. 86v. Wenige philologische Nachträge von der Hand Friedrichs Sylburgs (f. 2r). Auf f. 64v zum Rom-Babylon-Vergleich aus Apc. 18 in Kanzleischrift des 16. Jhs. der Eintrag ROMA BABYLON ex veterum patrum sententia (mit sekundärer roter Unterstreichung), der ebenfalls auf Sylburg zurückgeht, der diese Handschrift für den griechischen Erstdruck des Textes heranzog (siehe Geschichte der Handschrift).

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten) später ersetzt, vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Joseph Schmid konnte für seine nach wie vor maßgebliche Edition des Andreas-Kommentars zur Apokalypse des Johannes 83 Handschriften zusammentragen (dazu kommen noch gut 20 Handschriften mit verkürzter Textfassung oder nur fragmentarischer Überlieferung). Weit über die Hälfte dieser Codices stammt jedoch erst aus dem 15. und 16. Jh., was dem sog. Chiliastenstreit des dritten und vierten nachchristlichen Jahrhunderts und dem dadurch gebrochenen Verhältnis insbesondere der Ostkirche zu der Johannesapokalypse geschuldet ist. Immerhin war letztere sogar mit einem Predigtverbot belegt worden. Somit überrascht es kaum, dass dieser im Vergleich zur übrigen neutestamentlichen Kommentarliteratur aus byzantinischer Zeit eher schwach überlieferte und damit seltene Text vor allem im Zeitalter des schwunghaften und lukrativen Handschriftenhandels kopiert wurde und Eingang in die großen westeuropäischen Sammlungen fand. Die formale Gestaltung dieser Handschrift mit eher wenig Texteintrag auf einer relativ großen Seite und philologischen Scholien zum größten Teil von der Hand des Schreibers selbst könnte darauf hindeuten, dass es sich um ein Werkstattexemplar gehandelt hat, das als Prototypon für weitere Abschriften dienen sollte und dabei hinreichend Platz für mögliche redaktionelle Arbeiten bot. Joseph Schmid hatte auf den Cod. Matr. 4750 (f. 300–385, bei Schmid mit falscher Blattangabe) als mögliche Schwesterhandschrift hingewiesen und bezog sich dabei auf Charles Hoskier, Concerning the Text of the Apocalypse, I, London 1929, S. 489. Bei letzterer handelt es sich um eine theologische Sammelhandschrift, die der identifizierbaren Schreibergruppe nach zwar aus dem Atelier Zanettis stammt. Jedoch war in ihrem Falle nicht Camillo Zanetti Schreiber des Apokalypse-Kommentars, sondern sein Kollege und Mitarbeiter Michael Maleas ὁ Ἐπιδαυριώτης (durch Autopsie bestätigt; vgl. aber auch Gregorio De Andrés, Catálogo de los códices griegos de la Biblioteca Nacional, Madrid 1986, S. 341, der Maleas über die Schrift identifizierte). Im Atelier Bartolomeo Zanettis wurde diese Textfassung darüber hinaus mit kleineren Abweichungen noch zweimal abgeschrieben, nämlich die Codices Mod. Est. α V.8.14 (= Puntoni G 190) und Vat. gr. 2129, p. 17–158. Diese Handschriften bilden mit dem Cod. Par. suppl. gr. 159, f. 2r–51v innerhalb des Andreas-Textes eine eigene Untergruppe. Letztere stammt zwar aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, war aber nicht ihr Prototypon (sprachliche Besonderheit nach Schmid, Apokalypse-Text, S. 23–24 ist die ungewöhnliche Konstruktion ἀκούειν φωνῆς, also mit dem Genitiv anstelle des gebräuchlichen Akkusativs), das allem Anschein nach verloren ist. Der Verkauf des Palatinus an Ulrich Fugger muss noch vor 1563 erfolgt sein, denn zu diesem Zeitpunkt entstand das auf Martin Gerstmann zurückgehende Bestandsverzeichnis des BAV, Pal. lat. 1950, f. 183v, mit dem Eintrag Apocalypsis Theologi cum interpretatione, Char non liga:. Bei Erstellung der Liste war der Codex also noch nicht gebunden. Vielleicht wartete man wegen seines eher geringen Umfangs noch auf einen weiteren Text. Die hohe Signatur spricht zudem dafür, dass die Handschrift erst Ende der 1550er Jahre oder zu der Zeit nach Augsburg gelangt war, als Gerstmann sein Inventar verfasste. Als interner Sammlungsvermerk begegnet im Kopfsteg von f. 1r die Sigle Hen, der von Ulrich Fugger beauftragte Aufkäufer war offenbar Henri Estienne. Im Zuge der Vertreibung Ulrich Fuggers aus Augsburg im Frühjahr 1564 gelangte 1567auch seine Bibliothek nach Heidelberg. Dort konnte die vorliegende Handschrift ab 1571 in der Heiliggeistkirche aufgestellt werden. Mit dem Tod Ulrich Fuggers im Februar 1584 erfolgte aufgrund seiner testamentarischen Verfügung der rechtsgültige Übergang in den Besitz der pfälzischen Kurfürsten, im Zuge der Eroberung Heidelbergs in den Jahren 1622/23 Verbringung der Handschrift als Geschenk des bayerischen Herzogs Maximilian an Papst Gregor XV. über München nach Rom, seither Aufbewahrung in der BAV. Zwar ist die Handschrift für die moderne Überlieferungsgeschichte von geringer Bedeutung, Friedrich Sylburg hatte sie jedoch zur Grundlage der ersten griechischen Textausgabe gemacht (mit textkritischem Vergleich zu den Codd. Mon. gr. 544 [früher Augsburg] und 23): Τοῦ ἐν ἁγίοις πατρὸς ἡμῶν Ἀνδρέου ἀρχιεπισκόπου Καισαρείας Καππαδοκίας ἑρμηνεία εἰς τὴν Ἀποκάλυψιν τοῦ ἁγίου ἀποστόλου καὶ εὐαγγελιστοῦ Ἰωάννου τοῦ θεολόγου. In D. Joannis Apostoli & Evangelistae Apocalypsin commentrius: Theodoro Peltano interprete. Opus Græce nunc primum in lucem prolatum ex illustri Bibliotheca Palatina. Fridericus Sylburgius archetypum Palatinum cum Augustano & Bavarico MS. contulit, Notis Indicibus illustravit. E Typographeio Hieronymi Commelini 1596. Diese Textausgabe Friedrich Sylburgs wurde verschiedentlich in patristische Sammelwerke übernommen und nur geringfügig verbessert, zuletzt auch in Migne PG 106, Sp. 243–435, die bis zum Erscheinen der Edition Joseph Schmids die maßgebliche war (dazu siehe Schmid, Studien, S. 121–122).

