Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 5
Tetraevangelii pars prior cum commentariis
Pergament · 2, 266, 1 Bll. · 31,1 × 23 cm · Konstantinopel (?) · Ende 11. Jh.
- Schlagwörter (GND)
- Theologie / Bibel / Matthäusevangelium / Markusevangelium / Katenen / Victor Antiochenus.
- Diktyon-Nr.
- 65738.
Ir | Lateinische Inhaltsbezeichnung | |
Iv | vacat | |
1) | 1r–164r | Evangelium S. Mattaei cum commentariis in catenis |
2) | 165r–265v | Evangelium S. Marci cum commentariis in catenis |
Kodikologische Beschreibung
- Entstehungsort
- Konstantinopel (?). Nach Schrift und Miniaturen; formale Nähe zum sog. Metaphrastes-Kopisten.
- Entstehungszeit
- Ende 11. Jh. Datierung aufgrund von Schrift und Buchgestaltung, siehe Buchschmuck; Stevenson, Graeci: 10. Jh.; Follieri, Heinrici: 11. Jh.; Reuß: 11.–12. Jh.; Aland-Welte: 12. Jh.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament (F. I: Papier).
- Umfang
- 2, 266, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 31,1 × 23 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + 1I + 4 IV32 + (IV-1)39 + 28 IV262 + (I+1)265 + (I-1)266*. Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel ist Gegenbl. von 266*.
- Foliierung
- Vatikanische Foliierung (I, 1–87, 89–155, 155bis, 156–248, 248bis, 249–265). Die Bezeichnnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 266*).
- Lagenzählung
- Originale Lagenzählung vom Schreiber der Hs. links unten am Beginn der einzelnen Hefte (βʹ = f. 9r, λδʹ = f. 263r) weitestgehend erhalten; lateinische Lagenzählung in einer Kanzleischrift des 16. Jhs. unten rechts am Beginn der Hefte zum Zweck der Neubindung für Ulrich Fugger hinzugefügt.
- Zustand
- Pergament von guter Qualität. Mit Ausnahme der ersten und insbesondere der letzten ca. 20 Blätter befindet sich die Handschrift in einem recht guten Zustand und wurde offenbar nur wenig benutzt. Allerdings fehlt am Anfang mindestens ein Bifolium mit einer allgemeinen Inhaltsbezeichnung und den griechischen Kapitelangaben zum Matthäusevangelium (vgl. dazu f. 165rv zum Markustext). Dadurch wurde auch die Miniatur auf f. 1r beschädigt und die Goldtinte ist abgeblättert.
- Schriftraum
- 25,2 × 18,2 cm (Evangelientext bis zu 11,5 x 10 cm).
- Spaltenanzahl
- 1 Spalte.
- Zeilenanzahl
- 2–13 Zeilen (Text) u. bis zu 34 Zeilen (Kommentar).
- Linierung
- System 1, für Kommentierung liniert (nicht bei Leroy 1995 aufgenommen).
- Schriftart
- Hauptüberschriften in epigraphischer Auszeichnungsschrift; Kapitelverzeichnis, Zwischenüberschriften und Zahlzeichen in einer stark abgewandelten Form der konstantinopolitanischen Auszeichnungsschrift. Bibeltext mit Rücksicht auf die sakrosankten Evangelien in einer antikisierenden, jedoch bereits späteren Form der Perlschrift mit Tendenz zu längeren Ligaturen (besonders charakteristisch Alpha-Kappa-, My-Eta- und Epsilon-Pi-Ligaturen); für den Bibeltext ausschließlich das Minuskel-Beta verwendet, insgesamt formale Nähe von Schrift und Gestaltung zur sog. Werkstatt des Metaphrastes-Kopisten (siehe Perria, Graphis, S. 129 mit Fig. 72 u. Anm. 183). Buchstaben wie Delta, Kappa oder Pi, besonders auch der Name David, lassen erkennen, dass die Kommentare von demselben Schreiber stammen, der nun mit starkem Gebrauch von tachygraphischen Kürzeln schon eine Individualschrift erkennen lässt.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Text und Kommentar vom selben Schreiber.
- Buchgestaltung
- Den Texten vorangestellt wurde ein Kapitelverzeichnis, das für das erste Evangelium inzwischen jedoch fehlt. Die Kapitelbezeichnung wird vor dem dazugehörigen Texten wiederholt. Der eigentliche Evangelientext in verhältnismäßig großer Schrift nimmt, wie für kommentierte Texte üblich, wenig Platz auf den Buchseiten ein. Um diesen Text herum wurden die Kettenkommentare entsprechend angeordnet und mittels entsprechender Zahlzeichen dem Bibeltext verbunden. Gibt es auf einer Seite nur wenig Kommentartext, dann wird dieser entsprechend in geometrische Formen aufgeteilt.
