Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 56

Pausanias, Graeciae descriptio

Papier · 1, 248, 1 Bll. · 32,4 × 22,7 cm · Venedig (?) / Padua (?) · nach 1493 bis erstes Viertel des 16. Jhs.


Schlagwörter (GND)
Antike / Pausanias / Reisebeschreibung / Reiseführer / Griechenland / Archäologie.
Diktyon-Nr.
65789.
1ar–1av vacat
Ir Fuggersignatur, Inhaltsvermerk
Iv vacat
1) 1r–247r Pausanias, Graeciae descriptio
247v–248*v vacant

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Venedig (?) / Padua (?). Da der Marcianus graecus 413 die Vorlage des Palatinus bildet (Diller 1957, S. 180) und er im Jahr 1493 an Niccolò Leonico Tomeo, einen Professor für Griechisch und Philosophie aus Padua ausgeliehen wurde, kommen als Entstehungsorte Venedig selbst oder Padua infrage (Diller 1957, S. 171, 180).
Entstehungszeit
nach 1493 bis erstes Viertel des 16. Jhs. Da es sich um einen descriptus des Marcianus graecus 413 handelt, der zwischen 1462 und 1468 datiert wird (Diller 1957, S. 180; Casevitz 2001, XXXVI mit Anm. 25), kann der Palatinus erst danach angefertigt worden sein. Im Jahr 1493 wurde der Marcianus an Niccolò Leonico Tomeo, einen Professor für Griechisch und Philosophie aus Padua ausgeliehen, der vielleicht für die Abschrift verantwortlich war (Diller 1957, S. 171). Somit stellt 1493 einen möglichen terminus post quem dar. Als terminus ante quem fungiert die aktive Phase des wahrscheinlichen Kopisten Zacharias Kallierges (vgl. RGK I Nr. 119).
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
1, 248, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
32,4 × 22,7 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 1I + 24 V240 + III246 + 1247 + (I-1)248* Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 248*.
Foliierung
Vatikanische Foliierung in der rechten oberen Ecke der Rectoseite mit schwarzer Tinte (f. 1–247), die Seitenzahl auf f. Ir wurde wohl später mit dünnerem schwarzen Federstrich eingefügt. Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 248*).
Lagenzählung
Am Lagenanfang wird in der Mitte des unteren Blattrands mit griechischen Ziffern in roter Tinte gezählt (Beginn: f. 11r: Βον; Ende: f. 241r: ΚΕον).
Zustand
Guter Zustand mit gelegentlichen Stockflecken, welche nur die Lesbarkeit der roten Randglossen teils beeinträchtigen; besonders am Anfang und Ende der Handschrift Wasserflecken am oberen Rand. Auf f. 18 und 245 wurde auf das Papier am Rand ein Streifen mit Textergänzung (vielleicht vom Schreiber) aufgeklebt, wobei der Streifen auf f. 18 sicher auf die Entstehungszeit zurückgeht, da sich auf f. 18v auf diesem Papier die Schrift des Kopisten findet.
Wasserzeichen
Sehr ähnlich Arbalète/Armbrust Nr. 44 Harlfinger.

