Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 672

Sammelhandschrift

Papier · 3, 311, 1 Bll. · 29,7 × 22,1 cm · Bologna · 1430


Schlagwörter (GND)
Kanonisches Recht / Dekretalensammlung / Dekretalen / Liber extra / Vorlesung / Fragment.
Entstehungsort
Bologna.
Entstehungszeit
1430.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
3, 311, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
29,7 × 22,1 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(II-1)3a + 3 V30 + IV38 + V48 + (V-1)57 + 2 V77 + VII91 + 6 V151 + (IV-3)156 + 5 V206 + (II-2)208 + 3 V238 + VI250 + IV258 + VI270 + 2 V290 + III296 + VII310 + 1311 + (I-1)312*. Vorderspiegel Gegenbl. von 3a, Hinterspiegel Gegenbl. von 312*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Womöglich zeitgenössische Foliierung (1–311). Vorsatzbll. und Nachsatzbl. ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a–3a, 312*). Ab 101v Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts (außer 290v und auf den leeren Seiten 156v, 208v, 310v). 157r–208r Lagenfoliierung in arabischen Ziffern.
Zustand
Stockfleckig, v.a. am oberen Rand. Schrift zuweilen verblasst. Initialen und Paragrafenzeichen schlagen durch. Bll. 100–110, 297–298, 310 leichter Wasserschaden.
Wasserzeichen
Drache, waagrecht / steigend, Bll. 2–28, 34–68, 161–186, vergleichbar mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1448–1450 beschrieben wurden, DE8100-CodTheol2141_117. Einhornkopf, ohne Mähne, Horn glatt, Bll. 33, 78–84, 105, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1417 in Wesel Verwendung fanden, DE8730-PO-124821. Dreiberg, einkonturige Stange mit Kreuz als Beizeichen, Bll. 69–73, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS im 1. Viertel des 15. Jhs. in Oberbayern beschrieben wurden, DE5580-Clm6498_144. Löwenkopf im Profil, Bll. 103–109, 112–117, 125–154, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1431 in Rom verwendet wurden, DE4620-PO-85242. Krone ohne Bügel, senkrecht, Mittelzinken zweikonturig, Ende blatt- / lilienförmig, Reif einteilig, ohne Schmuck, Bll. 210–212, 219–241, 243–244, 250, vergleichbar mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1522 in Florenz beschrieben wurden, IT5235-PO-51120. Löwe, halbe Figur, Bll. 251–270, derzeit keine Übereinstimmung mit WZIS. Dreiberg, einkonturige Stange als Beizeichen, Bll. 275–281, annähernd identisch mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1442 wahrscheinlich in Wien / Regensburg verwendet wurden, DE5580-Clm14304_279. Horn, waagrecht, mit einfachem Band, Band und zwei Striche auf Horn sichtbar, Schallbecher dreidimensional, Bll. 286–304, ähnlich Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1466 in Neapel Verwendung fanden, IT5235-PO-119519.

Schriftraum
23,4 × 20–11,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
39–63 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Mehrere Hände trugen zur Fertigstellung der Hs. bei, wobei sich alle der Bastarda bedienten. Darunter überwiegt die schleifenlose Bastarda, bei der sich Unterschiede in erster Linie bei der Behandlung von f und s ausmachen lassen, die von der Mehrzahl der Schreiber ohne Unterlängen ausgeführt wurden. Überdies zeigen die Hände unterschiedlich starke Einflüsse humanistischer Schriften. Über einen der Schreiber gibt ein Kolophon Auskunft, der hintereinander zweimal auftaucht, auf 310r, Explicit lectura quarti decretalis dominum abbatis, scriptis per me Hubertum de Sarto alias de Leodio, und auf 310v, Explicit lectura quarti decretalis domini abbatis de Miniatis de Cecilia, scriptis per me Hubertum de Leodio.
Buchgestaltung
Schriftraum mit Metallstift vorgezogen. Tituli als Überschriften in vergrößert dargestellten gotischen Minuskeln im Fließtext. Tituli ab 210r auf den Versoseiten auf dem Kopfsteg rechts verkürzt als Seitentitel wiedergegeben. Capituli durch Anfangsworte in über zwei Zeilen vergrößerten Minuskeln hervorgehoben, Paragrafen zusätzlich mit Paragrafenzeichen auf dem Rand versehen. 157r–161r rote Unterstreichungen und Strichelungen. Ab 209r Anfänge auch mit Lombarden eingeleitet (beginnend mit einer größeren Initiale über 10 Zeilen mit Schaftaussparungen und Blättern im Binnenfeld). Paragrafenzeichen zur Untergliederung des Texts.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Kurze inhaltliche Zusammenfassungen, z.T. von einem Paragrafenzeichen eingeleitet, sowie Korrekturen und Verweise, überwiegend von den Schreiberhänden, auf den Rändern. Darüber hinaus nur sehr wenige Anmerkungen. Zahlreiche grafische Verweiszeichen. 256v grafische Distinctio, der Didaxe dienend.

Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 847). Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf Buchrücken zwei blaue aufgeklebte Schildchen mit aktueller Signatur, dazwischen Rückentitel: Lectura super primo decretalium Lapi.
Provenienz
Mainz / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Auf Vorderspiegel blaues Schildchen mit aktueller Signatur. Auf 1ar neben aktueller Signatur Altsignatur 91 [durchgestrichen, darunter weitere Altsignatur, vielleicht 789], auf 3av in Blei aktuelle Signatur, auf 1r Capsa-Nummer C. 77. und Altsignaturen 1094 und 485. Zeitgenössischer Eintrag auf 1r: Lectura super primo decretalium domini Lapi abbatis sancti Miniatis cenobij, und auf 209r: Lectura super quarto decretalium domini Lapi abbatis sancti Miniatis cenobij ciuitatis Castellione prouincie Sicicilie [!]. Wie diese Eintragungen ausweisen, handelt es sich hier um die Vorlesung des Bologneser Hochschullehrers Nicolaus Lapi (†1451) zum Liber extra, dem noch ein Traktat des Bartolo da Sassoferrato beigefügt wurde. Mehrere Hände schrieben die Vorlesung. Die Texte wurden offenbar von Lapis Schüler, dem Mainzer Konrad Humery (um 1405–um 1477/78), gesammelt, wie der Eintrag auf 208r darlegt: finiunt recollecte subtilissimi ac famosissimi decretorum doctoris domini Nicolay abbatis de Sicilia, collecte sub auditorio suo per me Conradum Homery de Maguncia, anno et cetera 1430. Konrad Humery studierte ab 1421 in Erfurt und Köln, zwischen 1427 und 1432 in Bologna, wo er auch zum Doctor decretorum promoviert wurde. Nach seiner Rückkehr nach Mainz übte er verschiedene Ämter in der Mainzer Stadtverwaltung aus. Wohl mit Johannes Gutenberg in Verbindung stehend, erhielt Humery nach Gutenbergs Tod 1468 Druckgeräte aus dessen Nachlass. Dass Humery zu Ende seines Lebens noch vorliegende Hs. besessen haben dürfte, dafür spricht ein Bl. aus dem Mainzer Catholicon, das dem Codex beilag und das Stevenson für seine Beschreibung noch vorfand. Auf 312*r findet sich der Verweis auf das Fragment, welches herausgelöst wurde und jetzt unter BAV, Inc. S. 241 bis zu finden ist.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_672
Literatur
Calasso, Sassoferrato, S. 655; Franz Falk, Der muthmassliche Verfasser der Schlussschrift des Catholicon von 1460, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 5 (1888), S. 306–311; Gutenberg. Aventur und Kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution, Katalog zur Ausstellung der Stadt Mainz anlässlich des 600. Geburtstages von Johannes Gutenberg, 14. April - 3. Oktober 2000, hrsg. von der Stadt Mainz, Mainz 2000, S. 78; Lotte Hellinga, Analytical Bibliography and the Study of Early Printed Books with a Case-Study of the Mainz Catholicon, in: Gutenberg Jahrbuch 64 (1989), S. 47–96, hier S. 83; Josephus L.J. van de Kamp, Bartolus de Saxoferrato 1313–1357. Leven, werken, invloed, beteekenis, Paris 1936, S. 74; Manuscripta juridica, Pal. lat. 672; Michael Mommert, Konrad Humery und seine Übersetzung der Consolatio philosophiae. Studien zur deutschen Boethius-Tradition am Ausgang des Mittelalters, Diss. Münster 1965, S. 23–25; OVL, Pal. lat. 672; Schunke, Einbände 2.2, S. 847; Stevenson, Latini, S. 238f.; Franz Josef Worstbrock, Art. Humery, Konrad, in: VL, Bd. 4, Berlin 1983, Sp. 301–304, hier Sp. 301.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–310r Digitalisat

Verfasser
Nicolaus Lapi.
Titel
Lectura decretalium Gregorii IX.
Angaben zum Text
Vorlesung zu Teilen des ersten Buchs und zum vierten Buch des Liber extra: (1r–156r) 1.5–1.6.60; (156v) leer; (157r–208r) 1.41–1.43.14; (208v) leer; (209r–310r) 4.1–4.21.5 (223v–229r, 305r–310r Reihenfolge der Kapitel gestört). – 1a–3a leer. – 310v Kolophon (s. Geschichte der Handschrift).
Rubrik
1r ›De postulacione prelatoribus‹.
Incipit
1r Viso de jure scripto et non scripto quia parum est
Explicit
310r … quam non reperio in hoc per aliquam violatam et hec sufficiant ad laudem sancte trinitatis. Amen. Deo gratias. Explicit lectura quarti decretalis domini abbatis, scriptis per me Hubertum de Sarto alias de Leodio.

2) 311r–311v Digitalisat

Verfasser
Bartolo da Sassoferrato (GND-Nr.: 118652885).
Titel
Tractatus de falcone.
Rubrik
311r ›Incipit quidam tractatus de falcone domini Bartoli‹.
Incipit
311r Comes Guido de Blancardo cum inisset venatum amisit falconem
Explicit
311v … vnde accio in factum fuit proponenda et non acquilia ut probatur per dictum § Celsus. Et sic est finis.
Edition
Das Werk liegt in keiner modernen Edition vor, ging aber bereits 1493 als Inkunabel in Druck (GW 3664).


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 672. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.