- Buchschmuck
- F. 165r mit Goldtinte verzierte bunte Zierlinie über dem mit karminroter Tinte geschriebenem Kapitelverzeichnis (weicht von der neuzeitlichen Kapiteleinteilung ab!). Zu Beginn der Evangelien ein goldgerandetes, buntes Blütenband, darunter die goldene Evangelienüberschrift und eine mit Fleuronné und zoomorphen Motiven gestaltete, goldkonturierte Textinitiale. Zwischenüberschriften, Abschnittsinitialen und die Kommentarzählung karminrot (vom Illuminator eingesetzt), sonst keinerlei Zierelemente.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Blatt I ist Zufügung des 16. Jhs. mit Capsa-Nr. C. 109, Allacci-Signatur 1934 (wiederholt auf f. 1r), dem Registraturvermerk 5 Cyp, der Inhaltsbezeichnung Quattuor Evangelistae cum interpretatione. Mattheus Marcus (wohl von der Hand Henri Estiennes) und der noch gültigen Signatur Pal. G. 5.
- Einband
- Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
- Provenienz
- Konstantinopel (?) / Augsburg / Heidelberg / Rom.
- Geschichte der Handschrift
- Der Registraturvermerk Cyp auf f. Ir weist auf Hieronymus Tragodistes Cyprius hin, der diese Hs. entweder selbst besaß oder sie Mitte des 16. Jhs. im Auftrag Ulrich Fuggers für dessen Sammlung in Augsburg erwarb. Spätestens nach dessen Tod erfolgte der Übergang in die Bibliotheca Palatina, seit 1623 im Besitz der BAV.
- Literatur
- Stevenson, Graeci, S.
4; Aland-Welte, Liste, Nr. 146; Beck, Kirche, S.
468–469; Follieri, Byzantina et Italograeca, S. 206
Anm. 3; Beiträge zur Geschichte und Erklärung des Neuen Testamentes. Bd. V:
Petrus von Laodicea. Erklärung des Matthäusevangeliums. Zum ersten
Male hgg. u. untersucht von Carl Friedrich Georg Heinrici,
Leipzig 1908, S. XX, 1–346; Joseph Reuß, Matthäus-, Markus- und
Johannes-Katenen. Nach den handschriftlichen Quellen untersucht,
Münster/W. 1941, S. 8–21, 66–67, 72–75, 124, 134; Joseph Sickenberger, Titus von Bostra. Studien zu
dessen Lukashomilien, Leipzig 1901, S. 121–122; Louis Thomas, Les collections anonymes de scolies
grecques aux Évangiles, Bd. I, Paris 1912, S. 143.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
Inhalt
1) 1r–164r
- Titel
- Evangelium S. Matthei cum catenis („Grundform Typ B“ [nach Reuß]).
- TLG-Nummer
- 31.
- Angaben zum Text
- CPG 110.1. - Mt 1,1–28, 20. Kommentar explicit … ἐγείρας αὐτῶν τὰ φρονήματα, ἐξέπεμψε (f. 164r). Die einzelnen Kommentare sind dabei sowohl durchnummeriert, als auch über Zahlzeichen mit dem jeweiligen Bibeltext verbunden.
- Nachträge und Rezeptionsspuren
- Der in einer Hs. als Autor für diese Textkompilation genannte Petrus von Laodicea ist ahistorisch (so bereits Beck, Kirche, S. 468). Grundlage für eine solche Annahme war eine sekundäre, wohl aus dem 14. Jh. stammende Notiz im Cod. Vat. gr. 1145 (11. Jh.), f. 4r (ἑρμηνεία πέτρου λαοδικείας εἰς τοὺς δʹ εὐαγγελιστάς), davon abhängig Cod. Vat. gr. 1090 (16. Jh.), f. 1r (ἑρμηνεία πέτρου λαοδικείας εἰς τοὺς τέσσαρας ἁγίους εὐαγγελιστάς). Inhaltlich gehen die Kommentare im Wesentlichen auf die Matthäus-Exegese des Iohannes Chrysostomus zurück.
- Edition
- Beiträge zur Geschichte und Erklärung des Neuen Testamentes. Bd. V: Petrus von Laodicea. Erklärung des Matthäusevangeliums. Zum ersten Male hgg. u. untersuchtvon Carl Friedrich Georg Heinrici, Leipzig 1908, S. 1–346 (diese Hs. Sigle Pal, Text weicht jedoch ab).
2) 165r–265v
- Verfasser
- Victor Antiochenus (GND-Nr.: 100661564).
- Titel
- Evangelium S. Marci cum commentarium compilatione.
- TLG-Nummer
- 31 (Text) u. 4102 (Kommentar).
- Angaben zum Text
- CPG 6533. - Mc 1,1–16, 20. Kommentar explicit … καὶ τοῖς ἀποστόλοις ἐποίησεν ἐναρίθμιον (f. 265v). Die einzelnen Kommentare sind sowohl durchnummeriert, als auch über Zahlzeichen mit dem Bibeltext verbunden.
- Nachträge und Rezeptionsspuren
- Victor Antiochenus gilt als Kompilator dieses im Wesentlichen auf der Evangelien-Exegese des Iohannes Chrysostomus basierenden Kommentars (vgl. Beck, Kirche, S. 421). Seine historische Existenz ist zwar ebenso ungesichert wie die des o.g. Petrus von Laodicea, jedoch wird diese Kompilation durch die handschriftliche Überlieferung fest mit dem genannten Victor verbunden.
- Edition
- Catenae Graecorum Patrum in Novum Testamentum ed. J(ohn) A(nthony) Cramer. Tomus I in Evangelia S. Matthaei et S. Marci, Oxford 1844, S. 259–446, Z. 18 (Text weicht ab).
- Bearbeitet von
- Dr. Lars Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 5.10.2021.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.