Schriftraum
24,9 × 14,2–16 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
35 Zeilen.
Schriftart
Individuelle Gelehrtenschrift der Entstehungszeit.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte es sich um Zacharias Kallierges (RGK I Nr. 119; III Nr. 197) handeln (Speranzi 2013, S. 269), welcher ebenfalls der Kopist des Riccardianus graecus 29 ist, einem descriptus des Palatinus (Chatzopoulou 2010, S. 200 mit Anm. 18; Stefec 2014, S. 184).
Buchgestaltung
Neben dem Text befinden sich Glossen bzw. Zusammenfassungen vom Schreiber selbst. Die letzten Zeilen eines jeden Buches stellen botryonum formulae dar. Im ersten Buch finden sich am Rand nummerierte Paragraphen mit griechischen Ziffern (f. 2v bis f. 7r).
Buchschmuck
Der Titel des Werks (f. 1r) in roten Majuskeln ist von einem Zierkasten mit roten, blauen und gelben Elementen umgeben. Darüber findet sich ein Flechtbandknoten in denselben Farben, darunter ein gelb-rotes Seilband. Die Titel der einzelnen Bücher sind in roten Majuskeln ausgeführt mit Zierelementen links und rechts daneben; über ihnen erscheinen rote Ranken bzw. Zopfgeflecht mit blauen Akzenten. Auf f. 56r ist darüber ein rot-blauer achtstrahliger Stern, auf f. 76v, 163r, 195r, 218v rote Flechtbandknoten bzw. achtstrahlige Sterne gesetzt. Ab f. 76v sind die Zierleisten (Seilbänder, Ranken und Zopfgeflecht) nur noch in roter Tinte gezeichnet. Eine Ausnahme stellt f. 141r dar, wo der Buchtitel in roten Majuskeln mit gelber Tinte schattiert und das Seilband darüber in Gelb und Rot ausgearbeitet ist. Die erste Initiale ist in Rot mit gelben und blauen Elementen und Fleuronnés ausgearbeitet. Bei den Initialen auf f. 30v und 56r fehlt die gelbe Farbe, ab f. 76v wird nur noch Rot verwendet mit Ausnahme von f. 141r, wo Gelb und Rot benutzt werden. Die botryonum formulae eines jeden Buches sind von roten Ranken umgeben (eine Ausnahme stellt f. 140v dar, wo die Zeilen weder spitz zulaufen noch Ranken hinzugesetzt sind; ebenso f. 194v, wo die Ranken durch τέ links und λος rechts vom Text ersetzt sind und unter dem Text ein geometrisches Ornament folgt). Darunter folgt stets ein ornamental gestaltetes τέλος in roter Tinte, zu dem auf f. 101r, 194v und 218r auch der Buchtitel in Rot dazugesetzt wird. Das abschließende τέλος auf f. 247r wird um die einzelnen Kapitel in roter Tinte ergänzt. Die Randglossen, die vom Schreiber selbst stammen, sind mit roter Tinte geschrieben, die teils arg verblasst ist. Die Randparagraphen im ersten Buch sind ebenfalls rot. Die Lagenzählung ist in roter Tinte erfolgt.

Nachträge und Benutzungsspuren
Signaturschild der BAV auf dem Vorderspiegel. Capsa-Nr. C. 9, Inhaltsverzeichnis und Fuggersignatur 56. Hen. auf f. Ir. Korrekturen und Glossen durch spätere Hände.

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Da es sich um einen descriptus des Marcianus graecus 413 handelt (Diller 1957, S. 180), der im Jahr 1493 an Niccolò Leonico Tomeo, einen Professor für Griechisch und Philosophie aus Padua ausgeliehen wurde, handelt es sich bei ihm vielleicht um den ersten Besitzer, der eine Abschrift in Venedig selbst oder Padua anfertigen ließ (Diller 1957, S. 171.180). Die Handschrift ging wahrscheinlich durch Vermittlung von Henricus Estienne vor 1547 in den Besitz Ulrich Fuggers über (Fuggersignatur 56. Hen. auf f. Ir; vgl. BAV, Pal. lat. 1950, f. 191v). Fugger übersiedelte 1564 nach Heidelberg, wohin ihm seine Bibliothek 1567 folgte, und vermachte sie nach seinem Tod 1584 an Kurfürst Friedrich IV. 1623 wurde die Hs. als Kriegsbeute nach Rom gebracht, wo sie sich seitdem befindet.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_56
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 29; Casevitz 2001, S. XXXIX; Venetia Chatzopoulou: Zacharie Calliergis et Alde Manuce: Éléments d’une étude à l’occasion de la découverte d’un nouveau manuscrit-modèle de l’édition Aldine de Sophocle (A. 1502), in: Antonio Bravo Garcia/Inmaculada Perez Martin (Hgg.): The Legacy of Bernard de Montfaucon: Three Hundred Years of Studies on Greek Handwriting. Proceedings of the Seventh International Colloquium of Greek Palaeography (Madrid – Salamanca, 15–20 September 2008), Turnhout 2010, S. 200 mit Anm. 18; Aubrey Diller, The Manuscripts of Pausanias, in: TAPhA 88 (1957), S. 171, 180–182; Aubrey Diller, Studies in Greek Manuscript Tradition. Amsterdam 1983, S. 165, 174–176; Jean Irigoin, Les manuscrits de Pausanias, quarante ans après. Hommage à la mémoire d’Aubrey Diller, in: Denis Knoepfler/Marcel Pierart (Hgg.): Éditer, traduire, commenter Pausanias en l’an 2000. Actes du colloque de Neuchâtel et de Fribourg (18–22 septembre 1998), Genf 2001, S. 13.20; Speranzi 2013, S. 269; Stefec 2014, S. 184.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–247r Digitalisat

