Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 80

Theologische Sammelhandschrift

Pergament · 1, 209, 1 Bll. · 25,7 × 18,2 cm · Süditalien · Anfang 12. Jh.


Schlagwörter (GND)
Kirche / Ostkirche / Byzanz / Liturgik / Menologium.
Diktyon-Nr.
65813.
1ar–v vacat
1) 1r–111v Ps.-Amphilochius Cappadox, Vita S. Basilii Magni (fragm.)
2) 11v–170v Georgius Alexandrinus, Vita S. Iohannis Chrysostomi
3) 170v–175v Iohannes Chrysostomus, Sermo antequam iret in exsilium
4) 176r–181r Iohannes Chrysostomus, Sermo reditum a priore exsilio
5) 181r–209v Anonymus, Vita S. Matronae Byazantinae (fragm.)

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Süditalien. Kampanien, Kalabrien; siehe Geschichte der Handschrift.
Entstehungszeit
Anfang 12. Jh. Datierung aufgrund der Schrift.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament (Voratzbll. modernes Papier).
Umfang
1, 209, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
25,7 × 18,2 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + (IV-1)7 + 4 IV39 + (IV-1+1)47 + (IV-2)53 + 19 IV203 + (IV-2)209 + (I-1)210*. Vor 45 zwei Bll. verloren, Bl. 47 neuzeitl. ersetzt. Vorderspiegel ist Gegenbl. zu 1a, Hinterspiegel Gegenbl. zu 210*.
Foliierung
Vatikanische Foliierung des 17./18. Jhs. mit brauner Tinte im Kopfsteg rechts (f. 1–125, 133, 126–132, 134–196, 167, 198–209). F. 133 befindet sich heute an falscher Stelle, f. 197 falsch als 167 bezeichnet. Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 210*).
Lagenzählung
Die Lagenzählung ist nicht erhalten. An wenigen Stelle finden sich noch Spuren von einer Kreuzkennzeichnung der ersten Rectoseite, was ggf. auf eine monastische Entstehung der Hs. schließen lässt.
Zustand
Die Hs. ist nur noch fragmentarisch erhalten. Pergament von eher schlechter Qualität (teils sehr rauh u. löchrig), aber wenige Abbrüche und bis auf das Ende noch relativ glatt. Nur am Ende auch stärkere Wasserschäden (z.T. auch Pilzbefall) und Materialausbrüche mit Textverlust. Die Blätter ab f. 206 wurden teils neu angefalzt u. mit neuem Pergament stabilisiert. Überall Lesespuren wie Wachsflecken.

Schriftraum
17,8 × 12,8 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
26 Zeilen.
Linierung
System 1, Leroy 1995, 00D1.
Schriftart
Spätere Form der Perlschrift (Kappa u. Lambda bereits überwiegend in Minuskelform, Gamma u. Tau im Still der epigraphischen Auszeichnungsschriften mit Ober-u. Unterlängen). Überschriften in einer abgewandelten Form der epigraphischen Auszeichnungsmajuskel.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Ein Schreiber.
Buchgestaltung
Text sehr sorgfältig und wohl aufgrund des für liturgische Bücher eher kleinen Formats in nur einer Spalte eingetragen. Das Verhältnis von Seite und Textblock beträgt zwei zu eins, womit das im byzantinischen Bereich für höherwertige Bücher gebräuchliche Maß verwendet wurde. Zwischen den Einzeltexten nur schlichte Zierleisten. Auch die in Majuskeln gestalteten Überschriften stammen nicht von einem Rubrikator, sondern – was einzelne Buchstaben wie das pilzförmige Tau erkennen lassen – wohl vom Schreiber selbst. Initialen auf die Außenstege ausgerückt, Abschnittsinitialen (in Schriftfarbe) dabei am Beginn der jeweiligen Folgezeile. Auf den Rändern vereinzelt auch signa marginalia propria. In der Chrysostomus-Vita werden Zwischenüberschriften in zinnoberroter, antikisierender Auszeichnungsschrift auf den Rändern angegeben.
Buchschmuck
Die erhaltenen Teile des Menologions zeigen eine nur sehr schlichte Ausgestaltung. Zwischen den Texten Zierleisten mit unterschiedlichen Mustern (u.a. Ranken, unendlicher Rapport), die mit der braunen Texttinte vorgezeichnet und danach mit hellroter Tinte ausgefüllt wurden. Außerdem Textinitialen bis zu einer Höhe von zehn Zeilen rot konturiert, bes. die Initiale der umfangreichen Chrysostomus-Vita, die wohl die Vergoldung der Textvorlage imitiert.

