Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 79

Iohannes Climacus, Scalarum Paradisi Fragmentum

Papier · 1, 140, 1 Bll. · 28,0 × 20,5 cm · Byzantinischer Kulturraum · 4. Viertel 14. Jh.


Schlagwörter (GND)
Byzantinisches Reich / Mönchtum / Askese.
Diktyon-Nr.
65812.
1) 1r–140v Iohannes Climacus, Scalarum Paradisi fragmentum

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Byzantinischer Kulturraum. Möglicherweise Süditalien.
Entstehungszeit
4. Viertel 14. Jh. siehe Schriftart und Wasserzeichen.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
1, 140, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
28,0 × 20,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + II4 + 17 IV140 + (I-1)141*. Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 140*.
Foliierung
Vatikanische Foliierung (f. 1–140) mit schwarzer Tinte im Kopfsteg rechts. Die Bezeichnung der ungezählten Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 141*).
Lagenzählung
Die ursprüngliche Lagenzählung von der Hand des Schreibers befindet sich auf der ersten Rectoseite eines jeden Faszikels im Kopfsteg rechts, sie ist aber partiell durch Bindebeschnitt verloren. Erste erhaltene griechische Ziffer ist die κ<η>ʹ (= f. 5r), die letzte μ<β>ʹ (= f. 133r). Geht man in Entsprechung zur erhaltenen Lagenstruktur von Quaternionen aus, fehlen somit am Anfang etwa 220 Bll.
Zustand
Das Handschriftenfragment befindet sich in einem sehr guten Zustand. Nur an Anfang und Ende sind die Blätter durch Feuchtigkeitseinfluss insbesondere im Bereich des Falzes etwas stockfleckig und vergilbt. Im Falz liegen auch geringfügiger Pilzbefall und Wurmfraß vor.
Wasserzeichen
Wappenschild mit Schrägbalken (durchgehend), identisch mit Briquet Nr. 974 (Papier italienischer Provenienz belegt für Würzburg 1376/83).

Schriftraum
21,0 × 6,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
22 Zeilen.
Schriftart
Individuelle, wohl antikisierend an der Perlschrift der Vorlage orientierte Buchschrift, jedoch ohne die ausgeprägten Elemente des Hodegon-Stils. Gerader Schrifteintrag ohne Neigung. Charakteristische Buchstaben sind insbesondere das in die Höhe gezogene Minuskelbeta, das pilzförmig überhöhte Tau, die starke Überhöhung des Gamma in der ersten Blattzeile sowie (mitunter) eine ausgeprägte Epsilon-Ny-Ligatur (z.B. f. 21r). Der Minuskelkanon wurde trotz der dafür sehr späten Zeit zu größeren Teilen noch eingehalten. Stark gelängte Buchstaben wie das Gamma oder das Tau erweisen die Handschrift indes als ein Dokument des 14. Jahrhunderts. Die Buchstaben Kappa und Phi durchgehend und das Epsilon wurden jedoch zu größeren Teilen in einer kleineren quadratischen Minuskel eingetragen. Kappa und Epsilon zeigen außerdem eine arrondierte Form, was zusammengenommen auf eine Herkunft der Handschrift oder des Schreibers aus dem italienischen Salento hindeuten könnte. Die Ober- und Unterlängen der ersten und letzten Zeilen zeigen den Einfluss der Urkundenschrift.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Ein Schreiber.
Buchgestaltung
Alle Blätter wurden für einen zweispaltigen Texteintrag vorbereitet, allerdings wurde nur die jeweils linke Kolumne tatsächlich genutzt. Dies kann darauf hindeuten, dass die Textvorlage zweispaltig war und gleichzeitig Raum etwa für eine noch nachzutragende lateinische Übersetzung gelassen werden sollte (siehe Geschichte der Handschrift). Die Blätter wurden eher raumgreifend beschrieben, an Kopf- und Fußsteg wurden einzelne Buchstaben oft stark verlängert. Kapitelbeginn ist jeweils im fortlaufenden Text, die Überschriften der scalae wurden jedoch farblich abgesetzt. Außerdem begegnet nur am Kapitelanfang eine Initiale, die scalae sind dabei in der Kopfzeile durchgehend nummeriert. Der Codex endet auf f. 140v mit einem griechischen Pinax, der – wie für diesen Text üblich – die Gestalt einer Leiter hat (mit der 30. Sprosse oben).
Buchschmuck
Bis auf wenig florales Beiwerk der zinnoberroten Initialbuchstaben in Höhe von zwei bis drei Textzeilen und die gleichfarbigen Überschriften keine Ausschmückung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Kein älteres Vorsatzblatt erhalten. Daher nur Bibliotheksstempel der BAV auf f. 1r u. 140v sowie eine Textidentifikation von der Hand Friedrich Sylburgs auf f. 1r. Wenige Federproben.