Verfasser
Pausanias (GND-Nr.: 118592246).
Titel
Graeciae descriptio.
TLG-Nummer
0525.001.
Angaben zum Text
F. 1r–30v Attica; f. 30v–55v Corinthiaca; f. 56r–76r Laconica; f. 76v–101r Messeniaca; f. 101v–121r Eliacon 1; f. 121v–140v Eliacon 2; f. 141r–162v Achaica; f. 163r–194v Arcadica; f. 195r–218r Boiothica; f. 218v–247r Phocica Locron Ozolon.
Titel (Vorlage)
1r ΠΑΥΣΑΝIΟΥ ἙΛΛAΔΟΣ ΠΕΡΙΗΓHΣΕΩΣ.
Explicit
247r παυσανίου ἑλλάδος περιηγήσεως· ἀττικῶν· κορινθιακῶν· λακωνικῶν· μεσσηνιακῶν· ἠλιακῶν αου· ἠλιακῶν βου· ἀχαικῶν· ἀρκαδικῶν· βοιωτικῶν· καὶ φωκικῶν λοκρῶν ὀζολῶν τέλος.
Textgestaltung
Der Schreiber hat am Rand Glossen und Zusammenfassungen einzelner Textpassagen mit roter Tinte hinzugesetzt, die teils mit Verweiszeichen auf den Text Bezug nehmen.
Wenige Korrekturen erfolgten durch den Schreiber selbst, z. B. streicht er auf f. 96r eine längere Passage, die er bereits kopiert hatte. Die Grenzen des getilgten Textes stimmen mit einem Blatt des Marcianus graecus 413 überein (Diller 1957, S. 180), so dass sich diese Handschrift neben gemeinsamen Textverlusten als Vorlage des Palatinus identifizieren lässt (Diller 1957, S. 180).
Das sechste Buch (ἠλιακῶν β) schließt auf f. 140v mit dem ersten Satz des siebten Buches, was im kritischen Apparat von Rocha-Pereira für keine Handschrift vermerkt ist. Am Ende des Werkes auf f. 247r findet sich ein Inhaltsverzeichnis nach Landschaften, wo der auf f. 1r fehlende Titel des ersten Buches, nämlich ἀττικῶν, genannt wird (Diller 1957, S. 180).
Nachträge und Rezeptionsspuren
Mindestens drei spätere Benutzer haben am Rand interessante Wörter (z. B. die beschriebenen Orte und Sehenswürdigkeiten, Eigennamen, Genealogie) hervorgehoben und kurze Zusammenfassungen nach Schlagwörtern hinzugefügt, außerdem Korrekturen vermerkt (z. B. fehlende Sätze, Varianten).
Eine Abschrift des Palatinus stellt der Riccardianus graecus 29 dar (Diller 1957, S. 181; Casevitz 2001, S. XXXIX) sowie der Mosquensis graecus 500 für die Bücher 1 bis 4 (Diller 1957, S. 182; Irigoin 2001, S. 13, 20).
Edition
Pausaniae Graeciae descriptio, Vol. 1: libri I-IV ed. Maria Helena Rocha-Pereira, Leipzig 1973, S. 1–358, Vol. 2: libri V-VIII, Leipzig 1977, S. 1–338, Vol. 3: libri 9–10, Leipzig 1981, S. 1–188 (Hs. wurde nicht für die Edition herangezogen); Casevitz 2001, S. 20–134 (Hs. wurde für die Edition herangezogen, Sigle Pt, vgl. S. XXXIX).


Bearbeitet von
Dr. Anne-Elisabeth Beron, Universitätsbibliothek Heidelberg, 28.05.2020.
Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.