Nachträge und Benutzungsspuren
Signaturenmarke der BAV auf dem Vorderspiegel, ihr Bibliotheksstempel auf f. 1r. Da das fuggersche Deckblatt fehlt, findet sich für den ersten Text im Kopfsteg von f. 1r die lateinische Inhaltsbezeichnung Fragmentum de vita Basilii M(agni) von Leo Allatius, außerdem links das Wort Vita sowie mehrfach auf der Seite die aktuelle Signatur. Auf f. 1r–v verschiedentlich Unterstreichungen bzw. Auflösung einer Abkürzung von Allatius, von ihm auch Umschrift des Titels auf f. 11v. Auf f. 4v im Fußsteg der Vermerk einer Hand d. 14. Jhs.: + νικόλαος πρόεδρος ὑμῖν δῶρον τὸν ἐκπέμψαντα (τοιοῦτον πρὸς …). Invokation zugunsten der verstorbenen Georgios, Nikodemos, Nikolaos, Andreas, Epiphanios, Theo(…) auf f. 41r. Ansonsten verschiedentlich Federproben u. Invokationen. Nur sehr schwer zu lesende Kaufbestätigung im Namen der göttl. Trinität auf f. 204v (siehe Schreiner 1991).

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, Bd. 2, S. 909.
Provenienz
Venedig / Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Für die Herkunft der Hs. (offenbar Fragment eines Menologiums vom Beginn des Monats November) aus Süditalien sprechen eine Reihe von Gründen, wie etwa das Format, die Herstellungsart, die Gestaltung der Schrift oder die mindere Qualität des Pergaments. Dabei ist die Schrift durchaus vergleichbar mit der des Cod. Crypt. Z.γ.3. (Kalabrien, Anfang 12. Jh.). Ein solcher Vorgang ist auch historisch plausibel, da gerade am Beginn der normannischen Herrschaft in Süditalien durch entsprechende staatliche Förderung auch der griechischen Klöster ein höherer Neubedarf an liturgisch verwendbaren Büchern realisiert werden konnte.
Erster historisch nachweisbarer Eigentümer der Hs. war Giovanni Battista Cipelli (gen. Egnatius). Zwar fehlt das fuggersche Deckblatt, auf dem sich in der Regel ein entsprechender Vermerk fand, doch wird dies durch die Bestandsliste des BAV, Pal. lat. 1950, f. 183v wettgemacht, die noch Hinweise auf Cipelli und den Inhalt der Hs. (Chrysostomi vita) enthält. Wie letzterer in den Besitz der Hs. kam, ist unbekannt. Nach Cipellis Tod im Juni 1553 konnte Martin Gerstmann dessen griechische Hss. für Ulrich Fugger erwerben. Eine Vertragsabschrift findet sich im BAV, Pal. lat. 1925, f. 103r–106v (zum Vorgang ausführlich s. Lehmann, Fuggerbibliotheken, Bd. 1, S. 94–98). Diese Hs. wird dort auf f. 106r als Nr. 63 aufgeführt (Chrysostomi quaedam orationes sine principio et fine). Im Zuge der Vertreibung Ulrich Fuggers aus Augsburg gelangte seine Bibliothek 1567 nach Heidelberg, spätestens nach dessen Tod im Februar 1584 auch formaljuristischer Übergang in den Bestand der Bibliotheca Palatina. 1622/23 Verbringung über München nach Rom als Geschenk der bayerischen Herzogs Maximilian, seither Aufbewahrung in der BAV.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_80
Literatur
Stevenson, Graeci, S. ; Ehrhard 1937-52, III, S. 744–745; Franchi De’Cavalieri 1899, S. 215; Lehmann, Fuggerbibliotheken, Bd. 2, S. 83; Schreiner 1991, S. 333; Robert Volk, Das Fortwirken der Legende von Barlaam und Ioasaph in der byzantinischen Hagiographie, insbesondere in den Werken des Symeon Metaphrastes, in: JÖB 53 (2003), S. 166, Anm. 145.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–11v Digitalisat

Verfasser
Ps.-Amphilochius Cappadox (GND-Nr.: 118648888).
Titel
Vita S. Basilii Magni (fragm.).
Angaben zum Text
CPG 3253; BHG 246y, 260ab.
Incipit
1r … παιδὸς [ἐβουλήθη ἁρπάσαι αὐτὸν … .
Explicit
11v … καταλίψας [!] ταῖς ἐκκλησίαις ταῖς κατ ἐνέργιαν [!] τοῦ ἁγίου πνεύματος συγγραφήσαις παρ᾽ αὐτοῦ. εἰς δόξαν … τῶν αἰώνων ἀμήν.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Am Anfang zahlreiche Unterstreichungen u. Eintragungen von Leo Allatius, offenbar zur Textidentifikation verwendet.
Edition
Sanctorum patrum Amphilochii Iconiensis, Methodii Patariensis er Andreae Cretensis opera omnia quae reperiri potuerunt. Nunc primum, magnam partem tenebris eruta … opera et Studi R. P. François Combefis, Paris 1644, S. 1965–225 (Text weicht ab und weist zahlreiche Verschreibungen auf; diese Hs. nicht verwendet).