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_346
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 198–199; Aland, Liste, Nr. 2067; Ernest Cadman Colwell, The Elizabeth Day McCormick Apocalypse, II: History and Text, Chicago, Ill. 1954, S. 68–72, 106–112; Caspar René Gregory, Textkritik des Neuen Testaments, Leipzig 1900, S. 324 (Nr. 161; datiert 15. Jh.); Charles Hoskier, Concerning the Text of the Apocalypse, I, London 1929, S. 489; Josef Schmid, Studien zur Geschichte des griechischen Apokalypse-Textes, Bd. 1, 2: Text, München 1955, S. 21, 121–122; Soden 1902, S. 60 (Sigle Av).
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–86v Digitalisat

Verfasser
Andreas Caesariensis (GND-Nr.: 118649183).
Titel
Commentarii in Apocalypsin.
TLG-Nummer
3004.001.
Angaben zum Text
CPG 7478. - F. 1r–2v Pinax (auslautender Vermerk τέλος τῆς πίνακος τῆς παρούσης βιβλίου); f. 3r–4r Prologus; f. 4v–9r Pars I; f. 9r–11v Pars II; f. 11v–14v Pars III; f. 14v–18r Pars IV; f. 18v–20r Pars V; f. 20r–22v Pars VI; f. 23r–27r Pars VII; f. 27v–28v Pars VIII; f. 29r–32v Pars IX; f. 33r–36v Pars X; f. 36v–40r Pars XI; f. 40v–44r Pars XII; f. 44v–47r Pars XIII; f. 47r–48v Pars XIV; f. 49r–52r Pars XV; f. 52r–53v Pars XVI; f. 53v–56r Pars XVII; f. 56v–61v Pars XVIII; f. 61v–66v Pars XIX; f. 66v–69v Pars XX; f. 70r–73r Pars XXI; f. 73r–76r Pars XXII; f. 76v–82v Pars XXIII; f. 83r–86v Pars XXIV.
Titel (Vorlage)
3r ἀνδρέου ἀρχιεπισκόπου καισαρείας καππαδοκίας ἑρμηνεία εἰς τὴν ἀποκάλυψιν ἰωάννου τοῦ θεολόγου· κυρίῳ μοῦ ἀδελφῶ καὶ συλλειτουργῷ. Incipit: Πολλάκις αἰτηθεὶς ὑπ᾿ πολλῶν …
Incipit
1r Πολλάκις αἰτηθεὶς ὑπ᾿ πολλῶν …
Explicit
86v … ὁ σαρκὶ παθῶν δι᾿ ἡμᾶς χριστὸς ὁ θεὸς ἡμῶν, ᾧ πρέπει … τῶν αἰώνων ἀμήν.
Edition
Josef Schmid, Studien zur Geschichte des griechischen Apokalypse-Textes, Bd. 1. 2: Text, München 1955, S. 1–286. Der Codex gehört zu einer Untergruppe von sechs Handschriften mit charakteristischen philologischen Besonderheiten (siehe Geschichte der Handschrift), bei der Texterstellung wurde jedoch vom Herausgeber dem gleichalten Cod. Matr. 4750 der Vorzug gegeben.


Bearbeitet von
Dr. Lars Martin Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2020.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 346. Beschreibung von: Dr. Lars Martin Hoffmann (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2020.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.