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Die Scalae paradisi des Johannes Klimakos gehören zu den meistüberlieferten Werken der byzantinisch-asketischen Literatur, wurden bereits früh in zahlreiche andere Sprachen übersetzt und erfreuten sich insbesondere innerhalb des orthodoxen Mönchtums nach wie vor einer sehr großen Beliebtheit. Von daher gab es immer hinreichend Schreiber, die diesen Text im Sinne einer monastischen Bußübung kopierten, aber auch genügend mögliche Käufer. Insbesondere in gemischtsprachigen Gebieten mit griechisch-lateinischen Klöstern bot es sich möglicherweise an, eine Bilingue der Scalae paradisi zu erstellen, die – wie im vorliegenden Fall – aus nicht bekannten Gründen jedoch nicht mehr fertiggestellt wurde. Wie im Zusammenhang der Schrift bereits dargelegt, könnte man dafür geographisch an das südliche Apulien denken (dafür sprechen ggf. die arrondierten Buchstaben), aber auch das Gebiet von Grottaferrata bis Kalabrien käme durchaus in Betracht. Heute fehlt die erste größere Hälfte der Handschrift, die es nach Ausweis der Lagenzählung in der Tat einmal gegeben haben muss. Mit dem Verlust der ersten 26 Lagen ging womöglich auch das in der Regel immer hinzugefügte fuggersche Deckblatt verloren, das nach Auskunft des Augsburger Inventars aus der Mitte der 1550er Jahre einmal die lateinische Inhaltsbezeichnung Joannis Abbatis orationes getragen haben muss (siehe BAV, Pal. lat. 1950, f. 189r). Daran schlossen sich der Verweis auf den Beschreibstoff Bomb(yzin), in der Tat jedoch italienisches Papier, sowie das Erwerbersignet cypr(ius) an, das nach Lehmann, Fuggerbibliotheken, I, S. 108–118 aus guten Gründen auf Hieronymus Tragodistes Cyprius zu beziehen ist. Als griechischer Zypriot war Hieronymus bereits zu Beginn der 1550er Jahre nach Venedig gelangt. Womöglich hatte er bereits damals griechische Handschriften für den Weiterverkauf mitgebracht, sodass man auf ihn aufmerksam wurde. Auch war er dazu in der Lage, selbst Handschriften anzufertigen. Auf jeden Fall gelang es ihm wenig später, zum Zweck der Handschriftenakquise in fuggersche Dienste zu treten. Für seine Ankäufe konzentrierte er sich in erster Linie auf ältere theologische Kodizes, reiste in Italien bis Rom und später wiederholt nach Kreta und Zypern. Die niedrige Fuggersignatur spricht eher dafür, den Pal. gr. 79 zu denjenigen Handschriften zu zählen, die Hieronymus in Venedig oder während seiner ersten Reisen in Italien hat erwerben können. Auf jeden Fall ist Ulrich Fugger nach Auskunft des um 1550 erstellten Augsburger Inventars erster historisch gesicherter Eigentümer dieses Handschriftenfragments (siehe BAV, Pal. lat. 1950, f. 189r). Im Zuge seines Konkurses und seiner Vertreibung aus Augsburg im Jahr 1567 gelangte auch seine Bibliothek nach Heidelberg. Vertraglich vereinbart wurde mit den pfälzischen Kurfürsten ihre Aufstellung in der Heiliggeistkirche, vgl. dazu den entsprechenden Inventareintrag im BAV, Pal. lat. 1916, f. 541r. Nach dem Tod Ulrich Fuggers im Februar 1584 erfolgte der rechtsgültige Übergang der Bibliothek in den Besitz der Kurfürsten. Nach der Eroberung Heidelbergs 1621/22 gelangte die Handschrift als Geschenk des bayerischen Herzogs Maximilian an Papst Gregor den XV. über München nach Rom, seither Aufstellung in der BAV.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_79
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 41; Lehmann, Fuggerbibliotheken, II, S. 92.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–140v Digitalisat

Verfasser
Iohannes Climacus (GND-Nr.: 118558084).
Titel
Scalarum Paradisi Fragmentum.
TLG-Nummer
2907.001.
Angaben zum Text
CPG 7852.
Incipit
1r … οὔπω ἀ[κτήμων γέγονεν. ἀκτήμων …
Explicit
140r … καὶ ἦν καὶ ἔσται εἰς ἀορίστους αἰῶνας φῶς ἄμήν.
Textgestaltung
In der Kopfzeile wird auf jeder Blattseite entsprechend die Stufe bzw. das Kapitel rotschriftlich angeführt.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Auf f. 140v folgt ein griechischer Pinax in der Form einer Leiter.
Edition
Migne PG vol. 88, Sp. 928A13–1152B9 (Text weicht ab).


Bearbeitet von
Dr. Lars Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 03.09.2021.
Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.