2) 11v–170v Digitalisat

Verfasser
Georgius Alexandrinus (GND-Nr.: 100967868).
Titel
Vita S. Iohannis Chrysostomi.
TLG-Nummer
3383.001.
Angaben zum Text
CPG 7979; BHG 873.
Titel (Vorlage)
11v Γεωργίου ἀρχιεπισκόπου ἀλεξανδρείας περὶ τοῦ βίου καὶ τῆς ἐξορίας καὶ τῶν θλίψεων τοῦ ἐν ἁγίοις πατρὸς ἡμῶν ἰω(άννου) ἀρχιεπισκόπ(ου) κωνσταντινουπόλεως τοῦ χρ(υσοστόμου) τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον ἐλάλησεν. εὐλόγησον πάτερ.
Incipit
12r Πάντες οἱ παλαιοὶ ἱστοριογράφοι …
Explicit
170v, Z. 6 … ἰωάννης ὁ ἱερομάρτυς.
Nachträge und Rezeptionsspuren
F. 47 (vacat) ersetzt, da an dieser Stelle Blattausfall und Textverlust … δὲ ταῖς] συντυχίαις … ἐπαίδευσεν [ὑμᾶς διὰ τῆς… = 16187–1821 (S. 1149–1172) Der Text endet zunächst auf f. 170v, lin. 6 auf … ἰωάννης ὁ ἱερομάρτυς. Daran schließt sich ein Epilog an, der zum Folgetext überleitet: καὶ σὺ μὲν ἡμεῖς ὦ θεῖα … τάδε φ(ησὶ) διηγούμενος τῷ λαῷ ἔλεγεν (lin. 23).
Edition
Douze récits byzantins sur Saint Jean Chrysostome, publiés par François Halkin, Brüssel 1977, S. 70–285 (vorläufige Ed., diese Hs. vom Hrsg. nicht verwendet).

3) 170v–175v Digitalisat

Verfasser
Johannes Chrysostomus (GND-Nr.: 118557831).
Titel
Sermo antequam iret in exsilium.
TLG-Nummer
2062.091.
Angaben zum Text
CPG 4396.
Titel (Vorlage)
Titel fehlt, da in fortlaufenden Text integriert.
Incipit
170v πολλὰ τὰ κύματα …
Explicit
175v … ὅλων δεσπότης εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων ἀμήν.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Auf dem linken Seitensteg von f. 170v wies der Schreiber mit dem Vermerk ἀρχ(ή) auf den Predigtbeginn hin. Der Text endet auf f. 175v, lin. 12. Die Zeilen 13–26 leiten auf den Folgetext über (incipit ταῦτα τὰ ῥήματα τοῦ σοφοῦ τῆς οἰκουμένης…explicit τῷ αγίῳ πνεύματι· ἠρήσατο ὁμιλεῖν, αὐτοῖς φησί).
Edition
Migne PG 52, Sp. 427–432.

4) 176r–181r Digitalisat

Verfasser
Johannes Chrysostomus (GND-Nr.: 118557831).
Titel
Sermo reditum a priore exsilio.
TLG-Nummer
2062.093.
Angaben zum Text
CPG 4398.
Titel (Vorlage)
Titel fehlt, da in fortlaufenden Text integriert.
Incipit
176r ὅτε τὴν σάρραν ἀπὸ τοῦ ἀβραὰμ …
Explicit
181r … εὐχαριστήσωμεν τῷ θεῷ· αὐτῷ γὰρ πρέπει ἱη δόξα … τῶν αἰώνων ἀμήν.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Von einer etwas jüngeren Hand wurde im Fußsteg von f. 180v die auf 181r folgende Schlusspassage nochmals eingetragen. Im Kopfsteg von f. 181r findet sich die in Menologien gebräuchliche Längenangabe für die gesamte Blattfolge ab f. 170v: + εἰσὴν ὁ βίος καὶ εἰ [!] ἐξωρία τοῦ ἐν ἁγίοις πατρὸς ἡμῶν (καὶ) ἀρχιεπισκόπου κωνσταντινουπόλεως τοῦ χρυσοστόμου φοίλ(λα) [!] ροαʹ.
Edition
Migne PG 52, Sp. 443–448.

5) 181r–209v Digitalisat

Verfasser
Anonymus.
Titel
Vita S. Matronae Byzantinae (fragm.).
Angaben zum Text
BHG 1221.
Titel (Vorlage)
181r Βίος καὶ πολιτεία τῆς μακαρίας ματρώνης τῆς βυζαντίας. εὐλόγησον πάτερ.
Incipit
181r Ἡ μὲν τοῦ λεγουμένωου καὶ ὄντως … .
Explicit
209v … κακοπαθείας καρτερήσασα·καὶ τῷ ] >…<.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Letztes Blatt beschädigt, aber kein Textausfall.
Edition
Acta SS, Nov. III, Brüssel 1910, Sp. 790B–813A (diese Hs. Sigle P).


Bearbeitet von
Dr. Lars Martin Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2020.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 80. Beschreibung von: Dr. Lars Martin Hoffmann (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2020.


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Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.